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Leverkusener JazztageDie Künstler spielen – und die Musik bahnt sich ihren Weg

Lesezeit 3 Minuten

Junger Zukunftsstar an der Violine: Sandro Roy.

Leverkusen – „Didn’t we?“ säuselt Nils Landgren ins Mikrofon, weil er – Alter Schwede! – nicht nur an der Posaune einer der größten europäischen Jazzmusiker ist, sondern auch verdammt gut singen kann. Und dieser Titel – frei übersetzt mit „Nicht wahr?“, „War es nicht so?“ oder „Stimmt doch, oder?“ – zu einem Song über eine zwar leidenschaftliche, aber doch kurz vor knapp bittersüß und tragisch-schön gescheiterte Liebschaft passt wie gemalt auf die derzeitige Situation der Kulturmacher im Lande: Haben wir nicht alles gegeben und alles getan – nur um jetzt doch wieder mit leeren Händen dazustehen? Verflixte Schwermut. Verflixte Tiefe der Musik. Sie kriegt einen doch immer wieder und spricht Wahres aus.

Losgelöst von allem

Aber genau deshalb ist auch dies wahr: Dass dieser Jazztage-Mittwoch beweist, wie losgelöst von allem drumherum Musik funktionieren kann. Notfalls eben auch ohne Live-Publikum vor der Bühne. Dafür sind diese beiden Schweden - Landgren und sein Piano-Partner Jan Lundgren, die zuletzt gemeinsam das tief berührende Album „Kristallen“ aufnahmen - der beste Beweis. Weil sie sowohl vor Ort für einen leeren Saal als auch für die nachweislich paar Hundert Zuschauer vor den Monitoren daheim, die per Stream zugeschaltet sind, das Maximum an Emotion herausholen mit ihren kitschlosen, überragenden Balladen in Moll und selten Dur.

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Und weil nicht zuletzt auch der dritte Künstler im Bunde an diesem Abend auf die Leere vor ihm pfeift und derart über seine Violine streicht, als säßen da 1000 gebannt und am Ende ganz sicher überwältigt applaudierend vor ihm: Sandro Roy. Der junge Musiker hat schon ein paarmal auf der Bühne des Erholungshauses gestanden, wird er doch von der Bayer-Kultur im Rahmen des Nachwuchsprogrammes „StART“ gefördert. Und einmal mehr zeigt er, warum das so ist: Roy versteht es spielend leicht aber mit schwerer Verve, von Jazz auf Folk auf Gypsy-Style auf Pop auf „Wer weiß, was sonst noch“-Musik umzuschalten. Hin. Und wieder her. Begleitet von einer Band, die ihm zu Diensten agiert und weiß, wie sie Roy als Chef im Ring der Begnadeten inszenieren und ihm den gebührenden Platz einräumen kann.

Coup der Bayer-Kultur

Diejenigen, die sich ins Internet eingewählt und zugeschaltet haben, können erahnen, was für ein Coup den Verantwortlichen der Bayer-Kultur mit der Einreihung dieses Musikers ins eigene Künstler-Kollektiv gelungen ist. Um das zu erkennen, muss niemand vor der Bühne sitzen oder stehen. Was der nächste Beweis wäre: So traurig das ist mit dem Aussperren der Menschen wegen eines Virus – Musik bahnt sich ihren Weg und klingt überall toll, wenn sie schlichtweg toll gemacht und gespielt ist.