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Leverkusener GrundschülerDie Sehnsucht nach der Schule

Lesezeit 3 Minuten

Die Trauminsel von Antonia (Klasse 3).

Leverkusen – „Ich vermisse die Schule sehr“, schreibt Tara in ihrem Brief an den Oberbürgermeister. Die Neunjährige will nicht nur jammern sie hat auch direkt einen Vorschlag parat: „Es wäre doch besser, wenn sich jeder testen lassen würde. Man könnte es wie bei den Wahllokalen machen, wo Mama und Papa immer wählen gehen. Die Kranken bleiben dann Zuhause, vielleicht würde es so gehen. Damit wir Kinder bald wieder in die Schule dürfen.“

In einem Gedicht hat Simeon aus Klasse 4 seine Gefühle verarbeitet

Den Brief hat Tara an ihre Schule, die Theodor-Fontane-Grundschule in Wiesdorf geschickt. Rektorin Judith Braun hat ihn an das Rathaus weitergeleitet und auch bald eine Antwort bekommen, in der der Oberbürgermeister die aktuelle Situation kindgerecht erklärt. Es ist einer von vielen Briefen, die täglich in der Schule ankommen. Auch wenn nun offiziell die Osterferien begonnen haben, bleibt die Schule für die Kinder offen, die in der Notbetreuung sind. Ihre Eltern gehören vor allem medizinischen Berufen an und sind daher unabkömmlich. Etwa zehn sind es, von sonst 240 Kindern. Diese werden nur in Gruppen von bis zu fünf Kindern betreut, die nicht durchgemischt werden.

Charlotte aus Klasse 1 meint: SOS heißt Schule ohne Schüler

„Für uns ist es schön zu sehen, wie viele Briefe, Basteleien und Grüße auch abseits der zu bearbeitenden Hausaufgaben hier eintreffen“, sagt die Rektorin. Gerade für Grundschulkinder sei die Schule offensichtlich kein notwendiges Übel. „Die haben noch richtig Bock auf Schule“, so Braun.

Umso schwerer fällt ihnen der aktuelle Verzicht. Braun gibt einen Einblick, was die Schule alles tut, um den Kontakt zu den Kindern zu halten und die Zeit der Schulschließung sinnvoll zu nutzen. Zu den eingereichten Lernaufgaben bekommen die Schüler von ihren Lehrern persönliche Rückmeldungen. „Es ist wichtig für die Kinder zu sehen, dass sie nicht für die Tonne lernen, sondern ihr Lehrer für sie da ist und sich kümmert.“ Auch bei den Lehrern führe die positive Rückmeldung zu einer großen Zufriedenheit in der schwierigen Situation – und zu einer gesteigerten Bereitschaft dazu, sich mit Online-Lernmethoden zu beschäftigen. Für viele Eltern sei die Situation eine große Herausforderung, weil Grundschüler zumeist noch nicht selbstständig genug sind, um die Aufgaben ganz alleine zu bewältigen.

„Viele Eltern arbeiten ebenfalls im Homeoffice und haben nicht viel Zeit, andere haben technische oder sprachlich Probleme“, erklärt Braun. Deswegen stehen einige Lehrer als Ansprechpartner für technische Fragen zur Verfügung. Für die Kinder, deren Eltern nicht gut Deutsch sprechen, gibt es individuelle Aufgabenblätter und Unterstützung. Auch eine Sprechstunde mit der Schulsozialpädagogin ist eingerichtet.

Briefe an Seniorenheime

Unterricht findet auch in der Notbetreuung nicht statt, die Kinder lernen dennoch viel. „Vergangene Woche haben wir ganz viele Briefe an Senioren in Altersheimen geschickt“, berichtet Braun. Eine 84-Jährige hätte auch direkt geantwortet. Soziale Verantwortung, Verständigung zwischen den Generationen. Auch die Kinder zu Hause bekommen neben den Arbeitsblättern eher ungewöhnliche Aufgaben: Das Experiment der Woche, das mit Haushaltsutensilien zu bestreiten ist, eine sportliche Rallye von der Haustür aus („Gehe 50 Schritte geradeaus und mache dann fünf Hampelmänner“), die Aufgabe, Geschwistern vorzulesen. Der Wettbewerb der „Fontane-Insel“ soll dazu anregen, sich über die Isolation Gedanken zu machen und künstlerisch dazustellen, was man auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Der Viertklässler Simon hat seine Gedanken gar in ein Gedicht gepackt.

Einige Eltern habe schon den Wunsch geäußert, diese Aufgaben auf freiwilliger Basis in den Osterferien fortzuführen. Schließlich fallen auch Feriencamps, Urlaube und Ausflüge aus. „Dem Wunsch kommen wir nach“, verspricht Braun. Außerdem arbeitet sie an einem Notfallplan für den Fall, dass die Schule nach den Osterferien nicht wieder öffnen kann. Was keiner hofft, am wenigsten die Kinder, die ihre Schule vermissen. Und auch Braun sagt: „Schule mit vielen Kindern ist viel schöner.“