„Mein Großvater, der Täter“: Lorenz Hemicker, gebürtiger Gummersbacher, hat ein Buch geschrieben über seinen Großvater, der ein NS-Verbrecher war.
Neues BuchGebürtiger Gummersbacher arbeitet NS-Geschichte seines Großvaters auf

Der Journalist und Buchautor Lorenz Hemicker, geboren in Gummersbach, aufgewachsen in Kierspe im Märkisch-Bergischen Grenzland
Copyright: Hemicker
„Mein Großvater“ - Lorenz Hemicker vermeidet diese Formulierung, wenn es geht, er nennt ihn „den Ernst“. Dafür gibt es einen guten Grund: Ernst Hemicker (1896-1973) war Mitglied der SS und maßgeblich beteiligt an der Ermordung von über 27.000 Juden. Was hat ihn dazu gebracht? Was verbindet Großvater, Sohn und Enkel? Lorenz Hemicker hat sich auf eine schmerzhafte Spurensuche begeben und darüber ein bewegendes, sehr persönliches Buch geschrieben.
Das Cover zeigt ein Schwarz-Weiß-Foto mit einem lächelnden Offizier in Uniform, auf seinem Knie sitzt ein kleiner Junge in kurzen Hosen, der den Mann freundlich anschaut. Erst beim zweiten Hinsehen erkennt man auf dem Kragen des Offiziers die blitzförmige Rune der SS, allerdings spiegelverkehrt. Es sind Ernst Hemicker und sein Sohn Peter, der Vater von Lorenz. Aufgenommen wurde das Foto zwischen 1941 und 1943.

Das Buchcover zeigt ein Familienfoto.
Copyright: Lorenz Hemicker
Lorenz Hemicker kam 1978 in Gummersbach zur Welt und wuchs in Kierspe, im märkisch-bergischen Grenzland auf, in Meinerzhagen legte er sein Abitur ab. Er studierte Architektur, Kommunikationswissenschaften, Politik und Volkswirtschaft, und war als freier Mitarbeiter für die Kölnische Rundschau tätig. Seit 2014 arbeitet er bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, zur Zeit als Chef vom Dienst Online.
„Meinen Großvater habe ich nie kennengelernt“, erzählt er. Aber „der Ernst“ war ein Thema in der Familie. „Dein Großvater hat sich verdient gemacht“ - an diesen sarkastisch vorgetragenen Satz seines Vaters kann sich Lorenz Hemicker noch genau erinnern.„Ich war damals erst fünf Jahre alt und habe es nicht sofort verstanden.“ Der Vater erklärt: „Der alte Ernst war angeklagt wegen Beihilfe zum Mord in über 25.000 Fällen.“ Dem Fünfjährigen macht das Angst. Mörder kennt er nur aus dem Fernsehen, er weiß, dass das böse Menschen sein müssen.
Schulzeit in Gummersbach
Im Buch beschreibt der Autor die Jugend seines Großvaters, seine Schulzeit in Gummersbach, seine Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg, das nationalistische, antidemokratische Umfeld, in dem er aufwächst - ohne etwas zu entschuldigen. Als gelernter Journalist hat Lorenz Hemicker über Jahre hinweg recherchiert, in Archiven, in Bibliotheken und Familienunterlagen. Er hat mit Überlebenden des Holocaust gesprochen, und ist selbst an jene Orte gereist, an denen „der Ernst“ im Einsatz war.
So konnte Lorenz Hemicker rekonstruieren, was der SS-Offizier getan hatte und worin seine Rolle bestand bei einem Massaker im Spätherbst des Jahres 1941, in einem Wald in der Nähe von Riga. In wenigen Tagen erschossen die SS-Männer dort über 27.000 Männer, Frauen und Kinder und kippten ihre Leichen in Gruben. Diese Gruben hatte Ernst Hemicker konstruiert, denn er ist Tiefbauingenieur.
In den 1960er Jahren wurde die Staatsanwaltschaft auf ihn aufmerksam und verhörte ihn. Später wurde er wegen Beihilfe zum Mord in über 25.000 Fällen angeklagt, doch zu einer Verurteilung kam es nicht mehr, denn Ernst Hemicker starb im Juli 1973. Lorenz Hemicker hat seinen Großvater nie persönlich kennengelernt. Doch sein Schatten als Teil der deutschen Geschichte wird den Enkel immer begleiten.
Lesung
Am Montag, 28. April, 19.30 Uhr, liest Lorenz Hemicker aus dem Buch „Mein Großvater, der Täter“ in der Stadthalle Meinerzhagen, Otto-Fuchs-Platz 1. Karten kosten im Vorverkauf 12/8 Euro, an der Abendkasse 14/10 Euro.