Fünf Jahre späterWie es Geflüchteten in Oberberg heute geht
- Vor fünf Jahren sprach niemand über eine Pandemie, aber alle beschäftigte die Flüchtlingswelle – auch im Oberbergischen.
- Fünf Jahre nach „Wir schaffen das“, dem berühmten Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, fragen wir Beteiligte von damals: Haben Sie es geschafft?
Oberberg – „Ich habe hier so viel Gutes erfahren, ich möchte etwas zurückgeben.“ Das sagte Achmed Salem, damals 18 Jahre alt, dieser Zeitung vor zwei Jahren als Begründung für sein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr in Morsbach. Auch heute ist er dort aktiv, nimmt an Fortbildungen teil, hat seinen Atemschutzlehrgang absolviert und inzwischen auch an Einsätzen teilgenommen.
Inzwischen besucht Salem die Jahrgangsstufe 13 und bereitet sich auf sein Abitur vor. „Der Online-Unterricht in diesem Jahr war ungewohnt, aber auch damit bin ich klar gekommen“, sagt er. Im kommenden Jahr will er ein Physik-Studium an der Universität in Siegen beginnen.
Abschiebung abgewendet
Seyed Mohsen Hoseyni, der in diesem Frühjahr nach erfolgreicher Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik nach Afghanistan abgeschoben werden sollte – dort hatte er zuletzt als zweijähriges Kind gelebt – kann erst einmal aufatmen. Der 22-Jährige spricht perfekt Deutsch, hat einen festen Arbeitsplatz bei der Firma Oni in Lindlar. In zwei bis drei Wochen erwartet er eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. „Was danach wird, muss man dann sehen. Aber erst einmal geht’s mir gut“, sagt er.
Den Sprung in ein neues, sicheres Leben geschafft hat Familie Jalali. Im März 2019 schilderten Neda und Mehdi, Christen, die aus dem Iran geflohen waren, wie sehr sie unter der Ungewissheit litten, weil ihr Asylverfahren damals noch nicht abgeschlossen war. Heute sind sie anerkannt, haben eine Perspektive.
Unabhängig von staatlicher Unterstützung
Mehdi Jalali arbeitet als Elektroniker bei einer Firma in Engelskirchen, seine Frau Neda, die einen Master in Chemie hat, sucht noch eine Stelle möglichst in einem Labor, die beiden Kinder gehen zur Grundschule. „Wir haben jetzt eine eigene Wohnung und sind komplett unabhängig von staatlicher Unterstützung“, schildert Mehdi. Zweimal war die Familie im Lager Moria auf Lesbos, einmal Anfang des Jahres und erneut in diesem Sommer noch vor dem Brand. „Da sind so viele Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie wir sie erlebt haben“, führt Mehdi Jalali aus. „Wir haben so viel Elend gesehen. Da haben wir versucht, den Menschen Mut zu machen.“
In diesem Jahr gibt es keinen Oktoberfest-Auftritt in Lederhosen und wohl auch kein Konzert in der Uniform des Bergneustädter Feuerwehrmusikzuges – Murtado Hamsa ist traurig. Dabei hat sich der junge Iraker seit 2015 gut eingelebt, und nicht nur Deutsch, sondern auch das Notenlesen gelernt, nachdem er anfangs seine Musikerkollegen mit seinen orientalischen Improvisationen auf der Klarinette etwas verwirrt hatte.
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Medleys, Polka – das kann er inzwischen „aus dem Effeff“. Und auch die Arbeit in einem Bergneustädter Elektrobetrieb klappe weiterhin gut, erzählt der 28-Jährige. „Ich verstehe nicht, warum ich nur eine Duldung für ein weitere sechs Monate bekommen habe“, ergänzt er niedergeschlagen. „Ich arbeite doch schon so lange hier.“ Gegen den Blues macht er – wie schon in den schlimmsten Zeiten seiner Flucht – Musik.
Weil der Musikzug zurzeit wegen der Corona-Einschränkungen nicht proben darf, spielt er zu Hause. Und da mischen sich dann die schon mal die orientalischen Vierteltöne mit den deutschen Märschen.