Die Schwimmschule „Nessy“ aus Hennef ist ein echtes Erfolgsmodell. Nun können auch Kinder aus Gummersbach mit dem Modell das Schwimmen lernen.
Seepferdchen und Co.Start-up-Unternehmen eröffnet Schwimmschule in Gummersbach
Ja, das war damals ein wilde Zeit! „Da haben wir zwischen Küche und Kinderzimmer nachts bis drei Uhr Pläne ausgetüftelt und Software programmiert. Und morgens standen wir dann im Wasser und haben die ersten Schwimmkurse gegeben!“ Wer Valentin Kaymer und Bünyamin Sarikaya so reden hört, könnte leicht denken, den Erinnerungen zweier älteren Herrschaften zu lauschen. Dabei sind die beiden 24 und 25 Jahre jung, und die Anfänge ihrer Schwimmschule Nessy, die sie „mit gerade mal 100 zusammengesparten Euro“ gründeten, liegen erst vier Jahre zurück.
Gummersbach ist der zehnte Standort der Schwimmschule
Heute sind es 1152 Kinder zwischen dreieinhalb und acht Jahren, die die beiden Hennefer fit fürs „Seepferdchen“ machen. In der vergangenen Woche eröffneten sie im Gummersbacher RPP Klinikum den zehnten Standort ihrer Schwimmschule. „Das hätten wir am Anfang selbst nicht gedacht“, gibt Bünyamin Sarikaya zu. „Im Gegenteil, wir hatten Sorge, dass wir die 42 Kinder für den ersten Kurs im Kurhaus in Hennef nicht zusammenbekommen.“ Es war immerhin das Corona-Jahr 2020.
„Doch dann kamen 200 Anmeldungen in einer Woche, uns wurde praktisch die Bude eingelaufen.“ Schnell stellte sich heraus, wie groß der Bedarf ist. „Viele Eltern haben keine Zeit, ihren Kindern das Schwimmen beizubringen, andere wissen nicht, wie sie es anstellen sollen, und manche haben selbst nie schwimmen gelernt“, zählt Valentin Kaymer auf. Durch die Schließungen von Bädern in der Coronazeit und in der Energiekrise habe sich die Situation noch verschärft. Weil beide als Rettungsschwimmer während der Badesaison gern mit Kindern arbeiteten, hatten sie die Idee, selbst eine Schwimmschule zu gründen. Da waren sie Anfang 20.
Was als Einfall von zwei wasserbegeisterten Studenten begann, die, so Valentin Kaymer, „etwas bewirken wollten“, wurde schnell ein Selbstläufer. An mehreren Standorten mieten sie Beckenzeiten in bestehenden Einrichtungen an, in Reha-Zentren, Hotels, Senioreneinrichtungen. Nun auch in Gummersbach. „Das Bewegungsbad ist ideal“, schwärmt er. „Das Bad ist auch am Wochenende geheizt, wenn unsere Kurse stattfinden. Im 33 Grad warmen Wasser fühlen die Kinder sich wohl, lernen ohne blaue Lippen, der Hygienestandard ist auf Krankenhausniveau und Parkplätze sind vorhanden.“
Die beiden Studenten haben ein besonderes Konzept entwickelt, Valentin als angehender Wirtschaftspsychologe ist dabei vor allem zuständig „fürs Menschliche“, wie er sagt, Bünyamin Sarikaya als Informatiker für die IT. „Die IT ist das Herz, das Schwimmen die Hände, ohne Herz können die Hände nichts machen“, sagt er schmunzelnd. „Wir können ja nicht 40 Leute in der Verwaltung beschäftigen, wir sind selbst die Verwaltung.“ Sarikaya hat das umfangreiche Softwarepaket entwickelt, das ermöglicht, dass die Kinder je nach ihren ganz persönlichen Voraussetzungen an den Kursen teilnehmen und auch komplexe Termin- und Tauschwünsche erfüllt werden können.
Trainer dokumentieren Fortschritte der Gummersbacher Kinder per App
Die Trainerinnen und Trainer sind per App eingebunden und können die Fortschritte der Kinder ins System eingeben. Denn jedes Kind hat sein eigenes Lerntempo. „Das Kursprogramm ist wie ein Puzzle mit 1000 Teilen, das schafft kein Mensch, aber die Algorithmen“, meint Informatiker Sarikaya. Vor anderthalb Jahren drohte der Erfolg den beiden Studenten fast über den Kopf zu wachsen, schildert Kaymer: „Was machen wir? Aufhören? Oder professionell weiter?“ Sie lösten den Konflikt, indem sie Personal einstellten, neben vier IT-lern und zwei Mitarbeitenden im Kundensupport waren es vor allem 30 Trainerinnen und Trainer.
Diese wurden sorgfältig ausgewählt: „Von 100 Bewerbern nehmen wir zwei“, sagt Kaymer . Ganz wichtig ist ihnen, dass die Kinder Spaß und Freude im Wasser erleben. Dass die Trainer spüren, wann ein Kind gefordert werden muss oder wann es „den Sprung in die ausgebreiteten Arme“ braucht. Und sie entwickelten ein eigenes Fortbildungsprogramm mit Hospitation, Online- und Präsenzseminaren, das inzwischen schon von anderen Schwimmschulen angefragt wird.
Im Gummersbacher Bewegungsbad arbeiten pro Kurs zwei Trainerinnen, jede kümmert sich um fünf Kinder bis zum Frühschwimmerabzeichen „Seepferdchen“. Noch gibt es freie Plätze. Wichtig ist beiden, dass auch Kinder, die von sozialen Einrichtungen betreut werden, an den Kursen teilnehmen können „Es macht unglaublichen Spaß, die Entwicklung der Kinder zu begleiten “, sagt Sarikaya und bedauert, dass er und sein Kollege kaum noch Zeit haben, selbst am Beckenrand dabei zu sein.
Gerade sind beide dabei, ihre Bachelor-Arbeiten abzuschließen, natürlich geht es darin um Nessy. Und danach? „Dann geht es Vollgas weiter“, freut sich Valentin. „Wir suchen weitere Standorte.“ „Die Schwimmschule ist unsere Leidenschaft, unser Herzensprojekt“, ergänzt Bünyamin. Aber wenn sie selbst bei ihrer 60-Stunden-Woche doch mal freie Zeit abzwacken können, steigen sie nicht etwa ins warme Wasser des Bewegungsbads, sondern am liebsten in Fässer voller Eisklötze im winterlichen Garten.