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Langer Weg zur VerkehrswendeGummersbachs Klimaschutzmanager erklärt den Stand der Dinge

Lesezeit 5 Minuten
Klimaschutzmanager Felix Borscz und Dezernetn Jürgen Hefner stehen mit Fahrrädern nebeneinander.

In der Kreisstadt ist Felix Borscz (l.) zuständig für den Klimaschutz – hier mit Dezernent Jürgen Hefner bei der Öffnung der Markstraße, die von Radlern gegen die Einbahnregelung befahren werden kann.

Seit dreieinhalb Jahren arbeitet Felix Borscz als Klimaschutzmanager bei der Stadt Gummersbach und hat seitdem einiges auf den Weg gebracht.

Felix Borscz ist seit dreieinhalb Jahren in Gummersbach für den Klimaschutz zuständig. In dieser Zeit ist bereits einiges auf den Weg gebracht worden, doch es gibt noch viel zu tun, wie auch Borscz sagt, der auf unsere Fragen Antworten gibt.

Welche Rolle spielt Klimaschutz im Rathaus?

Die Bedeutung habe in den letzten Jahren stetig zugenommen. Vor allem sei das Thema mehr und mehr in den Fokus der einzelnen Fachbereiche gerückt. Die Einbindung des Klimaschutzes sei inzwischen immer selbstverständlicher geworden. Und das auch, wenn er selbst nicht mit draufschaue, sagt der Experte.„Mittlerweile ist es für die Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich, an das Thema zu denken.“

In welchen Bereichen wird Klimaschutz praktiziert?

Im Grunde überall, wie Borscz deutlich macht. Doch es gebe auch Bereiche, in denen der Klimaschutz eine besondere Bedeutung habe und dort im Grunde „omnipräsent“ sei, wie er es nennt. Gemeint sind die Disziplinen Stadtplanung, Straßen und Verkehr. Egal ob es um einen Bebauungsplan oder eine Straßenplanung gehe: Ohne die Beachtung der Klimaschutzbelange geht dort nichts mehr im Gummersbacher Rathaus. „Das Thema gehört einfach dazu.“ Und niemand wolle sich die Blöße geben, es außer Acht zu lassen.

Welche Bereiche sind noch tangiert?

Im Grunde der gesamte Hochbau, denn ihre Liegenschaften will die Stadt für die Installation von Photovoltaik nutzen. Und das nicht nur aus bloßem Selbstzweck, sondern auch dafür, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass dieser Weg richtig ist. Bei einer Untersuchung der eigenen Dächer ist allerdings auch deutlich geworden, dass längst nicht jede Fläche für eine PV-Anlage geeignet ist, weil es die Statik nicht hergibt.

Was sind die großen Themen beim Klimaschutz?

Die Verkehrswende nennt Borscz zuerst, denn das sei das schwierigste und komplexeste Thema im ländlichen Raum, wie er betont. Dabei gehe es zum einen darum, die Fahrradinfrastruktur zu verbessern. Angefangen bei den Wegen bis hin zu Ladeinfrastruktur für elektrifizierte Räder. Hinzu kommt das Angebot, Räder sicher einschließen zu können, was bei den Preisen für ein Pedelec nachvollziehbar ist, wie auch Borscz sagt. Gleichzeitig erlebe man durch den Boom der Pedelecs und E-Bikes, dass in unserer Region auch Strecken zurückgelegt würden, die man sich auf einem konventionellen Rad nicht zugemutet habe.

Wie kann die Stadt unterstützen?

Sie muss dem Bedarf gerecht werden, sagt der Klimaschutzmanager. Angefangen bei der Ausweisung weiterer Fahrradschutzstreifen, über das Öffnen von Einbahnstraßen zum Befahren in die Gegenrichtung, bis hin zum Radverkehrssicherheitskonzept, das inzwischen erarbeitet worden ist. Viele der investiven Maßnahmen, die die Stadt durchführe, resultierten aus dem Konzept. Auch wolle die Stadt zusätzliche Wege fernab der viel befahrenen Straßen Radlern zugängig machen, auch das ist ein Ergebnis des vorliegenden Konzeptes. Um zu sehen, was Sinn macht, steigt Borscz mit seinem Team auch schon mal selbst in den Sattel. „Denn das geht nicht vom Schreibtisch aus.“

Was ist beim Thema Auto passiert?

Die Stadt hat ein Car-Sharing-Projekt an den Start gebracht, doch es muss subventioniert werden, wie der Manager einräumt. „Sonst klappt es noch nicht.“ Zusammen mit der Aggerenergie sei aber schon einiges an Ladeinfrastruktur in Gummersbach gemacht worden. „Da sind wir auf einem guten Weg.“ Mit gutem Beispiel vorangehen will die Stadt auch dadurch, dass sie Teile ihres Fuhrparks mit vollelektrischen Fahrzeugen ausstatte.

Wie geht Gummersbach die Energiewende ran?

Ein großes Projekt ist das „Energieeinsparcontracting“. Die energetische Sanierung, die an einen privaten Investor vergeben wurde, reicht vom Wechsel auf LED-Beleuchtung über die Installation von Photovoltaik, neuer Gebäudeleittechnik bis hin zu neuen Heizungen. Der Partner der Stadt wird binnen anderthalb Jahren alle Maßnahmen realisieren. Die nötigen Investitionskosten werden über die Vertragslaufzeit von zehn Jahren durch die Energieeinsparung refinanziert. Nach Ablauf der zehn Jahre partizipiert die Stadt Gummersbach voll umfänglich an den Einsparungen und der Technik, die dann in den meisten Fällen im Vergleich zur aktuellen Technik auch nach zehn Jahren noch ein klarer Gewinn für die Kommune in diesem Bereich sein dürfte.

Was leistet die Stadt für den Bürger?

Die Kommune ist Ansprechpartner und sieht sich als Berater. Im Rathaus gibt es eine Energieberatung der Verbraucherzentrale. Zudem steht Felix Borscz auch selbst als Ansprechpartner den Bürgern zur Verfügung. Sei es bei der Sanierung von Eigenheimen oder der Installation von PV-Anlagen. In diesem Kontext hat die Kreisstadt bereits eine Klimakampagne initiiert.

Wie reagiert Borscz auf Ablehnung seiner Arbeit?

„Die wird es immer geben“, sagt der Klimaschutzmanager. Doch man dürfe sich dadurch in seiner täglichen Arbeit nicht aus dem Konzept bringen lassen, denn grundsätzlich bekomme er ein überwiegend positives Feedback. Die Bürger seien dankbar, dass es ein Angebot im Rathaus gebe. Und viele würden ein Invest in die eigenen vier Wände auch als Verbesserung der Wohnqualität und als Wertsteigerung sehen.

Wo will Gummersbach in fünf Jahren stehen?

Borscz sieht das als „schwere Frage“. Fest eingeplant ist, dass die Kreisstadt ein Wärmekonzept aktuell auf den Weg bringt. Das sollte in fünf Jahren vorliegen, sagt er. Und das nicht nur, weil ein solcher Plan bis Mitte 2028 per Gesetz vorliegen muss. Denn Gummersbach brauche auch Planungssicherheit. „Die Bürger wollen wissen, wo es eine zentrale Wärmeversorgung geben wird und wo nicht.“ Allerdings: Nahwärmenetze im ländlichen Raum seien schwer zu realisieren.


Mehr Platz für Biodiversität

Nach gut einem Jahr zieht die Kreisstadt ein positives Fazit in Sachen Flächenentsiegelung: Im Gewerbegebiet Windhagen und in der Fußgängerzone in der Innenstadt wurden Asphalt und Pflaster entfernt und Beete angelegt. In Windhagen habe anfangs noch der Eindruck bestanden, es handle sich um tote Steingärten, schreibt die Stadt. Doch jetzt seien die Flächen nicht wiederzuerkennen, sagt Klimaschutzmanager Felix Borscz fest: „Es zirpt und summt, wenn man davor steht.“

Der Fokus lag auf der Biodiversität: Es sollten Kleinst-Biotope für Insekten und Kleintiere geschaffen werden. So auch in der Fußgängerzone, wo zudem die Ästhetik eine Rolle spielte. EU und Land haben die Maßnahmen zu hundert Prozent gefördert. Weitere solcher Maßnahmen seien derzeit an der Südachse in Bernberg in Planung.