Michael Sallmann, Leiter der Geschäftsstelle Oberberg der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln, und mit Roland Lenzing (Pflitsch GmbH) im Interview über die konjunkturelle Lage der Unternehmen in Oberberg.
DoppelinterviewWarum Oberbergs Unternehmen pessimistisch sind
Es steht nicht gut um die Konjunktur in Oberberg, die Unternehmen schauen skeptisch in die Zukunft. Was sich ändern müsste, darüber sprach Torsten Sülzer mit Michael Sallmann (IHK) und mit Roland Lenzing, geschäftsführender Gesellschafter der Hückeswagener Pflitsch GmbH, eines Herstellers etwa von Kabelverschraubungen und Kabelkanälen.
Herr Sallmann, Herr Lenzing, wie steht es um die Konjunktur in Oberberg?
Sallmann: Nicht gut bis schlecht. Und die Anzahl der Unternehmen, die für die nächsten sechs bis zwölf Monate mit einer Verbesserung rechnen, ist sehr klein, die Anzahl derer, die mit einer weiteren Verschlechterung rechnen, ist drei- bis viermal so groß. Geplante Investitionen hier am Standort werden gekürzt, reduziert, nach hinten geschoben. Das sorgt mit dafür, dass eine Trendumkehr nicht in Sicht ist, denn die geschobenen Investitionen der einen sind die fehlenden Aufträge der anderen, und so haben wir einen Kreislauf, der sich zurzeit eher nach unten dreht.
Was befeuert diesen Pessimismus aus Sicht eines Unternehmers?
Lenzing: Die Unternehmer erwarten von der Politik, dass sie konkretere Aussagen macht und Festlegungen trifft. Unternehmen sind es gewohnt, auf Termine hinzuarbeiten. Das vermisst man in der Politik. Regulierungen werden zwar versprochen, dann aber nicht umgesetzt. Das führt in den Unternehmen zu Unsicherheiten, wenn es um Finanzierungsentscheidungen und Investitionen geht. Die Geschäftslage tut ihr Übriges. Auch wir erkennen seit Herbst ein verhalteneres Bestellverhalten unserer Kunden. Seitens der Politik sehen wir zurzeit überhaupt keine Stimuli, die die Situation verbessern könnten.
Was wäre denn für bessere Rahmenbedingungen zu tun, woran hapert es?
Lenzing: Energiesicherheit ist das A und O. Danach kommt das Thema Fachkräfte. Das Bürgergeld wird den Wettkampf um Fachkräfte weiter anheizen. Wenn sich Mitarbeiter ernsthaft überlegen müssen, ob sie arbeiten gehen oder besser Zuhause bleiben, weil sie geringfügig weniger Bürgergeld bekommen, als sie verdienen, dann führt das auch zu einer Schwächung unseres hervorragenden Sozialsystems, das in ganz Europa und auch weltweit viel Beachtung findet. Dass sich manche Menschen ernsthaft mit dieser Frage befassen müssen, bringt die Unternehmen noch mehr in Schwierigkeiten. Das wird in den nächsten Jahren ein weiteres Abwandern befördern, mit allen Konsequenzen: Der Abbau von Industrie führt zu sinkenden Gewerbesteuereinnahmen bei den Kommunen, die das dann eventuell mit der Erhöhung der Grundsteuern parieren müssen, was den Kreislauf weiter verschärft. Das ist der falsche Weg! Die Unternehmen stärken und entlasten, das müsste die Devise sein.
Herr Sallmann, Stichwort Abwanderung: Nehmen Sie entsprechende Signale aus der oberbergischen Unternehmenslandschaft wahr?
Sallmann: Abwanderung ist noch kein Thema, aber wenn Investitionen nicht mehr hier vor Ort getätigt werden, sondern im Ausland, dann ist ein erster Schritt. Das heißt: Das Wachstum findet nicht mehr hier statt, sondern am anderen Standort, und das ist im Grunde genommen ein erster Schritt in eine Verlagerung, die Gewichtung verändert sich. Dass Unternehmen konkret sagen: Wir schließen hier die Türen zu, das sehe ich nicht. Aber die Frage ist, ob ein Prozess angestoßen wird, der irgendwann zu diesem Ergebnis kommt. Und diese Gefahr ist gestiegen.
Hat die Ampel-Koalition in Berlin die Zeichen der Zeit erkannt?
Sallmann: Die Unternehmen sind sehr verärgert und frustriert. Die deutsche Wirtschaft ist seit Beginn von Corona in einer schwierigen und von mehreren Krisen beeinflussten Situation, und die Politik hat den Ernst der Lage scheinbar noch nicht erkannt und macht weiter, als wäre nichts. Deswegen sage viele Unternehmen: Es kann doch nicht sein, dass uns jetzt noch zusätzliche bürokratische Lasten aufgebürdet werden: Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsverpflichtungen, Diskussion über Verbot von PFAS, also von bestimmten chemischen Verbindungen, die für ganz viele Produktionsprozesse ganz wichtig sind. Da gibt es natürlich den Verdacht, dass einige davon krebserzeugend sein können, aber da direkt die ganze Gruppe mit rund 1000 Stoffen verbieten wollen. . . Die Unternehmen sagen: Wir haben jetzt zu kämpfen, wir brauchen kein Geld und keine Förderung, aber wir brauchen auch bitte nicht noch mehr Belastungen! Trotzdem wird immer noch mehr draufgeschippt. Nicht jede einzelne dieser Zusatzbelastungen ist das große Problem, sondern die Summe dieser Zusatzbelastungen.
Lenzing: Man fängt als Unternehmer an, sich im Management-Team mit Gesetzgebung zu beschäftigen, aber darüber verliert man die wesentlichen Themen aus dem Fokus. Man beschäftigt sich nicht mehr mit strategischer Kundenentwicklung, mit der Entwicklung des Unternehmens, also mit all den Dingen, die das erfolgreiche Führen eines Unternehmens eigentlich ausmachen. Stattdessen muss man jetzt die Zeit aufwenden, um sich mit Gesetzgebung zu beschäftigen, die dann aber womöglich doch wieder von der Politik revidiert wird.
Sorge vor einer Entmündigung durch die Regierung
Also bedarf es keiner Reformen, sondern eines Zurücknehmens zeitraubender Verordnungen?
Sallmann: Das ist ja ein grundsätzliches Problem: Ein Staat muss Rahmenbedingungen und Ziele setzen. Aber die Frage ist: Gibt es ein grundsätzliches Zutrauen in Unternehmen, aber auch in den Bürger, dass diese insgesamt die Sachen schon richtig machen? Oder bin ich ein Staat, der glaubt, er muss alles bis ins Detail vorschreiben? Dann passiert genau das, was Herr Lenzing sagt, dann verirren die sich, da muss man dran scheitern. Klare Ziele und Fristen setzen, das dann auch kontrollieren, und wer das nicht gemacht hat, der kriegt Ärger, aber bis dahin machen lassen: Ich glaube, sowohl der einzelne Bürger als natürlich auch die Unternehmen könnten damit viel besser umgehen.
Lenzing: Die Entmündigung des Bürgers und der Unternehmen muss aufhören. Man sollte sich auf die Stärken im Land besinnen und diese ausbauen. Wir können unsere Steuergelder auch für wohltätige Zwecke im Ausland verwenden, das ist auch wichtig und notwendig, um einen Beitrag zur Verbesserung von Infrastruktur und Bildung zu leisten, wir dürfen diese nur nicht so stark ausweiten wie in den vergangenen Jahren – es muss finanzierbar und umsetzbar bleiben – und gleichzeitig auch die Zuwanderung unkontrolliert und ohne Integration in den Arbeitsmarkt hochfahren, womit wir den Ländern ja indirekt auch helfen. Die Integration der Zuwanderer hat in den 50er und 60er Jahren hervorragend funktioniert, leider wurde an das damalige Erfolgsmodell nicht angeknüpft. Das muss irgendwie alles besser zusammenpassen. Wir können auch nicht sagen, dass wir mit unseren ziemlich starken Maßnahmen gegen den Ausstoß von CO2 die Welt retten. Das geht einfach nicht. Wir müssen da realistischer sein, auch bezüglich der Umsetzungszeit.