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InfoabendMehrheit der Bergneustädter will keine Mega-Windräder im Stadtgebiet

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Bergneustadts Bürgermeister Matthias Thul demonstriert das Größenverhältnis der neuen Windräder im Vergleich zu bestehenden Gebäuden

Größenvergleich: Bürgermeister Matthias Thul am Donnerstagabend mit maßstabsgetreuen Holzmodellen (v.r.) der Bergneustädter Altstadtkirche (48 Meter), des Windrades auf der Wörde (65 Meter), der Windräder in Piene (135 Meter) und der sechs geplanten Anlagen in Bergneustadt (250 Meter).

Eigentlich haben die Kommunen beim Bau von Windrädern keinen Einfluss. In Bergneustadt gibt es aber einen ziemlich seltenen Sonderfall.

Bund und Land wollen den Ausbau der Windenergie, deshalb ist die Lage rechtlich klar: Wo Gelände als Vorranggebiet ausgewiesen ist, Abstände und Windstärke stimmen und sich obendrein Landbesitzer und Windradbetreiber einig werden, wird man mit großer Sicherheit künftig kreisende Rotorblätter sehen. Die betroffene Kommune, geschweige denn die Anwohner, werden nicht gefragt – aus Berliner und Düsseldorfer Sicht ist das konsequent, denn wäre ein Votum vor Ort maßgeblich, würde wohl keine einzige neue Anlage gebaut.

Bergneustädter Meinung zu den Windrädern ist gefragt

In Bergneustadt gibt es nun aber einen Sonderfall: Wie berichtet, plant ein Investor auf dem Beulberg zwei und westlich der Belmicke weitere vier gewaltige Windräder, beide Gebiete sind nach aktuellem Stand des Regionalplans Vorranggebiete für Windenergie. Doch zumindest der Eigentümer maßgeblicher Flächen auf dem Beulberg hat im Rathaus angekündigt, seine Zustimmung zu einer Verpachtung von der Meinung der Bergneustädter über die beiden jeweils 250 Meter hoch geplanten Räder abhängig zu machen – eine beachtliche Entscheidung, angesichts eines lockenden Pachtzinses im fünf- bis sechsstelligen Bereich, wohlgemerkt pro Windrad und Jahr.

Bergneustädter hatten viele Nachfragen zur Technik der Windräder

Genau dieses Meinungsbild versuchte Bürgermeister Matthias Thul bei der Bürgerversammlung am Donnerstagabend im Krawinkelsaal auszumachen. Die Beteiligung war groß, rund 300 Menschen waren seiner Einladung gefolgt. Für die technische Expertise stand der Bioenergieforscher Peter Heck bereit – und Nachfragen hatte das Publikum durchaus einige, etwa zum Vogelschlag, zur benötigten Grundfläche eines solchen Windrades und zum Schattenwurf.

Über die Lautstärke und übliche Investitionssummen sagte Heck: „Rechnen Sie mit einer Million Euro pro Megawatt Leistung und mit dem Lärm einer Motorsäge in 700 Metern Entfernung.“ Laut Stadt sind Anlagen mit je sieben Megawatt vorgesehen. Heck klärte auch auf, warum Investoren zunehmend das 250-Meter-Modell favorisierten: „Oben ist der Wind stärker. Weht er doppelt so stark, wird die Leistung gleich verachtfacht. “

Oben ist der Wind stärker. Weht er doppelt so stark, wird die Leistung gleich verachtfacht.
Professor Peter Heck auf die Frage, warum moderne Windräder 250 Meter hoch sind

Heck räumte ein, dass ein Wertverlust der Anwohnerhäuser möglich sei, und dass das Leitungsnetz im Land noch nicht dafür ausgebaut sei, alle am Windrad erzeugte Energie zu transportieren – weshalb die Räder manchmal künstlich gestoppt werden müssten. Aber: „Bereits ab drei Umdrehungen pro Minute gilt ein Windrad als betriebswirtschaftlich effizient.“

Ein glasklares Meinungsbild gab es am Ende der Diskussion nicht. Mehrheitsfähig schien aber die Ansicht, die einmalige Chance zu ergreifen und die Windräder auf dem Beulberg zu verhindern. In der Sülemicke hat die Stadt die Hoffnung, über sich ändernde Abstandsflächen durch das Neubaugebiet Wiedenest-Süd – der Bebauungsplan soll am Montagabend verabschiedet werden – zumindest eines der vier Windräder kippen zu können. Hinsichtlich der drei übrigen will sie mit dem Investor verhandeln, um möglichst viel für die Menschen in Bergneustadt herauszuholen.


Zweites großes Thema der Versammlung war die Grundsteuer B, das Rathaus schlägt für 2025 einen Hebesatz von 1248 Prozentpunkten vor. Kern der Botschaft von Bürgermeister Matthias Thul: Die Stadt werde dadurch nicht mehr einnehmen, es bleibe bei den 5,7 Millionen Euro aus dem laufenden Jahr – die Zahllast verschiebe sich allerdings, was aber nicht an der Stadt, sondern an der neuen Grundstücksbewertung durch das Finanzamt liege. Für rund 80 Prozent der Bergneustädter Einfamilienhausbesitzer werde es teurer, aber für 60 bzw. 70 Prozent der Miet- bzw. Geschäftsgrundstücke günstiger.

Skeptisch ist Thul, was die durch Landesgesetz eingeräumte Option angeht, unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Gewerbeeigentum anzusetzen. Er rechne fest mit Klagen gegen das Gesetz, so der Bürgermeister. Kippe ein Gericht die Differenzierung, drohten der Stadt enorme Rückzahlungen. „Ich warne davor, dass wir zocken.“ Der Rat entscheidet am 4. Dezember.