Kirchen-NachwuchsDarum will ein 30-jähriger Engelskirchener Pfarrer werden
- Jurij Lange hat eine Ausbildung zum Pfarrer absolviert. Warum macht man das heutzutage?
- Wir haben den 30-jährigen Engelskirchener getroffen und uns mit ihm über seinen Berufsweg unterhalten.
Gummersbach – Wenn Jurij Lange bei Partyplaudereien seinen Berufsweg verrät, erntet er oft ungläubige Blicke. Viele hätten noch nie darüber nachgedacht, dass auch Pfarrer eine Ausbildung durchlaufen, hat der 30-Jährige beobachtet und lacht: „Auch Pfarrer fallen nicht vom Himmel!“
Wären Pfarrer gottgegeben – der Kirchenkreis An der Agger könnte sorgloser in die Zukunft blicken. Tatsächlich aber gehen in den kommenden Jahren viele Geistliche in den Ruhestand, die Ausbildung dauert lang und der theologische Nachwuchs ist rar. Jurij Lange ist einer von zwei Vikaren im Kirchenkreis, die einen Beruf erlernen, der vor allem Berufung ist. In Zeiten des pastoralen Fachkräftemangels ist er einer der wenigen Hoffnungsträger der Evangelischen Kirche.
Lange stammt aus Engelskirchen. Den russischen Vornamen verdankt er der Leidenschaft seiner Mutter für „Doktor Schiwago“. Der Weg zum Kleriker war ihm nicht vorgezeichnet. Seine Eltern seien zwar evangelisch, aber keine regelmäßigen Kirchgänger. Erst als junger Erwachsener ließ Lange sich taufen. Selbst fand er erst in der Oberstufe des Aggertal-Gymnasiums zum Glauben. „Ich hatte sehr guten Religionsunterricht. Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Glauben führte mich zu Gott.“ Ohne jemals Konfirmandenunterricht besucht zu haben, schrieb er sich nach seinem Abitur 2008 an der theologischen Fakultät in Bonn ein. „Ich wollte einen Beruf, mit dem ich den Rest meines Lebens glücklich bin.“
Wer Pfarrer in der Landeskirche werden will, muss studieren. Erst nach rund zehn Semestern und dem ersten Examen geht es in die zweieinhalbjährige praktische Ausbildung.
Altes Testament und Kirchengeschichte im Stundenplan
In Bonn lernte Lange alles, was mit dem protestantischen Glauben zusammenhängt: Auf dem Vorlesungsplan standen etwa die Fächer Altes Testament, Neues Testament, Kirchengeschichte und Systematische Theologie – und drei Sprachen. Hebräisch, Griechisch und Latein muss ein Pfarrer lesen können. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Glauben habe einige Kommilitonen an ihrem eigenen Glauben zweifeln lassen, sie verließen die Uni, berichtet Jurij Lange. Selbst sei er nie in eine Sinnkrise geraten, „vielleicht auch, weil ich schon während des Studiums im Gemeindeleben engagiert war“. Vorlesungsfreie Tage und die Ferien nutzte der Student, um in der Gemeinde Oberbantenberg-Bielstein Haus- und Krankenbesuche zu machen, mit der Erlaubnis des Superintendenten durfte er da sogar schon Gottesdienste leiten. Während der Uni lernte Lange auch die Gummersbacher Gemeinde mit dem Pfarrbezirk I kennen: Das Gemeindeleben in und rund um Bernberg gefiel ihm so gut, dass er sich fürs Vikariat dorthin versetzen ließ.
Über die Ausbildung ihrer künftigen Pfarrer wacht das Landeskirchenamt in Düsseldorf. Das weiß, wer Theologie studiert, und es weist die Studenten nach ihrem ersten Examen Gemeinden zu. Lange hatte Glück, dass seinem Wunschort Bernberg entsprochen wurde.
Gemeindepfarrer Uwe Selbach ist seitdem Langes Mentor, quasi sein Ausbilder. Mit ihm reflektiert der Vikar Gottesdienste, Konfirmandenunterricht, Taufen, Trauungen und Bestattungen. Letztere haben für Lange einen sehr hohen Stellenwert, „schließlich muss sich der christliche Glaube in der Trauer auf besondere Weise bewähren“. Als er die Predigt für seine erste Trauerfeier vorbereitete, habe eine große Last auf seinen Schultern gelegen: „Es war ein unheimlich intimer Moment, das Leben einer alten Dame in Worte zu fassen. Ich war mir bewusst, dass ich das letzte Kapitel im irdischen Leben dieses Menschen beschließen werde.“ Nach der Trauerfeier wurde Lange für seine sensiblen Worte gelobt.
Mentor Selbach weiß, dass Uni und Vikariat nicht vollends auf das Pfarramt vorbereiten können: „Das Wesentliche kann man nicht lernen – aber Jurij bringt es mit: Er hat eine innere Überzeugung, strahlt den Glauben aus.“ Lange sei zum Verkündigungsdienst berufen.
Ohne Empathie kann Lange seinen Aufgaben nicht gerecht werden, oft kommen Menschen in emotionalen Ausnahmesituationen zu ihm. Der junge Mann berichtet von Begegnungen, die ihm nahegehen. Als Ausgleich empfindet es Lange, sich dann wieder wissenschaftlich mit der Theologie zu beschäftigen. Er befasst sich vor allem mit der Frage, wie Gottesdienste gestaltet werden, Liturgie, Sprache und Predigt wirken. Irgendwann möchte er noch promovieren, neben seiner Gemeindetätigkeit. „Ich will Theologe und Kleriker zugleich sein.“
Gerade erst hat Lange sein zweites kirchliches Examen bestanden – nach einer Reihe von schriftlichen und mündlichen Prüfungen. Am 12. Mai wird er in Gummersbach ordiniert, im Sommer beginnt er dann seinen zweijährigen Probedienst in der Gemeinde Windeck-Rosbach. Danach kann er sich auf eine Pfarrstelle bewerben. Viele Gemeinden werden auf ihn warten, einige auch im Oberbergischen.
Zahlen und Fakten
53 Vikarinnen und Vikare hat die Evangelische Kirche im Rheinland derzeit. In den letzten Jahren lag die Zahl immer um die 50, mittelfristig geht die Leitung von 55 bis 60 Personen im Vorbereitungsdienst aus.
35 Gemeindepfarrer und 12 kreiskirchliche Pfarrer (die etwa in Krankenhäusern und Schulen eingesetzt sind) gibt es im evangelischen Kirchenkreis An der Agger.
7 Gemeindepfarrer werden bis zum Jahr 2025 wegfallen. Drei oder vier neue Pfarrer braucht der Kirchenkreis. Die genaue Zahl lasse sich nicht sagen, weil Pfarrstellen zusammengelegt werden.
3 Pfarrer sind derzeit noch im Probedienst. Ihre Chancen, eine dauerhafte Pfarrstelle zu bekommen, stehen laut Kirchenkreis An der Agger gut. So wird der Pfarrer in Probedienst Stefan Fritsch am 12. Mai als neuer Pfarrer in der Gemeinde Denklingen eingeführt; er ist Nachfolger von Pfarrer Manfred Mielke.