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Ausgleich zum KlassenzimmerArche-Hof Eckenhagen bringt Schülern Landwirtschaft näher

Lesezeit 4 Minuten

18 Lämmchen kamen auf dem Hof in Eckenhagen zur Welt. Einige muss Mirko Müller mit der Flasche großziehen.

Eckenhagen – Neugierig streckt Ziegenbock Karl den Kopf nach oben und beobachtet aufmerksam das Treiben um sich herum. „Karl ist bei den Kindern besonders beliebt. Deswegen konnten wir uns auch nicht von ihm trennen. Er ist schon zwölf Jahre alt“, erzählt Marius Blum. Gemeinsam mit Mirko Müller kümmert sich Blum um die vielen Tiere, die auf dem Hof in Reichshof-Eckenhagen ihr zu Hause haben. Dabei bekommen die beiden tatkräftige Unterstützung von vielen jungen Helferinnen und Helfern, denn der Hof ist ein Projekt des Fördervereins „Fliegende Bauten – Schulen in Arbeit“, ein gemeinsames Inklusionsprojekt der Gesamtschule Reichshof, der Förderschule St. Antonius und dem CJG St. Josefshaus.

Mirko Müller (l.) und Marius Blum bringen Schülern die Landwirtschaft näher.

Neben dem Unterricht im Klassenzimmer kommen die Kinder regelmäßig auf den Hof, um nach den Tieren zu sehen, diese zu füttern, zu pflegen und die vielen Seiten der Landwirtschaft kennenzulernen. Die Praxis macht das Projekt aus – für die Kinder ist die Arbeit auf dem Hof ein wöchentlicher, teils täglicher Bestandteil des Unterrichts. Der Hof trägt erkennbar die Handschrift der Schülerinnen und Schüler. Nistkästen, Insektenhotels, Hochbeete: „Hier ist vieles selbst gebaut. Einiges ist etwas schief, aber darauf kommt es nicht an. Es geht vielmehr darum, dass die Kinder sehen, was sie selbst geschaffen haben“, erzählt Marius Blum.

Eine ganz andere Freiheit

Der gelernte Tischler ist ausgebildeter Pädagoge, hat seine Schülerinnen und Schüler zunächst klassisch im Klassenzimmer unterrichtet. Das kann er sich heute nicht mehr vorstellen. „Den Kindern hier draußen praktisch etwas beizubringen ist eher mein Ding. Das ist eine ganz andere Freiheit“, erzählt der 32-Jährige. Mirko Müller nickt zustimmend, ihm geht es genauso.

Selbstgebaute Nistkästen auf dem Arche-Hof

Das besondere auf dem Hof: Hier leben ausschließlich vom Aussterben bedrohte Tierarten. So gehört beispielsweise Schafbock Rusty der seltenen Rasse der Coburger Fuchsschafe an. Sein Gehege teilt er sich mit einigen Pommerschen Landschafen. 18 Lämmer sind zuletzt zur Welt gekommen. Sogar eine seltene Drillingsgeburt war dabei. Nebenan zicken sich derweil die Thüringer Waldziegen an. Im Kampf um das Futter werden die Hörner eingesetzt. Dabei werden auch die erst vor drei Wochen geborenen beiden Ziegen nicht verschont. Ebenfalls auf dem Hof zu Hause: zwei Lehmkuhlener Ponys sowie Bergische Kräher, die älteste deutsche Hühnerrasse. „Wer den Hahn krähen hört, der weiß, woher der Name kommt“, sagt Müller und lacht. Die Eier werden mit Spannung ausgebrütet. Aber auch, dass Tiere geschlachtet werden, lernen die Kinder auf dem Hof – auch wenn das oft schwer fällt.

Im Vordergrund steht der Nachhaltigkeitsgedanke

Die Landwirtschaft haben sich Blum und Müller selbst angeeignet. Sie bezeichnen sich als Hobbyzüchter. Anfangs bekamen sie Unterstützung vom Vorgänger, der auf dem Hof, auf dessen Gelände zuvor eine Kompostieranlage angesiedelt war, seine Schafsherde abgestellt hatte. Das Grundstück, das im Besitz der Gemeinde ist, hat der eigens für das Schulprojekt gegründete Verein „Fliegende Bauten – Schulen in Arbeit“ gepachtet.

Fürsorge brauchen auch die Thüringer Waldziegen.

Im Vordergrund der Hofarbeit steht der Nachhaltigkeitsgedanke, der in die tägliche Arbeit einbezogen wird. „Für die Schüler ist das gerade ein sehr wichtiges Thema“, weiß Müller. Recycling, Artenvielfalt und vor allem Regionalität ist angesagt. So ist auf dem Hof auch ein eigenes Bienenvolk beheimatet. Der Honig wird in Zusammenarbeit mit einem Imker selbst geschleudert und auf Schulbasaren verkauft.

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Auch eigene Austernpilze und Champignons werden gezüchtet sowie Apfelsaft aus den Äpfeln der Obstbäume gepresst. 300 Liter kamen im vergangenen Jahr zusammen. In Kooperation mit dem kürzlich eröffneten Eckenhääner Lädchen werden beide Produkte nun dort verkauft. „Für die Kinder ist das natürlich toll, wenn sie mit ihrer Arbeit auch etwas verdienen und die Arbeit einen Sinn hat“, sagt Müller. Von dem Geld werden zum Beispiel Ausflüge unternommen.

Und auch die Landwirtschaftspflege geschieht mit Hilfe der Tiere. So werden die Schafe regelmäßig und in Kooperation mit Landwirten von Weide zu Weide umgesiedelt, auf denen sie das Gras abfressen, das sonst Maschinen mähen müssten. „Die Trockenheit macht uns zu schaffen. Wir sind immer weitergezogen und haben zum Glück eine geeignete Weide im Othetal gefunden, die uns ein Landwirt zur Verfügung stellt“, sagt Blum.

Einmal im Jahr kommt zudem der Schafscherer auf den Hof – ein Highlight für die Kinder. Aus der Wolle wird dann gefilzt. Dass die gemeinsame Hofarbeit wegen der Pandemie derzeit nicht möglich ist, fällt allen schwer. Längst ist sie für viele zu einem wichtigen Lebensinhalt geworden. Alle hoffen nun ganz fest auf ein baldiges Wiedersehen.