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Einsatz für BangladeschLichtbrücke Engelskirchen feiert gleich zwei runde Geburtstage

Lesezeit 4 Minuten
Eine junge Frau sitzt an einer Nähmaschine. Neben ihr stehen zwei Kinder.

Zwei von Tausenden junger Frauen, die erfolgreich eine Ausbildung zur Näherin absolviert haben.     

Die Lichtbrücke Engelskirchen feiert doppelt: seit 40 Jahren ist sie eingetragener Verein, im Winter jährt sich zudem der Basar zum 50. Mal.

Eigentlich begann der Weg der Lichtbrücke schon in den frühen 1950er Jahren. Da bereiste Mathilde von Lüninck-Knipp zum ersten Mal Indien – und war entsetzt über die Armut der Menschen dort. „Das war sehr bedrückend“, erinnert sie sich heute. Als sie von der Reise zurückkehrte, hatte sie nur noch die Kleidung, die sie am Leibe trug. Alles andere hatte sie unterwegs verschenkt, auch ihren Reisekoffer.

In Deutschland begann sie, Geld zu sammeln, Aktionen zu planen, einen Arbeitskreis aufzubauen. 1973 veranstaltete dieser Arbeitskreis zusammen mit Frauen der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul und Pfarrer Hermann Hieronymi einen Weihnachtsbasar – der Basar findet immer noch statt und jährt sich also in diesem Jahr zum 50. Mal.

Viele Gruppen helfen beim Lichtbrückebasar in Engelskirchen

Dass die Hilfe der Lichtbrücke ganz überwiegend ehrenamtlich organisiert wird, zieht sich wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte. „Das ist uns ganz wichtig“, sagt Holger Trechow, als hauptamtlicher Geschäftsführer einer von nur fünf Festangestellten. „Das ist die Basis unserer Arbeit.“ Wie viele helfende Hände da immer zupacken, wird nicht genau nachgehalten.

Trechow: „Aber wir haben deutlich mehr als 100 ehrenamtliche Unterstützerinnen, die regelmäßig unsere Arbeit unterstützen. Hinzukommen zum Beispiel die vielen Schülerinnen und Schüler, die bei den Schulaktionen mitmachen. Und auch darüber hinaus gibt es Helferinnen und Helfer, die uns hin und wieder unterstützen.“

Menschen auf einer Brücke in Bangledesch.

Menschen auf einer Brücke in Bangledesch.

Beim jüngsten Weihnachtsbasar seien mehr als 30 Basargruppen dabeigewesen. „Wenn man die Musikgruppen dazu zählt, die ihren Musikbeitrag auch im ehrenamtlichen Einsatz machen, kommen wir auf rund 40 Gruppen“, so Trechow.

Augenklinik in Bangladesch gebaut

Ein eingetragener Verein ist die Lichtbrücke seit 40 Jahren, noch ein runder Geburtstag. Ziel war es 1983 wie heute, den Ärmsten zu helfen. Zunächst lag der Fokus in Zusammenarbeit mit der in Bonn ansässigen Andheri-Hilfe und später unter eigener Regie in Indien, führt Holger Trechow aus. „Wir haben die Armen, vor allem in den Slums und im ländlichen Raum, unterstützt, indem wir geholfen haben, dass die Kinder in die Schule gehen und Jugendliche eine Berufsausbildung machen konnten“, schildert Mathilde von Lüninck-Knipp. Und auch Gesundheitsprojekte wurden angestoßen. Engagement und Spendenaufkommen erhöhten sich immer weiter.

1978 ging der Blick nach Bangladesch: Ein Brief aus Sirajganj mit der Bitte um Finanzierung einer Augenklinik erreichte Engelskirchen – Zielmarke: 120.000 D-Mark. Die Lichtbrücke erreichte das Ziel, die Augenklinik wurde 1980 eröffnet und bis zu ihrer Selbstständigkeit 1990 weiter finanziert. 350.000 Erblindete wurden in 40 Jahren dort geheilt. Hilfe zur Selbsthilfe sei von Anfang an die Idee hinter der Lichtbrücke gewesen, sagt Mathilde von Lüninck-Knipp, die mit ihrem 2020 verstorbenen Ehemann Friedel Knipp über Jahrzehnte das Gesicht der Lichtbrücke war.

Sie leben immer noch in bescheidenen Verhältnissen, aber deutlich besser als früher.
Holger Trechow, Lichtbrücke-Geschäftsführer

Das sei bis heute so geblieben, erklärt Trechow und nennt als Beispiel die Kreditprogramme, von denen aktuell 45 laufen, in denen derzeit mehr als 50.000 Personen Kleinkredite erhalten haben. Allein mit der Partnerorganisation Adams laufen sechs dieser Programme in verschiedenen Regionen um Khulna, davon zwei in Slumgebieten.

„Aktuell gibt es in den Programmen allein von Adams mehr als 16 000 Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer. Diese sind normalerweise in Kreditgruppen von etwa 25 Mitgliedern organisiert“, so der Geschäftsführer. „Das bedeutet Zusammenhalt, aber auch eine gewisse soziale Kontrolle.“ Beeindruckend: Die Gesamtzahl der Menschen, die über die Jahre aus diesen Programmen einen Kleinkredit erhalten haben, liegt deutlich über 400.000.

Zinslos sind diese Darlehen nicht, so Trechow. Das ist der Grund, warum das Kreditvolumen immer größer wird. Wie bei allen Projekten lässt sich die Lichtbrücke von örtlichen Partnern beraten, die auch ein Auge darauf haben, dass alle Maßnahmen den staatlichen Vorgaben entsprechen.   Holger Trechow: „Es ist unser Bestreben, dass Strukturen entstehen, die halten.“ Das sei bei der Kleinkreditvergabe ebenso gewesen wie bei den Maßnahmen zur schulischen und beruflichen Bildung.

Gesichter der Lichtbrücke

Gesichter der Lichtbrücke: Mathilde von Lüninck-Knipp und ihr 2020 verstorbener Ehemann Friedel Knipp (v.l.), die langjährige Mitarbeiterin Renate Lauenroth und Holger Trechow.

Diese Nachhaltigkeit habe dazu geführt, dass sich die Lebensverhältnisse der Menschen tatsächlich verbessert haben: „Sie leben immer noch in bescheidenen Verhältnissen“, so Trechow, „aber deutlich besser als früher“.

Nachhaltige Verbesserungen hat die Lichtbrücke auch beim jüngsten Projekt im Sinn. Dabei, so verrät Holger Trechow, geht es um die Gründung von Kooperativen im ländlichen Raum. Die Menschen sollen Anbau, Marketing und Vertrieb gemeinsam in Angriff nehmen, sie sollen sich über ihre Rechte informieren und diese gemeinsam artikulieren. „Nach dem Familien-Coaching wäre das die nächste Stufe in der dörflichen Entwicklung“, hofft Trechow.


Wichtige Daten der Engelskirchener Lichtbrücke

  1. 1953: Mathilde von Lüninck-Knipp besucht erstmals Indien und ist schockiert von der Armut und den Lebensverhältnissen vieler Menschen dort.
  2. 1967: Sie baut mit Gleichgesinnten den „Helferkreis für Indien“ auf. Familie Knipp wirkt am „Bubenbasar auf dem Reckenstein“ mit. Mit den Einnahmen wird ein Haus für 200 Kinder von „Aussätzigen“ gebaut, in dem sie auch schulische Bildung bekommen.
  3. 1973: Zusammen mit Pfarrer Hermann Josef Hieronymi und der Katholischen Frauengemeinschaft wird der erste Weihnachtsbasar in Engelskirchen zugunsten armer Menschen in Indien organisiert.
  4. 1978: Aus Bangladesch erreicht die Engelskirchener Helfer ein Ruf um Hilfe vom Augenarzt Professor Matin. Gemeinsam wird der Entschluss gefasst, eine Augenklinik zu finanzieren – Ziel: 120 000 D-Mark. Viele Gruppen und Einzelpersonen beteiligen sich an der Finanzierung.
  5. 1979: Es beteiligen sich auch die örtlichen Schulen unter dem Slogan: „Wir bauen eine Brücke des Lichts, damit die Blinden wieder sehen können“.
  6. 1980: Ziel erreicht, die Augenklinik wird eingeweiht. Die Engelskirchener sagen ihre Finanzierung für weitere zehn Jahre dazu. 1990 wird die Klinik selbstständig. Mehr als 350 000 Blinde werden innerhalb von 40 Jahren dort geheilt, mehr als zwei Millionen Menschen mit Augenerkrankungen behandelt. Es folgt der Aufbau von zehn weiteren Augenkliniken.
  7. 1983: Gründung des Vereins „Lichtbrücke e.V.“.
  8. 1986: Gründung eines Mutter-Kind-Hospitals mit Ernährungszentrum. Zentrales Ziel ist ab jetzt die Bekämpfung der Armut und somit einer der Gründe für die Augenerkrankungen.
  9. 1989: Start von Kleinkreditprogrammen, mit deren Hilfe die Menschen Einkommen generieren sollen.
  10. 1994: Gründung der Thomas-Abendschule, benannt nach dem jungen Engelskirchener Thomas Schmidt, der wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte und sich zu Weihnachten ausschließlich finanzielle Unterstützung als Starthilfe für diese Schule wünschte.
  11. 1995: Aufbau des beruflichen Ausbildungszentrums.
  12. 2000: Start der Verteilung von Arsenfiltern für Trinkwasser.
  13. 2019: Aufbau der Hilfe für Rohingya-Flüchtlinge.
  14. 2020: Friedel Knipp, Lichtbrücke-Mitbegründer, stirbt.
  15. 2021: Mathilde von Lüninck-Knipp wird Ehrenvorsitzende des Lichtbrücke-Vereins.