AboAbonnieren

Ferienjob in den AlpenLeverkusener Reporterin als Helferin im Bergeinsatz

Lesezeit 4 Minuten

Wo die Hänge zu steil sind für Maschinen, muss die Heuernte noch in Handarbeit erledigt werden. Ein anstrengendes Geschäft.

  1. Tausche Notizblock und Stift gegen Erntemaschine und Stiefel: Unsere Reporterin war in den Alpen als freiwillige Hilfskraft eines Bergbauern im Einsatz.
  2. Im Haushalt helfen, Heu ernten, Unkraut bekämpfen: Sie schildert, wie es war, auf einer Alm mitten in den Bergen zu arbeiten.

Leverkusen – Im Winter steht Thomas Eberli morgens um viertel nach vier auf, um sich um die Rinder in der Scheune zu kümmern. Zweimal am Tag müssen die Kühe gemolken werden, dazwischen sollten etwa zwölf Stunden liegen. „Im Winter bin ich gerne früh wach“, sagt der Landwirt. Eberli wohnt mit seiner Frau Heidi und den gemeinsamen sechs Kindern auf einem Bergbauernhof oberhalb vom Isenthal am Vierwaldstättersee in der Schweiz. Fast 14 Jahre liegen zwischen dem ältesten Sohn Sandro und der 14 Monate alten, jüngsten Tochter Jasmin. Auf 1100 Metern Höhe liegt ihr Zuhause, das man entweder durch eine Wanderung oder mit der Fahrt in einer Korbseilbahn erreicht.

Hilfskräfte in der Höhe

Der Hof der Eberlis ist mein Einsatzort für eine Woche und Teil des Programms „Bergeinsatz“ der Caritas Schweiz, das den Bergbauern freiwillige Hilfskräfte vermittelt. Freiwillige arbeiten mit und erhalten im Gegenzug Unterkunft und Verpflegung und einen authentischen Einblick in den Alltag der Höfe. Im Haushalt helfen, Heu ernten, Unkraut bekämpfen – beziehungsweise Beikraut, wie es eigentlich heißen sollte, sagt Thomas – und Kinderbetreuung waren meine Aufgaben bei den Eberlis.

Was möglich ist, wird auf dem Bergbauernhof der Eberlis hoch über dem Vierwaldstätter See selbst produziert. Unsere Reporterin Marie Welling hat die frischen Eier aus dem Hühnerstall geholt.

Die Wildblumenwiese, wie sie in den Städten heiß beliebt und mit Müh und Not erschaffen wird, wächst auf 1100 Metern direkt hinter dem Haus. Rund siebzehn Orchideenarten, Arnika, Ringelblumen, Schafgarbe und viele andere Kräuter stehen dort zwischen dem satt grünen Gras. Pflanzen wie Wiesen-Kerbel sieht Thomas weniger gerne, da dieser schlecht trocknet und daher für Heu ungeeignet ist.

Mit dem Messer schneiden wir die Pflanzen ab, alles von Hand, denn: Seine Wiesen möchte Thomas nur im absoluten Ausnahmefall mit Chemikalien bespritzen. Ist das Gras lang genug und stimmt das Wetter, wird es im Sommer ein bis drei Mal geschnitten. Wegen der Steigung muss viel von Hand gemacht werden – die Landschaft ist für Maschinen häufig zu steil.

Sense und Rechen sind hier alltägliche Werkzeuge, mit denen die Kinder schon früh lernen umzugehen. Vom Zusammenrechen des geschnittenen Grases bekommen meine verwöhnten Stadthände sofort eine Blase am Daumen und ich merke schnell, dass der Alltag hier kein Zuckerschlecken ist.

In der Korbseilbahn geht es aus dem Tal hinauf zum Bergbauernhof in 1100 Metern Höhe. 

Wir arbeiten fast einen Tag an einer Fläche, für die eine Landwirtschaftsmaschine im Flachland etwa zwei Stunden bräuchte, meint Heidi. Gegen die riesigen Flachland-Betriebe seien die Bergbauernhöfe wenig konkurrenzfähig. „Wären die Subventionen nicht, könnten die Bergbauern direkt einpacken“, erzählt mir Thomas. Auch Heidi und die Kinder helfen bei der Heuernte mit. Die 14 Monate alte Jasmin ist überall mit dabei und spielt im Laufstall auf der Wiese, während die anderen arbeiten.

Immer viel zu tun

„Wir haben immer viel zu tun, deswegen sind wir auch froh, dass es das Caritas-Programm gibt“, sagt Heidi. Um insgesamt 17,5 Hektar Land kümmert sich Thomas gemeinsam mit dem Rest der Familie. Arbeit gibt es immer. Im Frühjahr kommen die Rinder auf die Alm weiter oben, wo sie bis September bleiben. Insgesamt 23 Rinder gehören zum Hof der Eberlis, zudem vier Ziegen, 20 Hühner und drei Katzen. Im Winter gebären die Kühe etwa 17 bis 20 Kälber, die als Schlachtkälber verkauft werden. „Das Weihnachtsgeschäft ist am interessantesten, da die Menschen zu Weihnachten gerne etwas Edles essen“, erklärt Thomas.

Das Fleisch geht in die Gastronomie, daher müssen die Tiere genügend Raum im Stall zur Verfügung haben sowie ein gewisses Alter, Gewicht und Größe erreicht haben, bevor sie verkauft werden. Auch die präventive Verabreichung von Antibiotika ist nicht erlaubt. „Hier im Berggebiet ist Massentierhaltung gar nicht möglich“, sagt Thomas.

Auch die Ziegen wollen gehütet sein. Die Kinder der Familie Eberli sind mit im Alltag eingespannt.

Bei der Familie selber gibt es nur das Fleisch aus eigener Herstellung zu essen. Die Wertschätzung und das Verhältnis zum Tier sind ein anderes und im Falle einer Notschlachtung auf dem Hof helfen auch die Kinder bei der Verarbeitung des Fleisches mit. „Bei uns wird alles verwertet, nichts wird weggeschmissen“, erklärt der Landwirt.

Schweres Schwyzerdütsch

Ich lerne vieles in der kurzen Woche und komme mir manchmal vor, wie ein Reh das Laufen lernt. Während die siebenjährige Carmen und ihre Brüder die steilen Berghänge vor mir in rutschigen Gummistiefeln hoch hechten, versuche ich auf wackeligen Beinen Schritt zu halten. Was ich nicht lerne, ist das immer so nett klingende „Schwyzerdütsch“. Häufig verstehe ich nur einen kleinen Bruchteil dessen, was die Geschwister beim Mittagessen diskutieren. Die Frage „Verstehst du Dialekt?“ ist allgegenwärtig in meinen ersten Begegnungen mit den Schweizern und musste von mir stets etwas beschämt verneint werden.

Nur selten in Urlaub

Das Leben der Bergbauernfamilie ist außergewöhnlich und wenig zu vergleichen mit einem Leben im Flachland und in der Stadt. Urlaube sind nur sehr selten möglich, denn es muss stets jemand vor Ort sein, der sich um Hof und Tiere kümmern kann.

Woanders zu leben, kann sich Heidi, die schon auf einem Bergbauernhof aufgewachsen ist, trotzdem nicht vorstellen. „Wir haben uns das hier ja aufgebaut“, sagt sie. Momentan gebe es unter den Kindern noch Dispute, wer später den Hof übernehmen darf. „Vielleicht sieht das aber auch in zehn Jahren anders aus. Ich zwinge niemanden, alle sollten das lernen, was sie möchten“, findet Thomas.