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Tom SallerEinblicke in der Werkstatt des Wipperfürther Schriftstellers

Lesezeit 3 Minuten
Autor Tom Saller im Forum der Voßbruchhalle.

Im Forum der Voßbruchhalle las Autor Tom Saller.

Lesung aus dem neuen Buch über das Wirken der Tochter des berühmten Psychoanalytikers Sigmund Freud im Forum der Voßbruchhalle.

„Ich freue mich, heute Abend hier bei Ihnen in Lindlar zu sein“, sagt Tom Saller zur Begrüßung bei seiner Lesung am Freitagabend im Forum der Voßbruchhalle in Lindlar. Denn die Alternative wäre die Leipziger Buchmesse, und da würden schon manchmal befremdliche Leute rumlaufen, verrät der bodenständige Autor aus Wipperfürth mit einem Augenzwinkern.

Aus dem Schatten des Vaters getreten

Der Förderverein der Gemeindebücherei Lindlar hat Saller eingeladen, aus seinem aktuellen Roman „Ich bin Anna“ zu lesen. Darin geht es um die Tochter des berühmten Psychoanalytikers Sigmund Freud. Der Autor zieht eine Parallele zwischen sich und seiner Protagonistin Anna. Auch sie habe es nicht so mit dem„Chichi“ gehabt, sei lieber im Hintergrund geblieben. Später sei sie dann aber mit einer fulminanten Entwicklung aus dem Schatten des übermächtigen Vaters Sigmund herausgetreten.

Saller liest mit ruhiger, klarer Stimme. Im gedämmten Licht entsteht bald eine entspannte Stimmung und die Zuhörenden werden ganz in die Sprachbilder hineingezogen. Anna Freud ist das Nesthäkchen, das Jüngste von fünf Kindern und die Geschichte beginnt 1914 in der Familienwohnung in Wien in der Burggasse 19. Zu gut kann man sich vorstellen, wie die jugendliche Anna auf der einen Seite ihre Träume mit Versen und Gedichten verwirklichen will, auf der anderen Seite aber den Plänen ihres Vaters gemäß ihm in die Psychologie folgt.

In der Praxis des Vaters spielt der Patient Stadlober eine wichtige Rolle. Als Soldat im 1. Weltkrieg wahrscheinlich aufgrund der traumatischen Erlebnisse vorübergehend erblindet, entwickelt sich bald eine spannende Dreiecksbeziehung zwischen Vater, Tochter und ihm.

Fast alle Freud-Zitate belegt

In die Rolle des Stadlober bringt Saller Erfahrungen aus seiner Praxis mit, wie er erzählt. Saller ist im Hauptberuf Arzt und psychotherapeutisch tätig. Auch heute - 100 Jahre später - gebe es Leute, die aufgrund psychischer Probleme eine körperliche Störung entwickeln. Darum finde er die Elemente dieses Charakters besonders interessant. Das Buch ist wechselweise aus der Sicht von Anna und Sigmund Freud erzählt. Die Komponenten und Zitate zu Sigmund Freud seien original und zu 90 Prozent aus Schriften und Briefen belegt, so der Autor.

Der weibliche Körper war ein ‚Dark Continent‘ für ihn, darüber hat er nichts geschrieben, das hat dann alles Anna gemacht.
Tom Saller

Bei den Zitaten um Anna Freud seien es 100 Prozent, denn über sie gebe es, im Gegensatz zum Vater, keinerlei private Aufzeichnungen. „Auch, wenn Sigmund Freud in der damaligen Zeit mit der Deutung des Unterbewussten und der Beschreibung des „Über-Ich“ ein Vorreiter war, so wäre er in der heutigen Zeit ein alter, weißer Mann schlechthin“, erzählt Saller über seine Auseinandersetzung mit seinen Protagonisten Sigmund und Anna Freud. „Denn der weibliche Körper war ein 'Dark Continent' für ihn, darüber hat er nichts geschrieben, das hat dann alles Anna gemacht.“

Saller liest an diesem Abend Passagen aus dem ersten von den drei Teilen des Buches. Im Gespräch mit dem Publikum kommt die Frage auf, wie Saller seine Themen für die Bücher finde. „Die Themen finden mich, bei allem, was ich tue: Beim Wein trinken, beim Sport, beim Leute treffen“.