Hindu-Tempel im GummersbachWie die hinduistische Gemeinde nach Nöckelseßmar kam

Selvanathan Pushpamany ( 2.v.r.) und andere Vereinsmitglieder freuen sich über Gäste bei ihren Feierlichkeiten.
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Nöckelsessmar – Seit 1993 und damit seit bald 25 Jahren gibt es in Gummersbach den Tempelverein der hinduistischen Gemeinde. Inzwischen gehören die Hindus so sehr dazu, dass vor allem ihr Tempelfest im Sommer fester Bestandteil im Kalender der Kreisstadt ist.
Auf den ersten Blick ist nicht gleich zu erkennen, was sich dort in der alten Industriehalle im Gummersbacher Stadtteil Nöckelseßmar befindet. Dass es sich bei dem von außen unscheinbaren Gebäude um einen Hindu-Tempel handelt, bemerkt der neutrale Beobachter frühestens bei genauerem Hinsehen. Nur das seitlich gelegene Eingangsportal mit seinen auffälligen Farben und Ornamenten lässt erahnen, dass sich hinter den Mauern eine Gebetsstätte befindet.
Sobald man jedoch eintritt, die Schuhe ausgezogen und den großen Hauptraum betreten hat, folgt auf das triste Weiß der sterilen Außenfassade ein farbig-buntes Farbenmeer, das der neutrale Betrachter dann schon eher mit der hinduistischen Kultur in Verbindung bringt.
Im Inneren des Tempels ertönt der durchdringende Klang einer Glocke, der das anstehende Gebet ankündigt. Angeführt von einem Priester ziehen die anwesenden Gläubigen im Uhrzeigersinn vom Hauptaltar aus von Schrein zu Schrein. Zweimal täglich wird im Gummersbacher Sri-Kurinchikumaran-Tempel zu festen Uhrzeiten gebetet, und zwar mittags um zwölf Uhr und ein weiteres Mal um 18 Uhr.

Tänzer mit Kavadi-Gestellen auf den Schultern führen die Prozession an
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Die Gläubigen tragen im Tempel traditionelle Gewänder. Bei Frauen ist es ein farbenprächtiges Kleid, „Sari“ genannt. Hinzu kommen zahlreiche Schmuckstücke wie reich verzierte Armreife, Ohrringe und Ketten. Die Männer hüllen sich in ein bis zu zweieinhalb Meter langes Tuch, das sie um die Hüfte wickeln. Während der Oberkörper des Priesters unbedeckt bleibt, erscheinen die männlichen Hindus zum Gebet auch mit Oberteil bekleidet.
Der Zweitgrösste Hindu-Tempel Deutschlands
15 Prozent der Weltbevölkerung oder rund eine Milliarde Menschen gehören dem Hinduismus an, der damit bei den Weltreligionen hinter dem Christentum (31 Prozent) und dem Islam (23) auf Platz drei folgt, was die Verbreitung angeht. Die Mehrheit der Hindus lebt in Indien, wo sie zugleich die Mehrheit der dortigen Bevölkerung bilden. In Deutschland wohnen rund 100 000 Hindus. Die Mehrheit davon stammt indes nicht aus Indien, sondern ist tamilischer Herkunft.
In Hamm steht mit dem Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel das kulturelle und religiöse Zentrum der in Deutschland lebenden Hindus. Er ist in seiner jetzigen Form 2002 entstanden, der Innenraum ist 700 Quadratmeter groß. In ihm stehen sieben, mit mythologischen Figuren und Ornamenten reich verzierte Schreine.
Laut Aussage des Hammer Tempel-Vereins ist er der größte erbaute tamilische Tempel Europas. Der Tempel in Gummersbach ist der flächenmäßig zweitgrößte in Deutschland. Über die Grenzen von NRW hinaus bekannt ist die traditionelle Tamilenwallfahrt nach Kevelaer, die in diesem Jahr zum 30. Mal stattgefunden hat.
Zu Tausenden pilgern Tamilen aus ganz Europa Jahr für Jahr im August in die Marienstadt am Niederrhein – Katholiken und Hindus gleichermaßen. So spielt die Mutterfigur der Maria auch im Hinduismus eine große Rolle. Von rund 60 000 in Deutschland lebenden Tamilen sind zehn Prozent katholischen Glaubens. (ar)
Eine der Anwesenden ist Selvanathan Pushpamany. Sie war schon 1993 dabei, als der örtliche Tempelverein in Gummersbach von der breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt gegründet wurde. In der Region ansässige Tamilen hätten damals die Idee gehabt, im Oberbergischen einen eigenen Tempel zu errichten, erinnert sie sich. Zahlreiche Tamilen hatten insbesondere in den 1980er Jahren ihre Heimat Sri Lanka in Folge des dortigen Bürgerkrieges verlassen. Die tamilische Minderheit, die größtenteils im Norden des Inselstaates beheimatet ist, wollte sich ihre Unabhängigkeit von den Singhalesen im Süden erkämpfen. Erfolglos. Erst 2009 wurden die Kämpfe eingestellt, der Frieden jedoch ist seither immer noch äußerst fragil.
Die Tamilen jedenfalls, die es auf ihrer Flucht seinerzeit ins Oberbergische verschlagen hatte, wollten sich mit einem Tempel ein Stück Heimat in ihre neue Welt holen. „Nachdem wir einen Vorstand gewählt hatten, musste ein Raum gefunden, vor allem aber viel Geld für unser Vorhaben gesammelt werden“, erinnert sich Selvanathan Pushpamany. Die leerstehenden Räume einer ehemaligen Lederfabrik am Rande der Innenstadt wurden zum Domizil auserkoren. Bis dort allerdings zum ersten Mal gebetet werden konnte, floss viel Schweiß.

Beim Umzug der hinduistischen Gemeinde geht’s traditionell zu
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Nach der feierlichen Einweihung 1993, damals noch in anderen als den heutigen Räumen, kamen fortan 50 Familien und Einzelpersonen regelmäßig in den Tempel. Im Jahr 2008 ist die Gemeinde innerhalb der Stadt vom Singerbrink in das heutige Gebäude an der Industriestraße umgezogen und dort sesshaft geworden. Für das ehemalige Fabrikgebäude wurden 150 000 Euro gezahlt. Geld, für das der Verein erneut Spenden sammeln musste.
Die Zahl der Mitglieder des Tempel-Vereins ist seither auf mehr als 80 Familien angewachsen. Diese kommen dabei nicht nur aus dem Oberbergischen Kreis. Das Einzugsgebiet des Gummersbacher Tempels reicht bis nach Frankfurt.
Inzwischen wird die Gemeinde auch von der Gummersbacher Öffentlichkeit wahrgenommen. Das liegt unter anderem daran, dass sich der Verein einmal im Jahr während des mehrtägigen Tempelfestes auf die Straße begibt und in farbenfrohen Kleidern eine Prozession durch die Innenstadt unternimmt. Frauen mit dampfenden Weihrauchgefäßen auf dem Kopf begleiten den Umzug, opulente Festwagen mit Götterstatuen rollen über den Asphalt.
Vorneweg laufen Tänzer mit sogenannten Kavadi-Gestellen auf den Schultern. Ein Kavadi ist eine Art halbrunder Baldachin, der auf den Schultern getragen wird – und bis zu 30 Kilogramm wiegt. An den Rahmen solcher Gestelle sind lange Ketten mit Haken befestigt, die wiederum in den Rücken des Träger gesteckt werden. Kavadi heißt übersetzt: „Opfern mit jedem Schritt“.
Die Kavadis sind dann beispielsweise mit Pfauenfedern geschmückt, dem Attribut der von den tamilischen Hindus verehrten Gottheit Murugan, dem auch der Gummersbacher Tempel geweiht ist. Im Festzug folgen Musiker und auf großen Tragen montierte Götterfiguren. Dieses Tempelfest bildet zugleich den Höhepunkt des Gemeindejahres, wie Selvanathan Pushpamany erläutert. Bis heute ist die Festfolge auch in Gummersbach zu einer liebgewonnenen Tradition geworden. In diesem Sommer waren es mehr als 1000 Teilnehmer, die zum Fest der Freude anreisten.
Dementsprechend möchte die Gemeinde weiter wachsen. Am jetzigen Standort soll der Tempel weiter ausgebaut werden. „Die Baugenehmigung liegt bereits vor, die Arbeiten sollen noch in diesem Jahr starten“, sagt Selvanathan Pushpamany. An die 250 000 Euro will sich die Gemeinde den Ausbau ihres Tempels demnach kosten lassen. Dazu gehört beispielsweise die Herrichtung eines Arkadengangs im Inneren des Gebäudes. „Für den Umbau benötigen wir allerdings einen Spezialisten aus Indien.“
Geplant ist auch der Anbau mehrerer Türme. Der höchste von ihnen wird 15 Meter, die zwei kleineren, darunter auch ein Glockenturm, werden rund zehn Meter hoch sein – damit der Tempel fortan auch schon auf den ersten Blick als solcher zu erkennen ist.