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Interview

Halle 32
Martin Kuchejda bleibt Gummersbach erhalten

Lesezeit 5 Minuten
Der Porträtierte lehnt auf einer Bühnenkiste.

Bald kein Hallenmanager mehr: Martin Kuchejda will aber weiterhin als Regisseur arbeiten.

Zum Abschied von der Halle 32 inszeniert Martin Kuchejda ein eigenes Werk: „Der Elefantenmensch“. Im Interview verrät er, warum es ein ganz besonderes Stück ist.

Martin Kuchejda (67) geht nach 35 Jahren in den Diensten der Stadt Gummersbach in den Ruhestand. Bis 2013 leitete er das Bruno-Goller-Haus, nach dem Umzug des Kulturzentrums in die Halle 32 auf dem Steinmüllergelände wurde er auch dort Chef. Reiner Thies sprach mit ihm über ein Berufsleben zwischen Kunst und Management.

Am 26. Oktober haben Sie Premiere als Regisseur des von Ihnen geschriebenen Stücks „Der Elefantenmensch“ – 35 Jahre nach der Uraufführung in der Bonner Brotfabrik, wo Sie vor dem Wechsel nach Gummersbach beschäftigt waren. Schließt sich jetzt ein Kreis?

Martin Kuchejda: Ja, das ist wohl so, obwohl die neue Inszenierung auf einem Zufall beruht. Im vergangenen Jahr bekam ich einen Anruf von dem Bergisch Gladbacher Puppenspieler Gerd-Josef Pohl, weil er von mir etwas über seinen Onkel, den verstorbenen kleinwüchsigen Schauspieler Max Osterritter, erfahren wollte. Max spielte damals in meiner Bonner Inszenierung die Hauptrolle. Im Gespräch entwickelten wir die Idee einer neuen Aufführung, in der Pohl mit einer Puppe in der Hand den Elefantenmenschen spielt. Wir zeigen das Stück auf der Studiobühne. Wenn es gut läuft, werden wir es dort noch viele Male aufführen.

Wie war das damals in Bonn, wie wird es diesmal sein?

Den Text habe ich überarbeitet und fachlich korrigiert. Ansonsten hat sich im Theater allein technisch so viel verändert. Für mich selbst kann ich sagen, dass ich seitdem viel über den Umgang mit Schauspielern gelernt habe. Wie ich sie für eine Idee begeistern kann. Ich weiß heute, dass Theater eine maximale Arbeitsteilung mit lauter unverzichtbaren Mitwirkenden ist, angefangen beim Kartenabreißer. Ich habe besonders in den Inszenierungen im Goller-Haus, wo ich das Licht noch selbst gemacht habe, viel gelernt. Das war eine fantastische Zeit, in der dort Menschen aus der ganzen Region Musik, Kunst und eben Theater aufgeführt haben.

Wie kam damals Ihr Wechsel nach Gummersbach zustande?

Ich war 1989 auf eine Stellenanzeige in der Zeitung aufmerksam gemacht geworden, die gut auf mich passte. Der Gummersbacher Theaterintendant Gus Anton hatte damals schon das erste Programm für das Bruno-Goller-Haus konzipiert. Die freie Szene und die Stadt hatten bis dahin ein schwieriges Verhältnis. Das Goller-Haus wurde dann zur Keimzelle einer alternativen Kleinkunst und Kultur. Das Haus war aber nie ein Gegenspieler zum Theater, wie oft behauptet wurde. Im Gegenteil sind im Theater viele Produktionen aufgeführt worden, die wir im Goller-Haus entwickelt haben, so auch von 1994 an viele Musicals. Die Zusammenarbeit mit Gus Anton war von wechselseitiger Wertschätzung geprägt, heute blicke ich mit Hochachtung auf seine Lebensleistung.

Ist das Berufsleben als kommunaler Veranstaltungsmanager ein Zugeständnis des kreativen Kopfes Kuchejda an die Brotlosigkeit der Kunst gewesen?

Meine Aufgabe hier war für mich ideal. Natürlich enthebt dich solch ein fester Job der wirtschaftlichen Not. Der normale deutsche Schauspieler ist meistens arbeitslos und muss sich mit Werbung und als Weihnachtsmann über Wasser halten. Ich habe hier immer machen können, was ich wollte. Die Stadt hat mir alle Freiheiten gegeben. Und ich bekam viel Unterstützung. Bevor mir die Leitung der Halle 32 übertragen wurde, hat mir die Stadt 2011 sogar ein betriebswirtschaftliches Fernstudium ermöglicht. An den Präsenztagen in Hagen habe ich den Altersdurchschnitt ordentlich angehoben (lacht).

Welche Hoffnungen haben sich mit der Eröffnung der Halle 32 verbunden? Haben sie sich erfüllt?

Die Halle 32 war ein Experiment, das mit großer Verantwortung verbunden war. Heute ist sie eine feste Größe, alle maßgeblichen oberbergischen Firmen machen regelmäßig Veranstaltungen bei uns. Wir tragen dazu bei, dass es heute auf dem Gelände mehr Arbeitsplätze gibt als am Ende der Steinmüller-Zeit. Wenn hier im kommenden Jahr das Schützenfest stattfindet, wovon ich ausgehe, dann sind wir im Herzen von Gummersbach angekommen.

Ihr größter Erfolg?

Ich könnte Höhepunkte nennen, wie das Konzert der Bayer-Philharmoniker, das Titanic-Musical oder dass ich einen Abend mit dem großen Jazzgitarristen Al Di Meola verbringen durfte. Aber eigentlich hat jede Veranstaltung ihre Bedeutung, und es kommt auf die Summe an. Darauf, dass sich das Haus etabliert hat.

Ihr größter Misserfolg?

Wir haben es nicht geschafft, das Publikum des alten Theaters aufzusammeln. Sicher sind wir kein Theater, aber wir zeigen Theater. Es ist wichtig, dass diese Tradition in Gummersbach nicht abreißt. Und das Kinderprogramm wird auch gut angenommen. Dass wir mehr Zuschauer bei den Gastspielen für das erwachsene Publikum bekommen, ist eine Baustelle für meinen Nachfolger.

Werden Sie dem neuen Leiter Bastian Ganser mit Rat und Tat zur Seite stehen?

So ist es vorgesehen. Er ist jetzt im Oktober bei uns angetreten. Wir werden noch drei Monate zusammenarbeiten, bis ich Ende des Jahres als Leiter der Halle 32 ausscheide. Und danach amtiere ich noch bis 2026 als Mitglied der Trägergesellschaft und behalte das übergeordnete Ziel im Auge.

Und dann?

Ich werde weiterhin schreiben und Regie führen. Jedenfalls habe ich nicht vor, nur noch im Park zu stehen und Boule zu spielen.


Neue Inszenierung

Das Theaterstück „Der Elefantenmensch“, von Martin Kuchejda vor 35 Jahren uraufgeführt, kombiniert in der neuen Inszenierung Schau- und Puppenspiel. Erzählt wird die wahre Geschichte des Engländers Joseph Merrick, der im Jahr 1860 geboren wurde und von einem krankhaften Wachstum von Haut, Knochen und Fleisch missgestaltet wurde, heute bekannt als Proteus-Syndrom. Über Jahre war Joseph Merrick ein Schauobjekt in London. Dass er ein gebildeter Feingeist war, wurde erst spät entdeckt. Gerd-Josef Pohl spricht die Figur des Joseph Merrick und spielt sie mit einer dafür von Ulrike Oeter eigens angefertigten Puppe. Dirk Loh und Kathleen Wojahn übernehmen weitere Rollen.

Premiere hat „Der Elefantenmensch“ am Samstag, 26. Oktober, weitere Aufführungen gibt es am Sonntag, 27. Oktober, und Donnerstag, 28. November, jeweils 20 Uhr. Karten gibt es unter www.halle32.de.