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Dramatische Markt-SituationOberbergs Osterfärberei fehlen aktuell die Eier

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann prüft per Durchleuchtung eine Palette mit Hühnereiern.

An der Eierprüfeinrichtung: Derzeit kann Andreas Klose seine Kunden nur mit 70 Prozent der sonst üblichen Menge beliefern.

Bunte Eier sind auch in Oberberg besonders rar. Eieralarm, und das nur wenige Wochen vor Ostern? Woran liegt das?

„Die Situation ist dramatisch. So knapp wie in diesem Jahr sind Eier noch nie gewesen, Bioeier sowieso, aber auch Freiland und Bodenhaltung sind betroffen“, stellt Mechthild Klose fest. Und das will etwas heißen, führt sie doch mit ihrem Mann Andreas seit 36 Jahren den Hof Alpermühle und hat von Tschernobyl bis zum Skandal um das Insektizid Fibronil schon einige Krisen rund ums Ei mit krassen Umsatzeinbrüchen erlebt.

Ein Blick in die Hallen in Nümbrecht-Schönthal täuscht, hier stapeln sich turmhoch die Paletten mit frischen Eiern, die täglich von den fünf Höfen der Erzeugergemeinschaft angeliefert, geprüft, sortiert, verpackt und verladen in Lkw zu diversen Geschäften vom Supermarkt bis zum Bioladen gebracht werden. „Einige Hunderttausende die Woche“, rechnet Andreas Klose vor. „Aber zurzeit können wir unsere Kunden nur mit 70 Prozent der sonst üblichen Menge beliefern.“ Die Färberei, die für sie in den Vorjahren nach Karneval Bioeier umweltfreundlich in bunte Ostereier verwandelte, bliebe in diesem Jahr mangels Ware geschlossen, seufzt Klose. Bunte Eier seien daher besonders rar. Eieralarm, und das nur wenige Wochen vor Ostern? Woran liegt das?

Wöchentlich werden 650.000 Bioland-Eier verpackt und verschickt

„Da kommen verschiedene Ursachen zusammen“, erklärt Jonathan Gauer, Geschäftsführer des Bioguts Rosenthal, wo wöchentlich 650.000 Bioland-Eier verpackt und verschickt werden. Ursachen, die nicht in Oberberg liegen, wo nur elf von 100 hier verzehrten Eiern produziert werden, sondern mit weltweiten Entwicklungen zusammenhängen. So hätten die Niederlande, bisher ein großer Zulieferer für den deutschen Markt, die Zahl der Hühner um sechs bis acht Millionen reduziert, um das Nitrat im Grundwasser zu senken.

Hinzu kämen Geflügelpest und Vogelgrippe. Zwar sei Oberberg bisher verschont geblieben, aber anderswo hätten große Bestände von Legehennen gekeult werden müssen, andere Höfe lägen im Sperrgebiet. Besonders betroffen seien die USA, wo 28 Millionen Hühner getötet wurden. „Da kostet ein Ei inzwischen mehr als einen Dollar“, so Gauer. Und das ruft auch hier „Spotkäufer“ auf den Plan.

Mechthild Klose hält eine Palette gefärbter Eier in den Händen.

Mechthild Klose beobachtet, dass der Proteinlieferant sehr gefragt ist.

„Die fahren zu den Höfen, bieten unseren Lieferanten viel Geld bar auf die Hand“, erzählt er. Das erlebte auch Andreas Klose. „Denen ist es ganz gleich, ob es Bioeier sind oder aus konventioneller Haltung. Die freien Packstellen müssen Strafen zahlen, wenn sie ihre Lieferverträge nicht einhalten. Aber der Markt ist leer gefegt. So versuchen sie es überall. Denn Eier in die USA zu verkaufen, ist   ein lohnendes Geschäft.“

Zum Glück wüssten ihre Lieferanten die langfristigen Geschäftsbeziehungen zu schätzen und würden bisher nicht untreu, versichern Klose und Gauer. Dabei sind vor allem Bio- und Freilandeier   so gefragt wie zuletzt zur Coronazeit. „Bisher ging zwischen Weihnachten und Ostern der Verbrauch deutlich zurück“, berichtet Melanie Merten aus Hanfgarten, „dieses Jahr ist die Januarbeule aber ausgeblieben“. Das Image und damit die Nachfrage nach den Proteinlieferanten sei vielleicht auch gestiegen, weil mehr Menschen auf Fleisch verzichteten, vermutet Gauer. Immerhin essen wir laut Statistik im Durchschnitt 244 Eier pro Jahr, acht mehr als im Vorjahr. „Da kommen manchmal junge Männer in den Hofladen und kaufen 90 Eier“, erzählt Mechthild Klose.

Ein Problem für den Mertenhof: „Wir müssten eigentlich unsern Hennenbestand erneuern, aber wir bekommen keine Junghennen“, informiert die Bäuerin. Die Züchter kämen nicht hinterher. „Jetzt müssen unsere 900 Legehennen noch eine Weile länger durchhalten.“ Da ist Klosterbauer Peter Schmidt in Bünghausen froh, dass er auf seinem Hof die Rassehühner selbst nachzüchtet: „Unsere Feinde sind nur der Fuchs, der Marder und der Habicht“.

Eine widersprüchliche Entwicklung macht Andreas Klose aus. „Eier haben eine hohe Akzeptanz. Es könnte sich lohnen, von der hier verbreiteten Milchwirtschaft auf Hühnerhaltung umzustellen. Aber gerade in Oberberg bekommen die landwirtschaftlichen Produzenten baurechtlich kaum etwas genehmigt. Das Produkt ist sexy, alle wollen gesunde Lebensmittel und wissen, wo sie herkommen – aber sie sollen bitte nicht in der Nähe ihrer Wohnung produziert werden.“

Ob in diesem Jahr die Osternester leer bleiben müssen? „Es kommt immer mal vor, dass der Eiermarkt Kopf steht“, beruhigt Klose. „Meist regeneriert er sich relativ kurzfristig, und es kann gut sein, dass sich die Situation bis Ostern wieder entspannt hat.“ Außerdem sei es ja nicht so, dass es keine Eier mehr gäbe, nur eben weniger. Melanie Merten hat einen Tipp: „Ganz frische Eier halten sich vier Wochen. Wer am Gründonnerstag auf die Idee kommt, schnell noch Eier zu färben, der wird ohnehin erleben, dass sie sich an Ostern ganz schlecht pellen lassen. Daher besser frühzeitig einkaufen!“