Im Sommer 1953 entsteht die neue Siedlung an der Eichenstraße in Bergneustadt. Noch heute herrscht dort ein gutes Miteinander.
ErinnerungenBewohner der Bergneustädter Eichenstraße feierten 70 Jahren Nachbarschaft
Genau 23 Häuser, allesamt innerhalb weniger Monate errichtet und bis heute über unzählige Anekdoten miteinander verbunden – das ist die Eichenstraße im Bergneustädter Wiedenbruch. Im Sommer 1953 zimmern dort Menschen an ihrem Eigenheim, die der Krieg aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern und Böhmen an die Dörspe verschlagen hat.
Aber auch Ausgebombte vom Rhein und gebürtige Oberberger schwitzen entlang der von der Gemeinnützigen Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaft (Gewosie) geplanten Trasse für ihren Traum von den eigenen vier Wänden. Es wird gebuddelt, was das Zeug hält.
Die damalige Siedlerordnung sollte jeden zur Tierhaltung verpflichten
Den 70. Geburtstag ihrer Eichenstraße haben die Bewohner jetzt gefeiert – natürlich mit einem Straßenfest und einer ganzen Menge Erinnerungen, die die heutigen Siedler zum runden Geburtstag auch niedergeschrieben haben. Rund 60 Kurzgeschichten aus allen Jahrzehnten sind inzwischen bei Erhard Dösseler eingetrudelt.
Zusammen mit Inge Stahl und Marianne Achenbach hat Dösseler die Bauarbeiten als Kind erlebt, das Trio hat folglich die ältesten Rückblicke beigesteuert – und spart dabei nicht mit Stoff zum Schmunzeln.
So ist der Polier Paul gut im Gedächtnis geblieben, dessen Mauern umso gerader wurden, je mehr sich die Flasche mit dem Wermutschnaps leerte, oder auch die Quälerei an der selbstgebauten Holzschubkarre, mit der das bergische Gestein mühsam aus der Baugrube transportiert wurde. Da der Gewosie eine Straße mit weitgehender Selbstversorgung vorschwebte, formulierte die damalige Siedlerordnung zudem die Pflicht eines jeden Eichensträßlers zur Tierhaltung.
Nach anfänglichen Hühnern und Schweinen trieb es mancher Nachbar mit seiner Tierliebe aber so weit, dass die Bergneustädter Lehrer mit ihren Schülern Ausflüge in den „Zoo Eichenstraße“ unternahmen, um Kanarienvögel, Pfaue, Fasane und einen ausgewachsenen Rehbock zu bestaunen.
Natürlich haben in 70 Jahren auch viele Menschen die Eichenstraße verlassen. Vor zwei Jahren etwa starb die letzte Frau der Hausbauer-Generation, Kinder zog es beruflich weg, Menschen verkauften ihr Haus für eine seniorenfreundliche Wohnung näher im Zentrum. Zum jüngsten Straßenfest habe man aber auch alle ehemaligen Nachbarn eingeladen, betont Erhard Dösseler. Die weiteste Anreise nahm eine Frau auf sich, die inzwischen in Ungarn lebt.
„Die Siedler haben einander bis zur Fertigstellung der letzten Siedlerstelle nicht zu verlassen“, hieß es im allerersten Paragrafen der Siedlerordnung, die Dösseler aus dem Gewosie-Archiv gefischt hat. Ein großes Stück von diesem Zusammenhalt hat sich die Eichenstraße bis heute bewahrt.
Für die Zukunft ist jedenfalls gesorgt: Im Haus der Birkners etwa wächst gerade die fünfte Generation heran. Nur ausschweifende Tiersammlungen gibt es nicht mehr. „In den Schweineställen von damals parken heute die Autos“, verrät Erhard Dösseler lachend.