Bergneustädter Liedermacher-TagePrinzen-Sänger stellt neues Buch vor
Wiedenest – Irgendwann erklärt Sebastian Krumbiegel auch sein martialisches Outfit, eine Kampfjacke mit Tarnmuster. Anlass war die antisemitische Bluttat am Vortag. Die Morde von Halle seien „nicht vom Himmel gefallen“, sagte Krumbiegel. Der Rechtsextremismus sei ein deutsches und ein europäisches Phänomen. Unter Beifall warf er die Jacke zu Boden.
Im voll besetzten Martin-Luther-Haus hat Sebastian Krumbiegel sein erstes Buch vorgestellt: „Courage zeigen – Warum ein Leben mit Haltung gut tut“. Die Konzert-Lesung war der erste Act der sechsten Bergneustädter Liedermacher-Tage im Saal der evangelischen Kirchengemeinde, bei der sich Organisator Björn Lange für den „super Support“ bedankte. Der Ort war gut gewählt. Es war fast familiär, an Gruppentischen – so entstand die perfekte Atmosphäre für den Frontmann der „Prinzen“. Er war an diesem Abend wie ein Familienmitglied, das zu Hause von seinen Abenteuern und Träumen erzählt und singt.
Erster Act der Bergneustädter Liedermacher-Tage
„Ich schrob ein Buch!“, schmetterte Krumbiegel eingangs mit charmanter Selbstironie. Er habe den Text vor drei Jahren „ins Handy gehämmert“, und die Lektorin habe daraus ein richtiges Buch gemacht. Dann begann eine faszinierende Reise durch sein Leben. Der Sänger las ausgewählte Kapitel, wobei er oft nach wenigen Sätzen ins Plaudern kam.
Die Krumbiegels sind eine Leipziger Musikerfamilie, in der die Kinder von den Eltern Haltung lernen konnten. Der Sänger sagte, dass er als Jugendlicher eher den stillen Protest gegen das System gelebt habe. In seinen Schülertisch ritzte er: „Lenin ist in, aber ich lehn’ ihn ab.“
Als Musiker verstand er es, seine Meinung in scheinbar harmlose Worte zu fassen: „Ich bin der schönste Junge aus der DDR – aus unserer schönen DDR.“ Krumbiegel erinnert sich: „Das Publikum hatte sehr sensible Antennen“ für Anspielungen. Und der „Schönste“ spielte sein Lied wie vor 30 Jahren. Und hatte selbst einen Riesenspaß dabei.
„Der schönste Junge aus unserer schönen DDR“
Die Karriere schrieb er sich nicht selbst zu. Glück war nötig, und Ideal-Sängerin Annette Humpe, die die Prinzen nach Hamburg holte. Und dort lebt Udo Lindenberg, der sie mit auf Tour nahm. Udo war und ist der Held für Krumbiegel. Dessen Song „Rock’n’ Roll Arena in Jena“ durfte er damals vor 50 000 Leuten am Klavier begleiten.
„Soll ich noch lesen oder spielen?“, wollte Krumbiegel vom Publikum wissen. „Ich bin heute der Dienstleister!“ Er solle doch über den Thomanerchor berichten, wurde gewünscht. Darüber könne er nichts Negatives erzählen, trotz des Drills war es „wie eine permanente Klassenfahrt“. Er habe Bach in allen Registern gesungen, kenne jeden Ton, aber „nach Noten spielen kann ich nicht“. Weil er später gern mal die Texte verhunzte, warf man ihn aus dem Chor.
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Der große Prinz ist Raumfahrt-Fan seit Kindertagen und sang auch ein neues Lied über Astro- und Kosmonauten. Der Blick von außen auf die Erde habe ihn Vieles gelehrt. Im Jahr 2003 wurde Krumbiegel von einem Nazi überfallen und verletzt. Er berichtete von den Ängsten, die ihn danach quälten, aber auch von der Entschuldigung, um die ihn der Täter im Gefängnis bat. Krumbiegel nahm sie an, „damit es mir besser ging“, nicht weil er so ein guter Mensch sei.
Der Schläger sei inzwischen scheinbar unverändert wieder draußen, „vielleicht, weil ich ihm Absolution erteilt habe“. Dann stellte er sein „wichtigstes Lied“ vor: „Die Demokratie ist weiblich“. Beim Video haben viele seiner Freunde mitgemacht, von Iris Berben bis Dietmar Bär. „Schaut Euch das mal an! Ich bin ein bisschen stolz drauf.“ Im Refrain heißt es übrigens: „Ich will ein Leben lang auf dieser Barrikade stehn“.