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Unterstützung aus Oberbergg Albanisches Paar kämpft gegen Abschiebung

Lesezeit 4 Minuten

Die Rückreise nach Albanien – wie diese als Asylbewerber abgelehnten Landsleute – soll auch die junge Familie antreten, die zeitweise in Ründeroth untergebracht war. Vor dem, was sie in der Heimat erwartet, fürchten sie sich. Deshalb gehen sie jetzt vor Gericht.

Ründeroth – Es habe einige Zeit gedauert, sagt Peter Hahner. Erst dann habe er die „ganze Dramatik hinter der Geschichte“ verstanden. Hahner, der im Sozialen Dienst der kürzlich geschlossenen Notunterkunft in Engelskirchen-Ründeroth gearbeitet hat, spricht vom Fall einer albanischen Familie, der nicht nur ihn, sondern auch viele andere Mitarbeiter bewegt hat.

Ende September war das junge Paar mit seinem Kind in Ründeroth eingetroffen. „Die Frau sprach kein Deutsch, deshalb war es anfangs schwer, überhaupt mit ihr ins Gespräch zu kommen“, erinnert sich Hahner. Irgendwann habe es dank eines Dolmetschers doch geklappt.

Die Geschichte, die ihm auch von einem im Ausland lebenden Familienmitglied bestätigt wurde, fanden seine Kollegen und er erschreckend. Sie schrieben einen eindringlichen Brief an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und erhielten Unterstützung von Flüchtlingshilfsorganisationen.

Bundesamt:

Kein Fluchtgrund

Hintergrund des Streits: Die junge Frau ist katholisch, ihr Mann muslimisch. Die Familien, die beide auf dem Land leben, seien beide sehr religiös. „Es begann schon, als wir uns kennengelernt haben“, erzählen die beiden im Gespräch mit einem Dolmetscher. Die Familien hätten ihre Beziehung nie akzeptiert. Jeweils ein Elternteil von ihr und ihm sei dabei besonders massiv vorgegangen. So sei der Frau schon einmal ein Messer an den Hals gehalten worden. Später, als das Kind unterwegs war, sei sie immer wieder, auch spät in der Schwangerschaft, zur Abtreibung gedrängt worden. Einmal hätten Familienmitglieder ihres Mannes sie eine Treppe hinuntergestoßen – um die Schwangerschaft zu beenden.

Der Frau selbst fällt es schwer, das Ganze immer wieder zu erzählen. Aber ja, sagen sie und ihr Mann, sie hätten tatsächlich die ernsthafte Sorge, dass ihre eigenen Familien sie umbringen. „Bevor wir Albanien verlassen haben, gab es konkrete Drohungen – viele am Handy, mit unterdrückter Nummer.“ Immer wieder habe es vorher auch Drohungen unter den Familien gegeben – wechselseitig: „Wenn Dein Kind sich nicht trennt, dann bringen wir es um.“ Im Land selbst seien die Familien gut vernetzt: „Da gibt es keinen Ort, wo wir hingehen können.“

Irgendwann hätten sie den Druck nicht mehr ausgehalten. 2015 flüchteten sie mit Kind über Italien nach Deutschland – das zumindest würden ihre Familien ahnen, genau wissen würden sie wohl nicht. Deshalb will die kleine Familie anonym bleiben. Deshalb soll auch niemand wissen, wo sie nach einer Odyssee durch mehrere Flüchtlingsunterkünfte in NRW inzwischen leben.

Jetzt haben sie Bescheid vom BAMF erhalten. Das Ergebnis: Ihre Anträge auf Gewährung von Flüchtlingsstatus wurden abgelehnt – zumeist als „offensichtlich unbegründet“. Damit kann es ganz schnell gehen: Innerhalb einer Woche hätten sie Deutschland verlassen oder gegen die Entscheidung vorgehen müssen.

Eine Frist, die eigentlich längst abgelaufen ist, weil der Bescheid, den sie laut Hahner erst vor kurzem im jetzt zuständigen Ausländeramt erhalten haben, schon auf den 1. Februar datiert ist. Vorher habe der Bescheid sie nicht erreicht – vielleicht auch, weil sie in der Unterkunft, an die er adressiert ist, schon seit Anfang Dezember nicht mehr gewohnt haben sollen.

Was das für Folgen für die junge Familie hat, darüber muss nun das Verwaltungsgericht Köln entscheiden. Peter Hahner hat für die Familie dort einen Antrag eingereicht und will mit ihnen darum kämpfen, dass sie bleiben dürfen.

Sicherer Herkunftsstaat Albanien

Dass Albanien nach deutschem Recht als „sicherer Herkunftsstaat“ gilt, sei nicht allein schon ein Grund, Anträge und Klagen von dort abzulehnen, erklärt Raphael Murmann-Suchan vom Verwaltungsgericht Köln auf Nachfrage. „Letztlich ist das eine gesetzliche Vermutung, die im Einzelfall widerlegt werden kann.“ Deshalb, so Murmann-Suchan, gebe es auch im Falle Albaniens zwar nur eine sehr geringe Anerkennungsquote – „aber sie ist eben auch nicht gleich Null“.

Als Beispiel nennt der Sprecher des Kölner Verwaltungsgerichts gerade auch Fälle von „Blutrache“ innerhalb der Familienverbände, wie sie aus Albanien bekannt seien. Das Flüchtlingsrecht sei zwar eine sehr komplizierte Materie. „Aber grundsätzlich gilt schon, dass niemand in ein Land abgeschoben wird, in dem ihm der Tod droht – egal, ob vom Staat oder von jemand anderem“, so Murmann-Suchan. Dazu müssen die Richter von der beschriebenen Gefahr aber auch überzeugt sein.

Zurzeit häufen sich Fälle abgelehnter Anträge von Albanern beim Verwaltungsgericht. Als Grund nennt man dort, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) länderweise vorgeht – und jetzt offenbar vor allem diese Fälle abgearbeitet hat.

Probleme mit der Zustellung von Bescheiden des BAMF kennt auch Murmann-Suchan. „Ich war erst jüngst in einer Flüchtlingseinrichtung. Da steht dann beim Hausmeister eine Kiste, und da kann jeder sich seine Post rausnehmen. Das ist natürlich sehr fehleranfällig.“ Für das Gericht sei am Ende entscheidend, ob der Bescheid tatsächlich zugestellt worden ist. Das müsse das Bundesamt belegen können – in jedem Einzelfall. (kmm)