Hunger und Kälte zum ChristfestWie die Oberberger Weihnachten 1946 erlebten
Oberberg – Auf die Oberberger kommt 2020 ein Weihnachtsfest unter erschwerten Bedingungen zu. Abgesagte Gottesdienste, Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln beim Familienfest, hunderte Menschen in Quarantäne – die Corona-Pandemie bereitet nach Jahrzehnten der Normalität eine eher böse Bescherung. Und viele fragen sich: „Geht es denn noch schlimmer?“ In den sozialen Netzwerken beantworten viele Menschen das mit einem Ja und verweisen auf die Nachkriegszeit. Im Zeitungsarchiv sind wir zurück in den Dezember 1946 gereist.
Damals erschien wieder regelmäßig eine Zeitung im Oberbergischen – „veröffentlicht unter Zulassung der Militärregierung“, wie es auf der Titelseite heißt. Auf wenigen Blättern teilte sich das Weltgeschehen den Platz mit Meldungen aus der Region und Oberberg. Am 17. Dezember 1946 heißt es auf der Lokalseite: „Sicher hat sich noch nie eine Frau in normalen Zeiten so inbrünstig einen neuen Pelzmantel gewünscht wie heute ein Paar derbe Schuhe für ihren Jüngsten oder ein warmes Strickkleid für das Töchterlein. Eine andere einsame Mutter würde ihr ganzes Glück darin finden, wenn sie ihren fern hinter Stacheldraht festgehaltenen Jungen nur einmal für eine Stunde in die Arme schließen könnte.“
Mangel und Armut bestimmten das Leben
In jenen Tagen spiegeln viele Meldungen wider, wie sehr Mangel und Armut das Leben der Oberberger bestimmte. Oft fehlte es am Nötigsten – übrigens auch in den Amtsstuben. „Wegen Kohlenmangels stillgelegt“ ist die Überschrift einer Meldung, die von der Schließung der Kreisverwaltung und der Stadt- und Gemeindeverwaltungen des Oberbergischen vom 23. Dezember bis 1. Januar berichtet. Nur ein Notdienst werde aufrechterhalten.
Ebenfalls in der Zeitung vom 17. Dezember fragt ein Leser, „warum viele Familien noch zwei Küchenherde besitzen, von denen der eine zumeist nur im Sommer benutzt wird, während ebenso viele Flüchtlinge und Ausgebombte ohne ein solche Inventarstück leben und kochen müssen“.
Auch die Einzelhändler plagten damals große Sorgen
Überhaupt die Ernährung: Monatliche Lebensmittelkarten waren nach dem Krieg und bis 1950 an der Tagesordnung. Am 20. Dezember 1946 hinterfragt ein Autor in der oberbergischen Zeitung die Zuteilung: Von Bergarbeitern, die Anspruch auf 4000 Kalorien haben, staffele es sich hinunter bis zur Normalverbraucherration von 1550 Kalorien. „Um diese Lebensmittelmenge tatsächlich zu bekommen, bedarf es körperlicher Kräfte und einer Ausdauer im Schlangestehen und Hetzen durch die Geschäfte, über die ein Normalverbraucher zumeist gar nicht mehr verfügt.“ In derselben Ausgabe werden Kriegsbeschädigte über ihren Anspruch auf Gelder informiert: „Durch den Nothilfeausschuß des Oberbergischen Kreises werden zu Weihnachten den Kriegsblinden 100 Mark, den Schwerbeschädigten beider Kriege (…) 50 Mark (…) durch die Gemeinden ausbezahlt.“
Währenddessen plagten die Einzelhändler zusätzliche Sorgen. „In mehreren Sitzungen des Einzelhandelsverbandes (Außenstelle Gummersbach) kamen aktuelle Fragen zur Sprache. Die Fachgemeinschaft Möbel richtet einen dringenden Appell an alle zuständigen Stellen zum Schutze des wertvollen Nutzholzes.“ Sie bangten um ihren Werkstoff, weil der Brennholzeinschlag stark zugenommen habe, schreibt die Zeitung am 20. Dezember.
Einen Bericht des Gummersbacher Bürgermeisters Theodor Stuplich bei der Stadtverordnetensitzung über die allgemeine Lage zitierte der oberbergische Heimatteil in der Heiligabend-Ausgabe 1946. Und auch hier wird der Mangel in vielen Bereichen angesprochen: „Sämtliche Einwohner der Stadt erhielten einen Zentner Kartoffeln; der zweite Zentner soll in Kürze geliefert werden. Die Brotversorgung schwankt immer noch bedenklich, während der Kälteeinbruch eine Katastrophe in der Brennholzversorgung herbeiführte. Die Krankenhäuser sind ohne Kohle! Auf Vorschlag des Ersten Beigeordneten Heidbreder (SPD) wurde ein Appell an das soziale Gewissen jener Einwohner beschlossen, die ihre Keller mit Kohlen gefüllt haben.“
„Nur einmal wieder satt werden [...] Dann wären wir glücklich!“
Die Versorgungssituation wurde in den folgenden Monaten nicht besser. Im dritten Band der „Oberbergischen Geschichte“ schreibt Gerhard Pomykaj: „Wohl fast allen, die diese Jahre bewusst erlebten, blieben sie wohl auch gerade als Zeit des Hungerns und Frierens, des Tauschs und der Improvisation in Erinnerung.“ Pomykaj zitiert den ehemaligen Stadtdirektor von Wipperfürth: „Nur einmal wieder statt werden, eine eigene Wohnung haben, friedlich arbeiten können, Geld verdienen, das etwas wert ist. Dann wären wir zufrieden und glücklich!“