Interview

Keine Aspiranten
Was können Oberbergs Vereine tun, wenn niemand Schützenkönig werden will?

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Zu sehen ist der Vorsitzende eines Schützenvereins.

Diesmal traf es die Gimborner Bruderschaft mit ihrem Schützenchef Marc Potthoff. Doch dass die Königskette keinen neuen Träger findet, ist ein Szenario, vor dem kaum mehr ein Verein gefeit ist.

Gimborns Schützenchef Marc Potthoff spricht über ein Problem, das auch die Traditionsvereine sorgt.

Erstmals wurde nach 414 Jahren bei den Gimborner Schützen kein König ausgeschossen. Aspirantenmangel ist eine Sorge, die viele Schützenvereine haben. Wie reagiert der Traditionsverein Gimborn nun darauf? Wolfgang Weitzdörfer sprach mit dem 1. Vorsitzenden Marc Potthoff.

Wie kam es beim Schützenfest zur Königsmisere?

Marc Potthoff: Es zeichnete sich in der Vergangenheit schon ab, dass dieser Tag irgendwann kommt. Deswegen haben wir als Vorstand immer daran gearbeitet, sowohl zeitliche als auch finanzielle Verpflichtungen des Königs mit seinem Hof auf ein Minimum zu reduzieren. Allerdings gab es in unserer Schützenbruderschaft nie eine Regel, die den Vorstand verpflichtet, einzuspringen, wenn niemand auf den Vogel schießt. Diese Verpflichtung wäre keinem Vorstand zuzumuten und würde dazu führen, dass die Personen, die sowieso schon viel für den Verein arbeiten, zusätzlich belastet würden.

Viele oberbergische Vereine plagen ähnliche Sorgen 

Hat der Vorstand die Situation bewusst eskalieren lassen, um die Mitglieder wachzurütteln?

Es war sicherlich keine leichte Entscheidung und ich würde es nicht unbedingt als eine bewusste Eskalation bezeichnen. Wir hatten uns mit dem Vorstand und der Schießkommission im letzten Jahr schon dieser Frage widmen müssen, auch wenn es dann glücklicherweise anders kam. Wir haben beschlossen: Wenn nach anderthalb Stunden kein Aspirant am Schießstand ist, dann nehmen wir den Vogel halt wieder ab – auch aus zeitlichen Gründen. Das Fest soll danach ja noch zu Ende gefeiert werden.

Wie ist die Resonanz im Verein und von anderen Vereinen?

Wenn wir über das Königsschießen sprechen, dann haben viele Vereine ähnliche Sorgen und ebenfalls noch keine wirkliche Lösung, wie man solch eine Situation anders lösen könnte. Zum Schützenfest und den Worten, die wir dazu gefunden haben, gab es sehr viele positive Rückmeldungen. Wir müssen nun optimistisch und kreativ nach vorne schauen.

Wir haben beschlossen: Wenn nach anderthalb Stunden kein Aspirant am Schießstand ist, dann nehmen wir den Vogel halt wieder ab.
Marc Potthoff zum Beschluss des Gimborner Vorstands

Kann es zur Regel werden, dass es keinen neuen König gibt?

Die Gefahr besteht, es wäre vermessen, etwas anderes zu sagen. Wir müssen jetzt erstmal die Tage verdauen, die ersten Anregungen sammeln und in einen Austausch gehen. Es gibt einige Ideen, die aber erstmal durchdacht werden müssen.

Was unternimmt Ihr Verein, um Mitglieder für die Königswürde zu motivieren?

Wir haben noch kein Patentrezept gefunden. Wir werden das Thema weiter entwickeln und versuchen, den Spagat zwischen Tradition und Moderne hinzubekommen. Das Leben besteht tagtäglich aus Veränderungen und wir müssen die Menschen und Schützenbrüder dabei mitnehmen, diese sinnvoll zu planen und umzusetzen. Mit dem Stand von heute gehören für mich die Majestäten zum Schützenwesen dazu, um den Verein zu repräsentieren. Wir haben die Aufgabe, die Dinge zu hinterfragen und die Schützenbruderschaft zukunftsfähig aufzustellen und vielleicht gibt es in der Zukunft andere Varianten.

Gimborner Jungschützen sind motiviert

Wie ist die Situation allgemein im Verein?

Wir können aktuell mit Stolz auf 70 Jahre Jungschützenabteilung zurückblicken und das zeigt, dass die Jugendarbeit gut funktioniert. Die Jungschützen finden immer wieder neue Jugendliche, die sich von den Aktivitäten und dem Zusammenhalt angesprochen fühlen. In meiner persönlichen Wahrnehmung besteht bei uns zurzeit die Herausforderung, den Elan aus dem Jugendbereich in den Altschützenbereich zu überführen. Dort geht uns von den aktiven Schützen oft ein großer Teil verloren. Viele zahlen zwar weiter ihren Beitrag, aber sind dann bei den Arbeiten und Aktivitäten oft nicht mehr dabei. Dies ist für uns schwierig, da die Anzahl an Aufgaben wächst und die Rahmenbedingungen nicht einfacher werden. Die sich ständig verändernden gesetzlichen Auflagen machen es dem Ehrenamt ebenfalls nicht einfacher.

Haben Schützenvereine Ihrer Erfahrung nach ein Imageproblem?

Es gibt sicher immer wieder vereinzelt negative Ereignisse, die mit dem Schützenwesen verknüpft werden. Einzelne Situationen oder Handlungen von Personen werden dann verallgemeinert und der Wert des Schützenwesens und der Tradition rücken in den Hintergrund. Wer die Grundwerte des Schützenwesens richtig verstanden hat und sie lebt, der weiß zu schätzen, welche großartigen Erfahrungen dort gemacht werden können.

Was ist der besondere Reiz am Schützenverein?

Ich persönlich bin dort familiär reingewachsen und habe so Freundschaft, Gemeinschaft und Tradition immer hautnah in der Schützenbruderschaft erlebt. Für mich übersehen die Menschen in ihrem Alltag den Wert von Gemeinschaft und damit auch Ehrenamt in jeglicher Form. Die Menschen hasten durch das Leben und nehmen sich zu wenig Zeit, innezuhalten. In der Zusammenarbeit im Ehrenamt interagieren die Menschen und lernen unter der Berücksichtigung der traditionellen Werte respektvoll miteinander umzugehen. Es gibt nicht immer nur Harmonie, aber Konflikte und gemeinsame Diskussionen vernünftig zu führen, trägt zur persönlichen Entwicklung eines jeden bei.

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