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LandpartieWerben für mehr Hausärzte in Oberberg

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Auch in Oberberg werden Hausärzte dringend gesucht. Viele Sitze sind in der Region unbesetzt.

Mit der sogenannten Landpartie will die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein für die freien Hausarztsitze auch in Oberberg werben.

„Raus aus der Klinik – rein in die Praxis!“ Unter diesem Motto veranstaltet die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) am heutigen Samstag in Gummersbach eine „Landpartie“.

Sie möchte damit junge Ärztinnen und Ärzte motivieren, sich im Oberbergischen Kreis niederzulassen. Denn der Bedarf ist riesig. Nach einer Aufstellung der KVNO waren im Oktober 2023 allein im Bereich Gummersbach, zu dem auch Bergneustadt, Reichshof, Wiehl und Marienheide zählen, 17 Hausarztstellen unbesetzt, in Waldbröl waren es neun Stellen und drei in Wipperfürth. Schon jetzt fehlen auch Fachärzte, so zum Beispiel Kinderärzte.

Bis 2030 könnten in der Region bis zu 42.000 Oberberger ohne Hausarzt sein

Die oberbergische Kreisverwaltung zählt laut Sprecher Philipp Ising 32 offene Arztsitze, der Mittelbereich im Süden mit Morsbach, Waldbröl und Nümbrecht sei besonders betroffen. Oberberg besetzt laut einem Ärztemangel-Ranking der KV Nordrhein den dritten Platz, mehr Ärzte fehlen nur in Wuppertal und Duisburg. Und der Mangel wird sich noch vergrößern. Nach einer Hochrechnung des Hausärzteverbands Oberberg kommen im Durchschnitt sieben bis neun Hausärzte pro Jahr ins Rentenalter, rechnet Vorstandsmitglied Ralph Krolewski auf Anfrage vor. Wenn nichts geschehe, könne bis 2030 die Situation eintreten, „dass 42 000 Patienten ohne hausärztliche Versorgung sind“.

Damit es nicht so weit kommt, macht die KVNO mit ihrer „Landpartie“ intensiv Werbung für eine ärztliche Tätigkeit im Oberbergischen Kreis, indem sie über Wege in die eigene Niederlassung, Fördermaßnahmen und die unterschiedlichen Praxisformen informiert. Dabei bietet sie auch die Möglichkeit des direkten Kontakts mit Ärzten und Ärztinnen aus der Region, die auf der Suche nach Nachfolgerinnen und Nachfolgern oder Angestellten sind. In einem „Get-Together“ können sich in der Gummersbacher Halle 32 die jeweiligen Interessenten in einem ersten Gespräch kennen lernen. Hausärztin beantwortet Fragen „Es melden sich regelmäßig sehr viele Abgeber“, weiß Veranstaltungsmanagerin Stephanie Otto, die viermal im Jahr solche Kontaktbörsen an verschiedenen Orten organisiert.

Hausärztin Julia Boye hat die Vielfalt einer Hausarztpraxis gereizt

Ein Arzt aus Oberberg, der dringend eine Praxisnachfolge sucht und schon mehrfach an solchen Veranstaltungen teilgenommen hat, hofft, dass er in Gummersbach mehr Erfolg hat als bisher: „Da waren an die 100 bis 150 junge Ärzte, die wollten aber alle nach Köln oder Düsseldorf, aber nicht aufs Land“, berichtet er von seinen bisherigen Erfahrungen.

Dabei habe das Oberbergische doch einiges zu bieten, findet Julia Boye. Sie ist Hausärztin in der Gummersbacher Ortschaft Derschlag und wird bei der Landpartie Fragen beantworten und davon berichten, wie es denn ist, sich in der Region selbstständig zu machen. Auch sie wollte ursprünglich in ein Krankenhaus, erzählt die Bergneustädterin. Doch dann habe sie die Vielfalt einer Hausarztpraxis gereizt. „Man lernt die Menschen sehr gut kennen, ich bin im Rahmen der KV mein eigener Chef, die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Aber auch sehr anstrengend, weil so großer Ärztemangel herrscht.“ Bei ihrem „Sprung ins kalte Wasser“ habe sie sehr viel lernen müssen über Betriebswirtschaft und Abrechnung und auch die dicken Akten neuer Patienten bewältigen müssen – aber bereut habe sie den Schritt in die Niederlassung nicht.

Auch die Kreisverwaltung wird, so Sprecher Philipp Ising, das Oberbergische als attraktiven Lebens- und Arbeitsort präsentieren, der zudem mit dem Projekt „Oberberg fairsorgt“ an einer innovativen Medizin arbeitet. Immerhin – wer sich in Waldbröl oder Gummersbach niederlassen will, kann von der Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein mit einer Förderung von 70 000 Euro rechnen, die Anstellung eines Arztes oder einer Ärztin werde mit 50 000 Euro gefördert, sagt KVNO-Sprecher Christopher Schneider. Veranstaltungsmanagerin Stephanie Otto freut sich, dass es bei der Landpartie in Wesel vor einigen Monaten immerhin „vier oder fünf Matches zwischen Praxisabgebern und Interessenten“ gegeben habe.


Wie die Landpartie nach Oberberg gekommen ist

Spätestens mit der Schließung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Gummersbach-Derschlag wurde der Region bewusst, wie angespannt die Situation bei den nicht besetzten Hausarztsitzen in der Region ist. Und die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein belegen, dass es vor allem um Hausärzte geht. Kreisweit sind 29,5 Sitze nicht belegt. Nach dem Aus des MVZ in Derschlag waren von heute auf morgen tausende Patienten ohne Hausarzt. Und die Niedergelassenen im Raum Gummersbach, Reichshof und Bergneustadt schon zu diesem Zeitpunkt an der Belastungsgrenze angekommen.

Hier und da kamen Patienten noch unter. Und der Standort des MVZ konnte in reduzierter Form durch eine Ärztin, die schon zuvor dort gearbeitet hatte, wieder in Betrieb gehen. Einer, der schon sehr früh ein entschiedenes Handeln der KV Nordrhein zur Sicherung der Versorgung der Region mit Hausärzten gefordert hatte, war der Gummersbacher Bürgermeister Frank Helmenstein, nachdem er bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt die sich anbahnende Misere und die Insolvenz des MVZ öffentlich gemacht hatte. „Ich habe es angeleiert, dass das Format Landpartie der KV Nordrhein, das am Samstag in der Halle 32 stattfindet, nach Gummersbach kommt“, sagt Helmenstein.

Öffentlichkeit ist bei dem Termin nicht vorgesehen

Kein Wunder, denn allein in Gummersbach sind in Sachen Hausärzte 16 Sitze vakant. Die KV hat daher die Kreisstadt neben Waldbröl (neun Sitze) als Fördergebiet eingestuft, in dem Ärzte, die sich niederlassen wollen, eine besondere Förderung bekommen. Helmenstein berichtet, dass er im vergangenen Herbst bei der KV in Düsseldorf gewesen sei, um dort seinem Wunsch nach einer Veranstaltung in Gummersbach noch einmal Nachdruck zu verleihen. Auch von Seiten der Kreispolitik wurde 2023 Druck gemacht, nachdem man vor allem die Kommunikation im Zusammenhang mit der Insolvenz des MVZ in Derschlag im Kreisgesundheitsausschuss für verbesserungsfähig eingestuft hatte.

Am Ende, so sagt der Gummersbacher Bürgermeister, habe man die Probleme rund um das Derschlager MVZ lösen können. Dennoch ticke die demografische Uhr weiter. Sprich: Wenn sich keine neuen Ärzte für den Beruf des niedergelassenen Hausarztes entscheiden, wird die Versorgung der Menschen hier vor Ort immer problematischer. Fachfremdes Publikum will die KV bei der Landpartie am Samstag nicht dabei haben: „Unsere Landpartie ist prinzipiell keine öffentliche Veranstaltung, da der ärztliche Teilnehmerkreis begrenzt ist und auch Inhalte sehr fachspezifisch sind. Zudem achten gerade künftige Praxisabgeber auf maximale Diskretion, um etwaige frühzeitige ,Gerüchte' zu einer möglichen Praxisaufgabe auszuschließen.“