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„Inkasso ist keine Drohung“Firma Tesch kämpft mit dem Image-Problem der Branche

Lesezeit 5 Minuten

Vom Azubi zum Chef: Robert Weidmann hat am neuen Standort in Niederseßmar das Büro von Jochen Kienbaum geerbt.

Niedersessmar – Robert Weidmann entspricht so gar nicht dem Klischee-Bild, das man von einem Inkasso-Unternehmer hat. Er ist zwar groß, aber sehr schmal, er trägt im Büro weder eine Sonnenbrille, noch raucht er Zigarre. In diesen Tagen feiert er Betriebsjubiläum bei Tesch Inkasso. Seine Mitarbeiter haben für ihn eine Plakatwand beklebt: „Robert, seit 30 Jahren bis Du aus unserem Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Danke für alles!“

Freimütig erzählt der Geschäftsführer, dass er damals, Mitte der 80er Jahre, eine Ausbildung zum Erzieher aufgenommen hatte, als er auf einem Kindergartenfest von Siegward Tesch für dessen frisch gegründetes Unternehmen abgeworben wurde.

160 Mitarbeiter bei Tesch Inkasso

Fortan war er einer von drei Azubis in dem vergleichsweise kleinen Tesch-Büro am Dörrenbergplatz in seinem Heimatort Ründeroth. Heute sitzt Weidmann an demselben Schreibtisch, an dem bis vor kurzem kein Geringerer als Jochen Kienbaum gearbeitet hat. Nachdem dessen Unternehmensberatung nach Köln umgezogen ist, hat Weidmanns Firma zum Jahreswechsel den Gebäudekomplex in Niederseßmar übernommen. 160 Mitarbeiter sind dort nun für die Tesch Inkasso Forderungsmanagement GmbH tätig.

Dass eine beachtliche Karriere in der Finanzwirtschaft auf der Treue zum Unternehmen beruht und nicht auf der fortdauernden Jagd nach mehr Gehalt und Personalverantwortung, entspricht ebenfalls nicht der landläufigen Vorstellung. Robert Weidmann aber versichert, dass es ihm immer vor allem um den Spaß an der Arbeit ging: „Ich habe nie das Gefühl gehabt, auf der Stelle zu stehen.“ Und so wuchs seine Verantwortung, je größer Tesch wurde. Der einstige Lehrling genoss das Vertrauen des Unternehmensgründers. „Siegward Tesch war ein mutiger und kluger Stratege, und er hat sich die richtigen Leute gesucht. So hatte er auch Zeit für seine Hobbys wie die Kutschensammlung“, sagt Robert Weidmann über seinen langjährigen Chef. „Bei einer Neukundenakquise war er aber immer dabei.“

Unternehmen wuchs rasch

So wuchs das Unternehmen zügig. Bald wurde Tesch nicht mehr nur von mittelständischen Handwerksbetrieben und Autovermietungen gebeten, Forderungen einzutreiben, nun kamen die Telekom und andere Großkonzerne dazu, später Banken und Versicherungen. So reichte auch das erste eigene Haus in Oberbantenberg nicht mehr aus und Tesch zog nach Bielstein. „Wir sind immer schneller gewachsen als wir uns das vorgestellt hatten“, sagt Weidmann im Rückblick. Von 2008 an zog sich Siegward Tesch aus dem Geschäft zurück und übertrug die Verantwortung für das operative Geschäft auf Robert Weidmann und eine weitere Mitarbeiterin, die von 2010 an die Geschäftsführung übernahmen.

2012 folgte der Verkauf an die niederländische Investorengesellschaft Avedon. Seit September 2016 gehört Tesch zur Lowell-Gruppe, einem deutsch-britischen Inkasso-Konzern. Anders als beim ersten Verkauf hatte Robert Weidmann keine Sorge, dass Tesch geschwächt werden könnte. Er dachte sich: „Wir machen hier eine gute Arbeit. Warum sollte der neue Eigentümer den Standort schwächen?“ Tatsächlich stehen die Zeichen auf Wachstum, Tesch sucht neue Mitarbeiter, namentlich Rechtsanwaltsfachgehilfen und einschlägig erfahrene Kaufleute. Robert Weidmann will nicht verhehlen, dass es in seiner Branche besonders schwierig ist, Fachkräfte zu bekommen. Grund: das Imageproblem.

Weidmann spricht auch als Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der deutschen Inkassounternehmen, wenn er klagt: „Verbraucherzentralen sehen nicht immer die positiven Veränderungen und übertragen das Geschäftsgebaren der schwarzen Schafe auf die ganze Branche.“ Seriöse Unternehmen seien mit ihren Methoden weit entfernt von den Einschüchterungsversuchen à la „Moskau Inkasso“, beteuert Weidmann: „Ich spreche mit unseren Mitarbeitern regelmäßig darüber, wie wichtig der Respekt vor dem Schuldner ist.“ Der PR-Beauftragte der Lowell-Gruppe möchte eigentlich, dass nicht mehr von „Schuldnern“, sondern neutraler von „Konsumenten“ gesprochen wird.

Durch Arbeitslosigkeit in die Schulden

Der Großteil der betroffenen Menschen jedenfalls, weiß Robert Weidmann, komme nicht durch einen skrupellosen Kaufrausch, sondern eine Notsituation wie Arbeitslosigkeit in die Lage, dass ihm die Schulden über den Kopf wachsen. „Unsere Mitarbeiter haben natürlich auch Gespräche mit Menschen in sehr schwierigen Lebenssituationen.“

Schon aus geschäftlichen Gründen setze er lieber auf einen behutsamen Umgang mit den Schuldnern. Die Gebühren seien sozial gestaffelt, auf „Fantasiegebühren“ werde verzichtet. „Auch wir wollen Aufwand und Ärger vermeiden. Uns ist eine geringere Gebühr lieber, wenn wir damit den Vorgang vom Tisch bekommen. Erst im gerichtlichen Teil eines Verfahrens steigen die Kosten deutlich.“

Negative Schlagzeilen werden vermieden: „Der Mandant möchte sein Geld schnell zurückhaben und nicht in der Presse landen. Auch deshalb müssen wir mit dem Schuldner vorsichtig umgehen.“ Der Tesch-Geschäftsführer formuliert es so: „Inkasso ist keine Drohung, aber der nächste respektvolle Schritt.“

Kritische Sicht

Die Caritas Oberberg steht (wie auch die Arbeiterwohlfahrt) den von Überschuldung betroffenen Menschen in Oberberg als Schuldnerberater zur Seite. Vorstandsvorsitzender Peter Rothausen erinnert sich daran, dass die Caritas vor vielen Jahren mit der Firma Tesch Inkasso ins Gespräch kam, nachdem man sich einmal beim Bundesverband der Inkasso-Büros beschwert habe. Seitdem habe es mehrere Fälle gegeben, bei denen man sich im Sinne der betroffenen Schuldner auf eine Lösung habe einigen können. Strittig seien „Grauzonenkosten“, die aus Sicht der Schuldnerberater nicht gerechtfertigt sind. Wichtig sei, so Rothausen, dass zunächst Miete, Strom, Wasser und Heizung bezahlt werden.

Tesch Inkasso bewege sich im Mittelfeld der Branche, meint Rothausen: „Es gibt welche, die viel schlimmer sind, aber auch welche, die mit den Schuldnern besser umgehen.“ So wisse er, dass Tesch Inkasso nicht mit Methoden wie nächtlichem Telefonterror arbeite, um die Schuldner unter Druck zu setzen.

Zweierlei Schulden

Als Inkasso bezeichnet man den Einzug von Geldforderungen im eigenen oder fremdem Namen. Zu unterscheiden ist einerseits das Forderungsmanagement, bei dem die fremden Schulden eingetrieben werden und das Inkasso-Unternehmen für seine Dienstleistung Gebühren verlangt. Dieses Geschäft macht bei Tesch Inkasso nach den Angaben von Robert Weidmann 75 Prozent des Umsatzes aus. Monatlich gibt es etwa 30 000 neue Verfahren. Demgegenüber eine geringere Rolle spielt bei Tesch der Forderungskauf: Das Inkassounternehmen bezahlt einen Prozentsatz und übernimmt die Schulden in der Hoffnung, einen höheren Prozentsatz zu erlösen.