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Bei Frau Kramer in JedinghagenTherapeutisches Reiten für neues Selbstbewusstsein

Lesezeit 3 Minuten

Jedinghagen – Alles Glück dieser Erde soll ja auf dem Rücken der Pferde liegen. Für Patricia Stiletto (51) und Jens Kalkuhl (49) ist das gewiss so. Beide sind passionierte Westernreiter – obwohl beide mit Handicaps leben müssen.

Patricia Stiletto, früher selbst Reitlehrerin, leidet unter einer Muskelkrankheit. Jens Kalkuhl hat eine angeborene Sehbehinderung. Ihre Reitlehrerin, Hildegard Kramer (64), ausgebildete Physiotherapeutin, hat schon vor Jahren Fortbildungen zur Hippotherapie und zum Reiten als Sport für Menschen mit Behinderungen absolviert.

Ruhe der Pferde überträgt sich auf Reiter

Kramer besitzt zudem Trainerscheine im Westernreiten und im klassischen Reiten. Charakteristisch für das Westernreiten ist der enge Kontakt des Reiters zum Pferd, denn das Tier wird über Körpersignale des Menschen geführt.

„Das tut Menschen mit einer Behinderung sehr gut. Sie erfahren durch das Reiten ein ganz neues Selbstwertgefühl, da sie für die Zeit der Reitstunde ganz selbstständig agieren“, erläutert Kramer eine der positiven Auswirkungen des Therapeutischen Reitens, das sie in einer Reithalle in Marienheide-Jedinghagen anbietet.

Ihren Standort in Gummersbach-Hülsenbusch mit eigenen Pferden hat sie vor einigen Jahren aufgegeben. „Einen ganzen Stall zu managen, ist sehr zeitintensiv. Ich hatte fast immer 14-Stunden-Tage. Das wurde mir zu viel. Deshalb habe ich das Ganze deutlich verkleinert.“

Aktuell bietet sie das Therapeutische Reiten für zwölf Teilnehmer im Alter ab vier Jahren an, die jeweils 20 Minuten auf den Pferden sitzen. Ein weiterer Effekt dabei: Durch die gleichmäßige Bewegung des Pferdes entspannen sich die Muskeln des Reiters. Patricia Stiletto: „Die Pferde sind sehr sensibel. Wenn die Tiere spüren, dass ich mich verkrampfe, bleiben sie stehen und signalisieren mir, dass ich eine Pause machen soll.“

An diesem Tag sitzt sie auf Vollblut-Araber Negraan, während Jens Kalkuhl den Haflinger Hippie reitet. Beide Tiere sind besonders ausgeglichen. „Diese Ruhe überträgt sich auch auf den Reiter“, sagt Kramer: „Sogar hyperaktive Menschen schaffen es so, sich zu entspannen.“ Die Bewegung der Pferde fühle sich für den Reiter fast so an, als laufe er selbst, sagt die Reitlehrerin. „Es gibt Menschen mit Behinderung, die durch das Reiten auch das Laufen gelernt haben.“

Jens Kalkuhl war schon in Hülsenbusch begeisterter Reiter und hat sich mit Patricia Stiletto gleich wieder bei Hildegard Kramer gemeldet, als der Unterricht in Jedinghagen fortgesetzt wurde. „Jedes Tier ist anders. Man muss die Pferde also ganz unterschiedlich behandeln. Auch das macht das Reiten hier so spannend“, sagt er.

Der Gummersbacher erinnert sich an die Turniere, die er bestritten hat. „Da ich nicht gut sehe, war ich mit einer Begleiterin über einen Sender verbunden. Sie hat mir Hinweise zur Orientierung gegeben.“ Da er einhändig reitet, hat der 49-Jährige spezielle Zügel von der Marienheider Sattlerei Otto Schumacher bekommen.

Beide Reiter strahlen nach ihrer Stunde. Und auch Kramer lächelt, bedauert aber, dass diese Art des Reitens noch nicht sehr verbreitet ist. „Mein Kurs ist voll“, sagt sie, hat aber auch eine Empfehlung für Interessierte: „Auf der Internetseite des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten finden sich viele Infos – auch zu anderen Reitschulen und Therapeuten.“

www.dkthr.de