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Leverkusener Horrorpunk-Band„The Other“-Sänger erklärt, warum Verkleidung wichtig ist

Lesezeit 7 Minuten

Die Leichlinger Band The Other veröffentlichen mit „Casket Case" ihr siebtes Album. Auf dem Bild zu sehen sind von links nach rechts: Doc Caligari – Pascal Neuhaus (Drums), Ben Crowe – Ben Pyko (Gitarre), Rod Usher – Thorsten Wilms (Vocals), Patrick Blankenheim – Pat Laveau (Gitarre), Christian Görke – Chris Cranium (Bass).

LeverkusenThorsten, „Casket Case“ ist bereits das siebte Album von The Other. Die Band ist in ihrem Genre, dem stets mit einem Augenzwinkern versehenen Horrorpunk, weltweit führend. Dennoch blieb der ganz große Wurf bislang stets verwehrt. Drängt die Zeit?

Es stimmt schon. Und es macht mich auch ein Stück weit traurig, dass wir bislang nie eine richtig große Chance bekommen haben. Es ging jahrelang zwar immer stetig nach oben für uns. Aber jetzt müsste eben mal so ein Glücksfall kommen. Der Glücksfall, dass ein großer Künstler uns auf Tour mitnehmen möchte, um die nächste Stufe zu erreichen. Die Ärzte. Die Toten Hosen. So etwas. Außerdem müssen die Hörer mitspielen, damit wir weiter existieren.

Das Cover des neuen Albums „Casket Cade“

Sie müssen The Other fleißig mit dem Kauf des neuen Albums unterstützen?

Richtig. Es ist ja so: Die Leute machen sich häufig kein Bild davon, wie sehr man als Musiker von ihnen abhängig ist. Die haben alle ihre Spotify-Abos im Internet und laden Musik herunter. Aber: Als Band kannst du nunmal nicht vom Streaming leben. Da müssen die Leute vielmehr das Album als CD oder Schallplatte kaufen, ein Konzertticket erwerben – und am besten noch ein T-Shirt dazunehmen. Sonst funktioniert das heutzutage nicht mehr. Für uns ist das jetzt schon eine „Alles oder nichts“-Situation. Nach dem Motto „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Unser Label unterstützt uns zum Glück unheimlich und sagt: „Eigentlich müsstet Ihr ganz woanders stehen.“ Wir haben entsprechend viel Arbeit in die Präsentation unseres neuen Albums gesteckt. Das kommt ja unter anderem als Box in Sargformat raus. Und das ist doch wertig! Irgendwann hast du in Zukunft dann etwas in der Hand und denkst: „Was für geile Zeiten das waren.“ Das hast du eben nicht, wenn du nur Daten auf dem Computer hast.

Wäre es für The Other denn eine Alternative, das Make-up abzulegen, um vielleicht noch mehr Menschen – und eben auch diejenigen, die mit Horror nichts anfangen können – anzusprechen?

Ich weiß nicht. Klar, einerseits ist Horrorpunk bei manch einem negativ behaftet. Da heißt es dann: „Da ist das Wort „Punk“ drin? Da höre ich nicht rein. Und „Horrorpunk“? Das sind doch diese Schranzkapellen aus dem Keller, die nicht spielen können und Clown-Weiß im Gesicht haben.“ Also müsste man vielleicht wirklich mal überlegen, ob man sich überhaupt noch an so einem Genre festmacht und nicht sagt: „Verdammt, egal jetzt. Wir versuchen es mal ohne Kostümierung und sind einfach nur noch eine normale Rockband.“ Aber andererseits ist es doch so: Wenn wir jetzt das Make-up abnehmen, dann sind wir eben genau das: nur eine punkrockige Band wie viele andere auch. Die Maskerade ist einfach ein Alleinstellungsmerkmal, das uns viel ermöglicht. Das ganze Drumherum – Comics, Videoclips – leitet sich davon ab. Wenn man einfach nur in Jeans und T-Shirt auf der Bühne steht, dann sind die Möglichkeiten viel begrenzter. Dann bin ich nicht mehr Rod Uscher, sondern nur der Thorsten von nebenan und singe über die Dinge von nebenan.

Das neue Album geht zumindest schonnmal den Weg hin zu mehr Pop-Appeal. Es klingt weniger krawallig als früher.

So ist es. Es ist zugänglicher. Der Sound ist wärmer, rockiger. Nicht mehr so beißend.

Woran liegt das? An dem Wunsch, mehr Menschen anzusprechen?

Neues Album als Deluxe- Sargbox erhältlich

The Other, gegründet 2002 unter anderem von Sänger Thorsten Wilms (alias Rod Usher) in Leichlingen und benannt nach einem Fachbegriff Sigmund Freuds („Das Andere“) als Bezeichnung für die Ängste von Menschen, die als Geistermasken Eingang in die Kunst finden), veröffentlichen mit „Casket Case“ am kommenden Freitag, 20. Oktober, bereits ihr siebtes Studioalbum. Die Platte ist als CD, „Deluxe- Sargbox“ und Vinyl überall erhältlich.

Das Video zur Singleauskopplung „Dead And Gone“ wurde auf dem Gelände des Naturfreundehauses in Leichlingen gedreht.

Am Dienstag, 31. Oktober (Halloween), spielen The Other bei der „Hell Night“ in der Kölner Live Music Hall.

Eintrittskarten dazu sind an allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich. (frw)

www.theother.de

Nein. Für mich muss eine Gitarre ganz einfach nicht mehr in den Hörgängen wehtun. Sie muss einfach nur fett und breit klingen und Wumms haben. Das ist auch eine Frage der Qualität. Und diesen Qualitätsschub kann man am ehesten an den neuen Musikern festmachen: Unsere beiden Gitarristen, die in den vergangenen Jahren zur Band stießen, sind einfach hervorragend. Sie haben uns auf ein neue Stufe gehoben. Da schreibt man dann eben nicht mehr Songs, in denen jemand seine drei Akkorde runterschrubbt. Nein: Da ändert sich die ganze Musik. Sie wird songdienlicher.

Was kommt Dir in den Sinn, wenn Du heute, beim mittlerweile siebten Album, an die Anfangstage von The Other zurückdenkst?

Mir geht das Herz auf, wenn ich höre, was die Jungs heutzutage teilweise spielen und ich denke in solchen Momenten: „Krass, das sind wirklich wir!“ Ich hätte mir nie träumen lassen, mal auf so einem Level zu agieren. Wir habe die Band ursprünglich ja nur gegründet, um Musik aus dem Bauch zu machen. Ohne groß nachzudenken. Einfach nur runterschrammeln. Aber heute bewegen wir uns auf dem Niveau von Bands, die international erfolgreich sind. Es ist Wahnsinn, was uns da gelungen ist. Jetzt muss es die Welt eben nur noch erfahren. Wobei ich betonen möchte: Ich bin auf alle unsere Alben stolz!

Ist die aktuelle Besetzung die beste aller Besetzungen von The Other?

Da muss ich vorsichtig sein... Immer wenn ich dazu etwas gesagt habe in der Vergangenheit, ist einer ausgestiegen. Das ist wie ein Fluch.

Hört sich dramatisch an.

Nun ja: Es ist eben schwer, eine Band am Leben zu halten. Eine Band erfordert sehr viel Engagement, Zeit und Geld. Und wenn da monetär nicht genug zurückkommt, um die Miete zu zahlen, dann sagt natürlich schnell mal jemand: „Ich steige aus. Ich entscheide mich für Familie und Job und mache ein bisschen Musik nebenbei im Proberaum und im Jugendzentrum.“ Und das passt dann nicht zu The Other. Wir haben nach wie vor den Anspruch, international zu touren und finden das auch super. Und hier kommen wir zur aktuellen Besetzung. Bei der ist es nämlich so, dass die Musik für jeden von uns Priorität genießt. Das Motto ist: „Geld wird verdient, um Musik zu machen. Den Rest finanziert das Leben.“ Und ich hoffe, das in dieser Konstellation noch lange weitermachen zu können. Denn in den vergangenen Jahren war das ja ein wahres Personal-Karussell bei uns. Das hatte uns zwischenzeitlich so weit gebracht, dass wir die Band fast aufgelöst hätten.

Wäre ein Ende denn denkbar?

Wenn das mit dem neuen Album nichts werden sollte, dann müsste man das sicherlich in Betracht ziehen. Denn so ein Album kostet Geld. Und wenn keiner ein Album kauft, dann kann man eben irgendwann kein neues Album mehr machen. Dann gibt es fast keine Berechtigung mehr, die Band am Laufen zu halten. Denn ständig nur die alten Songs runterzuspielen – das kann es nicht sein. Aber ich bin optimistisch, denn: Wir spielen regelmäßig vor 300, 400 Leuten. Am Wochenende auch mal vor 500. Wir waren in den USA und traten in Hollywood und Denver vor jeweils 300 Fans auf, die uns abfeierten. Wir hatten in Wacken 20 000 Zuschauer im Zelt. Das war Wahnsinn! Beim Mera-Luna-und dem Amphi-Festival kamen die Leute ebenfalls zu uns. Sprich: Egal wo – wir ziehen die Menschen. Die kennen uns und wollen uns sehen. Und gerade auf den Festivals entsteht ein echter Hype um uns. Jetzt müssen wir eben nur schauen, das auch mal bei einer Tour hierzulande hinzubekommen, bei der wir Headliner sind. Und zwar regelmäßig. Denn es gibt ja neben diesen tollen Konzerten auch jene Abende unter der Woche, an denen beispielsweise in Kaiserslautern nur 60 Zuschauer kommen.

Woran liegt’s?

Am Geld: Die Goth-Mädchen sind immer da. (lacht) Aber die älteren Hörer fahren heutzutage eben einmal im Sommer zu einem Festival, gehen im Herbst vielleicht noch mal zu Metallica oder AC/DC – und haben dann ihr Geld ausgegeben und sagen: „Hey, ich war ordentlich rocken in diesem Jahr! Das langt aber jetzt!“ Dass die Clubszene dadurch ausstirbt, interessiert sie nicht.