Bergneustadts Kinder sind zu dick. Am Dienstag haben Kreis und Stadt einen neuen Ansatz vorgestellt, um gegenzusteuern. Vor allem niedrigschwellig soll er sein.
Zu viele KilosKreisprojekt sagt dem Übergewicht bei Bergneustädter Kindern den Kampf an
Der Nachwuchs im Dörspe- und im Othetal ist zu dick. Das ist keine böswillige Unterstellung, sondern amtliche Statistik. Demnach liegt die aktuelle Quote der Bergneustädter zwischen null und zehn Jahren mit Übergewicht deutlich über dem Durchschnitt der anderen Kommunen im Kreis. Genaue Zahlen wollte Kaija Elvermann, Leiterin des oberbergischen Gesundheitsamtes, am Dienstag zwar nicht nennen, „um die Bergneustädter nicht zu stigmatisieren“.
Kreis sieht Handlungsbedarf in Bergneustadt
Sie machte indes dreierlei deutlich: Über die Schuleingangsuntersuchungen beobachte der Kreis schlechte Werte der kleinen Bergneustädter bei Bewegung, Ernährung und Koordinationsgefühl schon seit 2008. Während der Pandemie habe sich die Situation stadtweit noch einmal deutlich verschlechtert „und zwar in der Fläche vom Hackenberg bis nach Wiedenest“. Jedenfalls habe der Anteil inzwischen eine Größenordnung erreicht, bei der der Kreis unbedingt Handlungsbedarf sehe.
Gegengesteuert werden soll mit einem Projekt unter dem Titel „Gesundes Aufwachsen in Bergneustadt“, das Kreis, die Stadt Bergneustadt und die gesetzlichen Krankenkassen in NRW gestern öffentlich gemacht haben. Letztere finanzieren das Vorhaben bis 2027. In einem ersten Schritt soll nach den Gründen für immer ungesundere Kinder geforscht und die Lebenswelt der Bergneustädter Jugend untersucht werden.
Ideen gibt es in Bergneustadt jedenfalls schon genug
Sind Bewegungsangebote weggefallen? Wurden Fußballteams aufgelöst? Stehen Sportstätten nicht mehr zur Verfügung? Ist die Bildschirmzeit beim Nachwuchs explodiert? Im neuen Jahr sollen dann konkrete Maßnahmen erarbeitet werden. Ideen gibt es bereits genug, von der Familien-Koch-Aktion bei der Tafel über Bewegungspausen in der Moschee bis hin zu Mitfahrbörsen zum Sporttraining. Allerdings: Welche Angebote in Bergneustadt Sinn machen, ist noch ungewiss. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, betont Elvermann.
Gemein wird allen Maßnahmen jedenfalls sein, dass sie von „Peers“ vermittelt werden sollen, also von Brückenbauern auf Augenhöhe. Dazu klappert Projektkoordinatorin Kübra Bidil bereits seit März Kitas, Jugendzentren und die Schulen, aber auch Vereine und Religionsgemeinschaften in der Stadt ab, um Freiwillige zu gewinnen. Wer Peer wird, übernimmt ein verantwortungsvolles Ehrenamt, für das der Kreis eine spezielle Schulung anbietet.
Unterstützung erhielten die Initiatoren bei der Vorstellung des Projektes von Barbara Hütt. Die Bergneustädter Kinderärztin berichtete aus ihrem Alltag und wünschte dem Projekt einen langen Atem und nachhaltigen Erfolg. Um den zu erreichen, müssten die Kinder allerdings in ihrem Lebensraum abgeholt werden. „Ein neues Bewusstsein für Ernährung muss in den Alltag der Kinder integriert werden. Und ohne ihre Eltern läuft sowieso nichts.“ Als negatives Gegenbeispiel benannte die Ärztin die Erfahrungen mit Kuren. „Viele Studien zeigen, dass die Kinder ein Jahr nach der Kur schwerer sind als vorher.“
Der Peer-to-Peer-Ansatz
„Mit dem erhobenen Zeigefinger werden wir bei dem Thema nicht weit kommen“, stellt Oberbergs Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach bei der Projektvorstellung am Dienstag fest. Gefragt seien vielmehr „Peers“ – also Menschen, die Eltern, die es nicht besser wissen oder wissen möchten – auf Augenhöhe begegnen. Den gleichen Ansatz, also nicht von oben herab, hatte der Kreis schon bei impfskeptischen Eltern und bei der Sensibilisierung für mehr Infektionsschutz in Kindergärten gewählt.