Warum ist Bruno Goller trotz mancher Erfolge ein „großer Unbekannter“ der Malerei des 20. Jahrhunderts geblieben? Eine große Retrospektive im Kunstmuseum Bonn versucht sich an einer Antwort.
Mit BildergalerieBonner Ausstellung würdigt das Werk von Bruno Goller
Er halte ihn für „einen der zehn wichtigsten deutschen Maler der Nachkriegszeit“, sagt Kurator Christoph Schreier über Bruno Goller. Museumsintendant Stephan Berg würdigt den Gummersbacher Künstler (1901-1998) als „Monolith in der Malereilandschaft“, der unter den Kollegen immer eine besondere Wertschätzung genossen habe. Eine echte Prominenz über die Kunstszene hinaus sei dem „großen Unbekannten des Rheinlandes“ allerdings verwehrt geblieben – auch weil er daran wohl gar kein Interesse hatte. Bis heute gibt es kein Werkverzeichnis. Bruno Goller, da sind sich die beiden Experten einig, wird weit unter Wert gehandelt, und das im Wortsinne.
Das Kunstmuseum Bonn widmet der „zentralen Figur der Malereigeschichte des 20. Jahrhunderts“ und dem „nonkonformistischem Einzelgänger“ eine der größten Retrospektiven, die Gollers Arbeit bisher erlebt hat. Museumschef Berg freut sich, dass es endlich gelungen ist, dieses langgehegte Projekt mithilfe des früheren Vizedirektors Schreier zu verwirklichen. Dabei konnte dieser insbesondere auf Leihgaben des Berliner Galeristen Michael Haas, der Frankfurter Sammlerin Karin Thoma und des Literatur- und Kunstinstituts Hombroich zurückgreifen.
Bis zum 19. Januar sind an der Museumsmeile 75 Gemälde und 22 Zeichnungen zu sehen, die ein Lebenswerk über sieben Jahrzehnte chronologisch dokumentieren. Angefangen mit den „Trockenen Blumen“, die Goller als ganz junger Autodidakt 1922 noch in Gummersbach auf die Leinwand brachte, bis zum „Bild mit zwei Zahlen“, das der emeritierte Professor 1992 wenige Jahre vor seinem Tod in Düsseldorf malte. So lässt sich eine stilistische Entwicklung nachvollziehen, die den Künstler von erdfarbigen, erzählerischen Kleinformaten zu immer größeren farbkräftigen Tafeln führt, dabei aber über die Jahrzehnte und Zeitenwechsel von einer verblüffend durchgängigen Motivik und Stilistik geprägt ist.
Die Frauenköpfe, Hüte, Schleifen und Katzen sind ein immer wiederkehrender Rückgriff auf die Kindheit in Gummersbach, wo seine Mutter ein Hutgeschäft führte. Die Jugendjahre bleiben ein Schlüssel zu seinen Werken, obwohl Goller von 1927 an bis zu seinem Tod in Düsseldorf lebte, sagt Museumsleiter Berg. Der Künstler rekonstruiere eine Welt aus Dingen der Kindheit, die der traurigen Wirklichkeit des frühen Verlusts der Eltern und zweier Weltkriege vorausging. Berg fühlt sich erinnert an die „Suche nach der verlorenen Zeit“ des französischen Romanciers Marcel Proust.
Gummersbacher Kindheit wirkt nach
Diese emotionale Verbundenheit mit den Bildern, berichtet Kurator Schreier, habe dazu geführt, dass der ohnehin introvertierte Künstler sich nach 1933 zurückzog und seine Bilder ängstlich versteckte. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1943 zerstörten Brandbomben sein kleines Düsseldorfer Atelier und vernichteten den größten Teil seines Frühwerkes. Nach dem Krieg konnte Goller sich in seiner Wahlheimat am Rhein etablieren. Zum Wintersemester 1949 erhielt er einen Ruf an die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, an der er von 1953 bis 1964 eine Professur für Malerei innehatte. Zu seinen Schülern zählte zumindest für kurze Zeit der spätere Beuys-Jünger Blinky Palermo, berichtet Schreier.
In seinen Bildern habe Goller unerschütterlich und eigensinnig an einer unzeitgemäßen Gegenständlichkeit festgehalten, auch wenn das Dargestellte rätselhaft und geheimnisvoll bleibe. Er war weder Informel noch Pop, kein sortenreiner Surrealist, stand stets quer zum 20. Jahrhundert. Die Bonner Retrospektive zeigt, dass er die gängige Abstraktion seiner Zeit durchaus aufgreift, nur findet sie bei ihm im Hintergrund und in einer zunehmenden Verschmelzung der Figuren mit Ornamenten statt.
Christoph Schreier berichtet, wie stolz Goller darüber war, dass sein „Sessel“ von 1965 bei einer Ausstellung im Düsseldorfer K20-Museum einmal direkt gegenüber einem expressiven Action-Painting des amerikanischen Malerstars Jackson Pollock hing. „Das hat ihn begeistert.“ Goller war „kein Nobody“, betont Stephan Berg. Immerhin wurde er zur zweiten Documenta in Kassel eingeladen, hatte große Retrospektiven in Düsseldorf, Krefeld und Winterthur, stellte in Brasilien aus und hatte einen Galeristen in New York. Die „Zwei Katzen“ von 1968, die er diesem überließ, kaufte der Künstler dann aber doch lieber zum eineinhalbfachen Preis wieder zurück, weil er sich nicht von ihnen trennen wollte, erzählt Christoph Schreier.
Das große Geld habe Goller wohl nicht interessiert, sein Gehalt als Kunstprofessor offenbar ausgereicht. Die Lehre an der Akademie sei ihm wichtiger gewesen als Erfolge auf dem Markt. Sicher habe ihm auch seine Schrulligkeit im Wege gestanden. Besuche in seinem Atelier waren ihm verhasst, weiß Schreier. „Er war alles andere als ein genialer Selbstverkäufer.“ Und sein Verhältnis zur Heimatstadt? Kurator Christoph Schreier ist überzeugt: „Er hat das alte Gummersbach geliebt, das Gummersbach, das er verloren hat. Die Gegenwart hätte die Erinnerung nur gestört.“
Die Ausstellung
Die Ausstellung im Kunstmuseum Bonn (Helmut-Kohl-Allee 2) wird am heutigen Mittwoch, 18. September, 19 Uhr, eröffnet, an diesem Abend ist der Eintritt frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Bis zum 19. Januar kann man die Bilder täglich (außer montags) von 11 bis 18 Uhr und mittwochs bis 19 Uhr sehen. Der Eintritt kostet 7/3,50 Euro. Am 20. Oktober und 24. November, jeweils 11 Uhr, führt Kurator Christoph Schreier durch die Ausstellung. Anlässlich der Finissage am 19. Januar, 15 Uhr, spricht Schreier mit Ricarda Dick vom Bruno-Goller-Archiv des Literatur- und Kunstinstituts Hombroich. Der Katalog ist im Museum (30 Euro) und im Buchhandel erhältlich.