Neue Heimat Oberberg (5)„Er ist ein Aushängeschild“ – Sportschütze Ahmed Ramtallah
- Die Vereinsmitglieder waren erst skeptisch: „Da kommt einer aus dem Kriegsgebiet und will hier schießen . . .“
- Nach und nach erfuhren die Hunstiger aber, warum der Iraker so gut ist und was dahinter steckt
- Neues aus unserer Serie "Neue Heimat Oberberg"
Hunstig – Wie Integration gelingen kann, soll unsere Serie „Neue Heimat Oberberg“ zeigen. Wir erzählen von Menschen, die in der oberbergischen Gesellschaft angekommen sind. Heute: Ahmed Ramtallah, erfolgreicher Sportschütze aus dem Irak, flüchtete und fand in Hunstig eine neue sportliche Heimat.
Männer mit grünen Mützen und ordenbehängter Uniformbrust, die auf einen hölzernen Adler zielen, Umzüge mit prachtvoll bestickten Fahnen, Frauen im eleganten Abendkleid, eine silberne Krone im Haar – da hat sich Ahmed Ramtallah sehr gewundert, als er im Internet nach einem Verein suchte, um seinen Sport in der neuen Heimat wieder aufzunehmen.
Im Irak gehörte Ramtallah vor seiner Flucht zum Nationalkader, schoss Luftpistole über zehn Meter und Freie Pistole über 50 Meter. „Sehen so etwa die Sportschützen hier aus?“ fragte sich der 24-Jährige, der in seiner früheren Heimat bereits an internationalen Wettkämpfen in China, dem Iran, Kuwait, Katar und Ägypten teilgenommen hatte. Bis er Fotos vom Kleinkaliberverein (KKV) Hunstig entdeckte.
Zum Nichtstun verdammt – aber nicht lange
Da hatte er schon einige Monate lang einen Deutschkurs besucht, aber noch haperte es mit der Sprache. Weil der junge Mann es nicht aushielt, zum Nichtstun verdammt zu sein, machte er sich auf, eine Arbeitsstelle zu suchen. Zu Fuß, erst in Waldbröl, dann in Gummersbach, klapperte er Firmen ab, drückte dem erstbesten Mitarbeiter seinen Lebenslauf in die Hand mit den Worten: „Hallo, ich suche Arbeit!“ Nach drei Tagen hatte er tatsächlich schon eine Stelle als Hilfsarbeiter in Windhagen gefunden. Vom ersten Lohn konnte er den Führerschein machen und bald ein kleines Auto kaufen. Damit fuhr er im Sommer 2018 zum Schießstand nach Hunstig – zu einem „Schnuppertraining“.
Die Vereinsmitglieder waren erst skeptisch, erinnert sich Mannschaftsführer Julian Niebel: „Da kommt einer aus dem Kriegsgebiet und will hier schießen . . .“. Ramtallah schmunzelt: „Normalerweise stehen bis zu zehn Schützen nebeneinander an den Bahnen, aber an dem Tag haben sich alle aus Sicherheitsgründen eng um mich herum geschart.“
„Der wackelt ja gar nicht!“, staunten die anderen, und Niebel, der den vermeintlichen Anfänger einweisen wollte, stellte fest, dass der schon alles konnte. „Obwohl ich vier Jahre nicht geschossen hatte“, schränkt Ahmed ein. Auf einem Foto im Internet entdeckten die anderen ihn dann als Teilnehmer der Asienmeisterschaften.
Nach und nach erfuhren die Hunstiger auch, warum Ramtallah 2015 seine vielversprechende Karriere aufgegeben hat: „Die Armee wollte mich zwingen, Soldaten an der Waffe auszubilden, um auf Menschen zu schießen“, erzählt er. Das verweigerte der Sportschütze. Vor den drohenden Folgen floh er nach Deutschland.
Jetzt ist er dankbar für die Unterstützung, die er nicht nur in sportlichen Angelegenheiten im Verein findet. Und dort freut man sich über den Zuwachs für die erste Mannschaft: „Es ist nicht leicht, Spitzenleute zu finden. Ahmed ist ein Aushängeschild für uns“, lobt der Vorsitzende Frank Fröhlich.
Im November siegte der KKV souverän in der Landesoberliga, in diesem Jahr schaffte die Mannschaft in den Relegationswettkämpfen den Aufstieg in die Rheinlandliga. Ramtallah peilt die Meisterschaft des deutschen Schützenbundes an. Sein Verein setzte sich energisch dafür ein, dass er als Ausländer daran teilnehmen darf.
Jenseits des Sports möchte Ramtallah eine Ausbildung in einem Metallberuf machen. Sein Arbeitgeber hat ihm in einem Zwischenzeugnis bescheinigt, dass er „schwierige Zusammenhänge überblickt“ und dass er „ausdauernd, belastbar, zuverlässig und pflichtbewusst“ ist. Und was passiert, wenn eine Bundesligamannschaft den erfolgreichen Schützen abwerben will? „Dann binden wir ihn fest“, scherzt Manfred Timper, der sich wie ein väterlicher Freund um den jungen Mann kümmert.