Kindesmissbrauch in LügdeSonderermittlerin sieht schwere Fehler beim Jugendamt
Hameln – Nach dem massenhaften Missbrauch von Kindern im lippipschen Lügde hat eine Sonderermittlerin dem Jugendamt im niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont schwere Fehler attestiert. Zwar kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass dem Landkreis kein strukturelles Versagen anzulasten ist. Eine ganze Reihe von fachlichen Fehlern habe aber dazu geführt, dass die Taten nicht verhindert werden konnten, heißt es in dem vom Landkreis in Auftrag gegebenen Bericht. Dieser soll am Donnerstag im Sozialausschuss des niedersächsischen Landtags vorgestellt werden.
Das Jugendamt in Hameln hatte einem der Haupttäter von Lügde trotz mehrerer Hinweise auf sexuell übergriffiges Verhalten die Pflegschaft für ein Mädchen übertragen. Mindestens vier Mal habe die Behörde in Hameln Hinweise auf die mangelnde Eignung des Pflegevaters sowie mögliche Pädophilie erhalten, denen nicht ordentlich nachgegangen wurden, heißt es in dem Bericht.
Zuständigkeiten aber wurden nicht geklärt, eine Risikoabschätzung unterblieb und Vorgesetzte wurden nicht informiert. Auch Hinweise auf den Kontakt des Pflegevaters zu weiteren Mädchen wurden nicht angemessen aufgegriffen.
Informationsaustausch spärlich
Vielfältig beschäftigten sich Behörden zwar mit der Situation, das belegen die von der Sonderermittlerin gesichteten Dokumente, es wurde aber lange Zeit nicht durchgegriffen. Es gab keinen ausreichenden Informationsaustausch im Jugendamt, Abläufe wurden nicht eingehalten und bei der Zusammenarbeit mit Behörden im angrenzenden Nordrhein-Westfalen hakte es.
Die Mutter wurde nach Einschätzung der Sonderermittlerin nicht ausreichend einbezogen und die Inaugenscheinnahme des Kindes nicht im nötigen Umfang vorgenommen oder dokumentiert. Deutliche Kritik gab es an der Aktenführung, die als eine der Fehlerquellen ausgemacht wurde.
Zusammenarbeit zwischen NRW und Niedersachsen bemängelt
Optimiert werden muss laut dem Bericht die Zusammenarbeit über die Grenzen der Bundesländer hinweg sowie mit dem Familiengericht und der Polizei. Als Sonderermittlerin hatte die ehemalige Stadträtin aus Salzgitter, Christa Frenzel, den Bericht erstellt.
In Nordrhein-Westfalen versucht ein Untersuchungsausschuss des Landtags weiter aufzuklären, wie es zu dem hundertfachen Missbrauch von Kindern auf einem Campingplatz in Lüdge kommen konnte, ohne dass Behörden auf die kriminellen Vorgänge aufmerksam wurden. Im Mittelpunkt steht das Leid des kleinen Mädchens, das vom Jugendamt in Hameln zu einem Pädokriminellen auf den Campingplatz gegeben worden war. Da der Mann im lippischen Lügde lebte und die Kindsmutter in Niedersachsen, waren zwei Jugendämter über die Landesgrenzen mit dem Fall beschäftigt.
Der niedersächsische Landtag will unterdessen mit einem Sonderausschuss die Rolle des Jugendamts Hameln-Pyrmont untersuchen. Dabei geht es darum, Konsequenzen und Lehren aus dem Fall zu ziehen, insbesondere bei den Behörden der Jugendhilfe.
Anders als bei einem Untersuchungsausschuss wie in Nordrhein-Westfalen geht es bei einem Sonderausschuss nicht um individuelles Fehlverhalten sondern darum, das System der Jugendhilfe insgesamt zu verbessern. Der Hamelner Landrat Tjark Bartels (SPD), der in der Folge des Missbrauchsfalls unter Druck geriet und sich Anfeindungen ausgesetzt sah, war später bereits aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten.
Das könnte Sie auch interessieren:
Im Herbst 2019 hatte das Landgericht Detmold im Missbrauchsfall Lügde zwei Männer zu langjährigen Haftstrafen und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Sie hatten auf dem Campingplatz an der Landesgrenze zu Niedersachsen 32 Kinder jahrelang schwer sexuell missbraucht.
Seit Anfang September muss sich vor dem Landgericht Göttingen ein 49-Jähriger wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten. Es handelt sich um einen Bekannten des Haupttäters von Lügde. (dpa)