Köln könnte Küstenstadt werdenGrünen fordern schnelles Bewusstsein für Klimaschutz
Gummersbach – Die oberbergischen Grünen wissen die Wissenschaft auf ihrer Seite und umgekehrt. Das war die Botschaft der Kreismitgliederversammlung, zu der die Partei am Samstag in der Gummersbacher Halle 32 erstmals wieder in Präsenz zusammenkam. Der Fachvortrag über den Klimawandel zu Beginn wurde auch über das Internet übertragen (und kann auf Youtube auch nachträglich abgerufen werden), was der Grund dafür sein mag, dass sich in der Halle nur etwa zwei Dutzend Mitglieder einfanden.
Dabei war ein hochkarätiger Referent geladen: Dr. Jonathan F. Donges leitet ein Forschungsprojekt am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Wissenschaftler, der aus Dümmlinghausen stammt und in Bergneustadt das Wüllenweber-Gymnasium besuchte, hält immer mal Vorträge in Oberberg, wenn er, wie auch dieses Mal, ohnehin die Familie besucht.
Klimawandel: Köln könnte Küstenstadt werden
Den Grünen-Mitgliedern stellte er seine Forschungsergebnisse zu sogenannten „Kipppunkten“ vor. Gemeint sind Augenblicke, in denen Entwicklungen unumkehrbar werden, etwa, wenn ein Ei auf die Tischkante zurollt und hinunterfällt. „Danach kann man es nicht wieder zusammensetzen“, sagte Donges. Ähnlich verhalte es sich mit der globalen Erwärmung, die bei ungebremstem Fortschreiten irgendwann Stufen erreiche, nach denen beispielsweise das grönländische Eisschild schmelzen oder die australischen Korallenriffe sterben wird, ohne dass man es wieder rückgängig machen kann.
Solche Katastrophen wirken aufeinander ein und beschleunigen den Klimawandel in einem Dominoeffekt. Donges verzichtete bei aller wissenschaftlichen Nüchternheit nicht auf den Hinweis, dass Köln irgendwann eine Küstenstadt werden wird, wenn man dem Klimawandel keinen Einhalt gebietet. In Oberberg könne jedermann die Konsequenzen mit dem Waldsterben bereits direkt vor der Haustür besichtigen.
Pandemie hat Akzeptanz von sozialen Eingriffen bewiesen
Bei den Grünen predigte der Klimaforscher Donges zu den Bekehrten. Kreissprecherin Sabine Grützmacher sagte schon in der Begrüßung: „Die Uhr steht auf 5 nach 12.“ Von größerem Interesse war darum, dass Donges das Kipppunkt-Modell auch auf das gesellschaftliche Bewusstsein anwendet, und zwar mit einer positiven Perspektive. Ein Ende der Subventionen für fossile Brennstoffe könnte diese beispielsweise so verteuern, dass sich die Wirtschaft radikal umstellt. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass weitgehende soziale Eingriffe akzeptiert werden. Die Pandemie habe sich als „Möglichkeitsfenster“ erwiesen.
„Sciara“ soll dazu beitragen, dass das gesellschaftliche Bewusstsein an einen Kipppunkt kommt. Die oberbergischen Grünen haben sich an der Finanzierung des Computerspiels per Crowdfunding beteiligt. Anfang 2022 soll es starten. Eigentlich sollte der Berliner IT-Entwickler Daniel Tamberg online zugeschaltet werden und über sein Projekt berichten – war aber nicht zu erreichen. Da Jonathan Donges an der Entwicklung der Online-Simulation beteiligt war, sprang er spontan ein.
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In Sciara treffen die Spieler Entscheidungen über ihre Lebensführung, das Spiel errechnet anhand wissenschaftlicher Modelle, die positiven und negativen Folgen für die Welt. Auch Klimaskeptiker sind zur Teilnahme eingeladen. Donges weiß: „Die Hauptbremse bei den Maßnahmen für den Klimaschutz ist die Sorge der Politik vor mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz.“