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Interview

Beratungsstelle Hier finden Oberberger Hilfe bei Trennung und Scheidung

Lesezeit 6 Minuten
Ein gemaltes Herz ist auf einem Durchfahrt-Verboten-Schild zu sehen.

Wenn Paare und Eltern sich voneinander trennen, geht das nur selten ohne Schmerzen und Verletzungen ab.In Oberbergs Norden hilft die Herbstmühle.

Thomas Köhler-Saretzki und Renate Neu von der Beratungsstelle Herbstmühle sprechen im Interview über Hilfe bei Trennung und Scheidung.

Wenn Paare und Eltern sich voneinander trennen, geht das nur selten ohne Schmerzen und Verletzungen ab. Thomas Köhler-Saretzki und Renate Neu arbeiten beide als Psychologen und Familientherapeuten der Psychologischen Beratungsstelle Herbstmühle. Sie erklären im Interview mit Stefan Corssen, welche Hilfe sich Betroffene holen können.

Viele Familien und Beziehungen brechen irgendwann auseinander. Wie schlägt sich das bei der Psychologischen Beratungsstelle Herbstmühle in Zahlen nieder?

Köhler-Saretzki: Im Jahr 2023 hatten wir insgesamt 150 Neuaufnahmen im Bereich Trennung und Scheidung. Dazu kommen aber noch die Übernahmen aus dem Vorjahr, damit liegt die Gesamtzahl fast doppelt so hoch.

Steigt die Zahl von Trennungen und Patchwork-Familien?

Köhler-Saretzki: Die Scheidungszahlen sind relativ konstant. Insgesamt aber dann natürlich höher, da weniger Ehen geschlossen werden.

Ungefähr jede dritte Ehe wird geschieden. Warum sind Menschen heute schneller bereit, sich zu trennen, eine langjährige Partnerschaft aufzugeben?

Neu: Ich denke, dass das Leben auch in Partnerschaften schneller wird und dass Beispiele im Bekannten- und Freundeskreis dazu beitragen. Es gibt gute Verläufe, wo Kinder von einer Trennung der Eltern nicht geschädigt werden und Familien davon profitieren können. Solche Beispiele führen auch dazu, dass man das stärker ins Kalkül zieht.

ds Beratungsstelle Herbstmuehle in Wipperfuerth Thomas Koehler-Saretzki und Renate Neu zum Thema Trennung und Scheidung und die Kommunikation mit Kindern

Renate Neu und Thomas Koehler-Saretzki helfen bei Trennung und Scheidung.

Ist es gesellschaftlich akzeptiert, sich zu trennen? Früher hatte eine geschiedene Frau ein Makel, das ist heute wohl anders.

Neu: Ich glaube, dass sich die Werte verändert haben, dass auch Frauen sich trauen, ihr eigenes Wohl in den Vordergrund zu stellen. Und es gibt eine gewisse Modernität in dem weiblichen Empfinden von Partnerschaft. Das führt auch dazu, dass die Trennungszahlen sich verändern.

Wenn zwei Menschen sich trennen, geht dann der erste Schritt häufiger von der Frau aus?

Neu: Ich denke, das hat im Lauf der Zeit zugenommen. Mittlerweile geht die Bereitschaft, sich zu trennen, von beiden Partnern aus.

Köhler-Saretzki: Frauen trauen sich jetzt häufiger. Die gesellschaftliche Legitimierung, aber auch die juristischen und finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten haben sich geändert.

Alleinerziehende liegen finanziell und im sozialen Status statistisch immer noch unter dem Mittel. Aber Trennung und Scheidung bedeuten nicht mehr diese Existenzbedrohung wie früher.

Eine Trennung ist sicher immer schmerzhaft. Sind auch Kinder und Jugendliche betroffen, kommen neue Probleme hinzu. Das ist wahrscheinlich dann der Punkt, wo Sie oft mit hineinkommen?

Neu: Viele Paare, die eine Trennung und Scheidung vorbereiten wollen, kommen, weil sie Kinder haben und ihnen das gut vermitteln wollen. Es gibt auch Eltern, denen durch Gerichte empfohlen wird, die Beratung aufsuchen, um ihre Kommunikation zu verbessern und die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen.

Wenn Eltern sich trennen: Gibt es ein Alter, in dem Kinder und Jugendliche besonders darunter leiden, etwa in der Pubertät?

Neu: Eltern sind auch dafür verantwortlich, wie Trennung organisiert wird. Man weiß in der Wissenschaft, dass es erheblich ist, wie Eltern mit ihren Problemen im partnerschaftlichen Raum umgehen. Kinder werden nicht geschädigt, wenn die Eltern nach der Trennung kurz Konflikte austragen und den Neuanfang üben und planen.

Sich an neue Strukturen anzupassen, ist für Kinder nicht zwangsläufig schwierig. Wenn Eltern über einen langen Zeitraum auf einem hohen Konfliktniveau bleiben – das ist für Kinder der Faktor, der dazu führt, dass sie später seelisch erkranken können oder Probleme kriegen können im eigenen Leben.

Köhler-Saretzki: Es gibt tatsächlich zwei vulnerable Phasen, das ist einmal U3, also kleine Kinder, und das ist die Pubertät. Ist aber das Konfliktpotenzial der Eltern niedrig, dann ist das egal.

Neu: Es gibt Studien, die sagen, dass, wenn Eltern feinfühlig bleiben in ihrer Elternpartnerschaft und für das Kind zugänglich sind, dass Kinder davon profitieren, weil sie zwei Lebenswelten haben und dadurch ein Perspektivwechsel ermöglicht wird.

Da gibt es die Mama-Welt und die Papa-Welt und die Kinder gehen hin und her, haben unterschiedliche Lebensräume, unterschiedliche Ideen, wie erzogen werden kann. Davon können Kinder profitieren.

Viele von uns haben also noch eine Idealvorstellung von Familie im Kopf, die vielleicht gar nicht mehr aktuell ist?

Neu: Ja. Kinder machen sich einen Reim auf ihre Welt. Wichtig ist, dass Eltern nicht aus eigenen Belastungen heraus Kinder wieder ins Glück heben wollen, weil sie Schuldgefühle kriegen, sondern dass sie die Kinder begleiten in ihren Bedürfnissen, in ihren Räumen, in denen sie aktiv sind.

Das ist für Kinder das entscheidende Kriterium, wo sie wachsen und wo sie sich ernst genommen fühlen. Und das geht über sämtliche Familienformen, ob man getrennt ist oder zusammenlebt oder alleinerziehend.

Wenn ein Elternteil zum Schluss kommt, „ich möchte mich von meinem Partner trennen“, und es sind Kinder da, dann kommt es sicher vor, dass manche sagen, „ich warte noch so lange damit, bis die Kinder aus dem Haus sind“?

Neu: Wir als Beratungsstelle raten relativ wenig. Wir stimmen uns ein auf die Menschen mit ihren Fragen. Da bieten wir unsere Gehirne an und unsere Netzwerkpartner, unsere Methoden und unsere menschliche Empathie, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Menschen ihre eigenen Potenziale wieder sichten und mit ihnen arbeiten können. Wir geben Informationen und Hinweise, damit Eltern eigene Werte aufbauen und Entscheidungen treffen können.

Köhler-Saretzki: Dass Eltern sagen „wir verstehen uns eigentlich nicht mehr, aber wir bleiben wegen der Kinder noch zusammen“, kommt bei uns gefühlt in unter zehn Prozent der Fälle vor. Ich erlebe das relativ selten, vor allen Dingen, ich erlebe es immer weniger. Gefühlt war das vor 25 Jahren noch ein bisschen mehr.

Erleben Sie auch, dass der eine schon lange mit den Gedanken an Trennung spielt und der andere völlig überrascht davon ist?

Neu: Alles, was Sie sich vorstellen können, wie Eltern sich trennen können, das wird es geben. Auch wenn wir manchmal Mühe haben, Beratung zu organisieren, mit Ex-Paaren, die sehr strittig sind. Es gibt genauso viele Paare, die bei der Trennung kooperativ sind und die auch das Kindeswohl von Anfang an im Blick behalten.

Unsere Aufgabe ist, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen für mehr Sensibilität für das Kindeswohl und den Blick aufs Kind. Manchmal ist es schwierig, aber wir haben Hoffnung, sonst könnten wir hier nicht arbeiten.

Köhler-Saretzki: Ich erlebe öfters, dass ein Elternteil relativ spontan und überraschend für den anderen Elternteil geht. Das ist dann häufig mit sehr viel Konflikt verbunden. Die Eltern sind über eine lange Zeit stinksauer aufeinander. Dann wird es schwierig, Partnerschaftsverletzungen zu trennen von dem Gemeinsamen. Gute Kommunikation ist sicher wichtig.

Aber ist es nicht so, dass Frauen oft auf einer anderen Ebene kommunizieren als Männer?

Neu: Es gibt sicher große Unterschiede in der Art und Weise, wie Frauen und Männer miteinander kommunizieren. Eine generelle Aussage finde ich schwierig, weil das Klischees bedient. Es gibt sehr kommunikative Männer und sehr verschlossene Frauen.

Frauen wollen in der Regel mehr gestalten. Ihnen ist bewusst, dass Beziehung Arbeit ist. Ironisch überspitzt könnte man behaupten: Wenn Frauen sagen „Schatz mir müssen reden, gehen Männer lieber in den Keller zu ihrer Eisenbahn.“

Köhler-Saretzki: Frauen reden mehr über die Beziehung und die Männer mehr über das gemeinsame Tun. Männer sind manchmal ein bisschen pragmatischer. „Okay, der Berater hat gesagt, wir sollen jetzt jeden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr miteinander sprechen, also machen wir das so.“ Frauen würden es vielleicht hinterfragen. Wichtig ist der Einzelfall.

Kommen wir zu Ihren Angeboten: Wenn ein Paar, eine Familie, mit dem Gedanken der Trennung spielt oder schon dabei ist oder es gibt Schwierigkeiten, dann ist man bei Ihnen willkommen?

Neu: Bei uns sind alle Menschen willkommen, die ihre Beziehungen anschauen wollen, alle Eltern, alle Menschen, die mit Kindern zu tun haben, auch in der Phase von Trennung und Scheidung.

Manchmal kommt nur ein Elternteil und hat Fragen und dann reicht es, mit diesem einen Elternteil zu arbeiten und zu schauen, was braucht derjenige, um sich vielleicht aus einem Muster zu bewegen, um etwas Neues gestalten zu können.

Ich verstehe Familie als ein Mobile: Wenn sich an einem Ende Veränderungen deutlich machen, dann schwingt das Mobile auch an anderen Ecken mit. Das geht nicht anders, weil wir aufeinander bezogen sind. Eltern haben die Aufgabe, bei Trennung und Scheidung zu realisieren, dass sie bezogen bleiben über die Kinder.

Das ist oft ein sehr schwerer Prozess, wenn man mit dem Ex-Partner nichts mehr zu tun haben will, und man sich vielleicht auch neu orientiert. Dennoch zieht das Alte nach, weil die Kinder immer als Kontakt bleiben. Die Herausforderung ist es, in einer guten Elternpartnerschaft zu bleiben, um es für das Kind einfacher zu machen.