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Behörde handelt korrektLeverkusener Amt teilt Stalker Adresse seines Opfers mit

Lesezeit 4 Minuten

Das Ehepaar Nemec besieht sich die Dokumente ihres Stalking-Falls.

  1. Eine junge Leverkusenerin lernte ihren Stalker bei einem Achtsamkeits-Kursuskennen.
  2. Auf Facebook-Nachrichten folgte schließlich auch ein massiver Eingriff in ihr Privatleben.
  3. Mitverantwortlich für den Erfolg des Stalkers: Eine Meldebehörde.

Leverkusen – Ausgerechnet die Leverkusener Meldebehörde hat einem Stalker die Adresse einer Frau verraten, die von ihm schon wochenlang belästigt wurde. Das Unglaubliche daran ist aber: Die Behörde handelte vollkommen korrekt.

Agnes Nemecs (24, Name geändert) Problem entstand bei einem Achtsamkeits-Kursus. Den hatte ihr ein Arzt verschrieben, damit sie etwas mehr Innere Ruhe finden sollte. In dem kurzen Lehrgang sollte eine kleine Gruppe etwas Yoga und ein paar Entspannungstechniken lernen.

Während einer Schweige-Übung muss der Stalker sein Opfer Agnes „entdeckt“ haben, denn er habe sie an diesem Tag so unangenehm angestarrt, dass die nach einiger Zeit das Weite gesucht habe, sagt sie. „Ich habe das der Kursleiterin erzählt“, sagt sie. Die Leiterin habe daraufhin den starrenden 100-Kilo-Mann noch ein wenig bei sich behalten, bis Agnes in Richtung ihres Zuhause verschwunden war, ohne dass der Mann sie verfolgen konnte.

Kontakt per Facebook

Ihre E-Mail-Adresse hatte er da aber schon und wusste auch, wie Agnes heißt. Zuerst schickte er E-Mails an die verheiratete Frau und kontaktierte sie auf Facebook. „Wir können ja mal was quatschen“, „zum Kaffee treffen“, so lauteten die Versuche, die die junge Frau alle im Keim zu ersticken versuchte.

Agnes Nemec und ihrem Mann wurden die Mails und Postings auf Facebook schon bald sehr unangenehm und auch unheimlich, weil der Mann noch im Achtsamkeitskreis davon gesprochen haben soll, dass er unter einer Psychose leide. Menschen unter Psychose leben oft in ihrer eigenen Realität.

„Wir konnten einfach nicht einschätzen, was passieren würde“, sagt Agnes. Es war wie eigentlich immer bei Stalking-Fällen: Alle Versuche, den Kontakt zu unterbinden, schlugen fehl. Kaum war er auf Facebook blockiert, richtete er ein falsches Profil ein. Ein Versuch des jungen Paars, in der Stadtverwaltung die eigene Adresse sperren zu lassen, war nicht so einfach möglich. Dazu, sagte man ihr, müsse sie nachweisen, dass sie tatsächlich in Gefahr sei.

Maibaum vor dem Haus in Leverkusen

Die Angst, dass der unberechenbare Stalker doch noch die Adresse herausbekommen könnte, war groß. Der Ehemann nahm die Sache selbst in die Hand und machte einen Hausbesuch mit eindringlicher Ansprache beim Stalker – ohne nachhaltigen Effekt. Auf einer Polizeiwache bekam sie keinen brauchbaren Rat. „Die wirkten unerfahren“, sagt Agnes Nemec.

Am 1. Mai bekam der Fall eine neue unheimliche Wendung: Ein Maibaum vorm Haus der Paares belegte, dass der Mann aus der Achtsamkeitsgruppe an die Adresse gekommen war. Agnes Nemec: „Ich war jetzt kurz vorm Zusammenbruch.“ Es folgte ein Päckchen.

Eine Nachfrage des Ehepaars bei der Verwaltung ergab: Die Stadtverwaltung hatte dem Mann eine Melderegisterauskunft erteilt. Die Familie von Agnes Nemec ist über die Behörde entsetzt: „Wieso wird man eigentlich nicht vorher gefragt, ob dieser oder jener meine Adresse bekommen darf?“

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Die Antwort steht im Bundesmeldegesetz, an das sich das Leverkusener Amt gehalten hat. Demnach darf die Behörde jedem auf Antrag Namen und Anschriften verraten. Oft wollen Inkasso-Anwälte über diesen Weg Adressen von Schuldnern finden. In Leverkusen kostet das elf Euro Gebühren. Voraussetzung ist, dass es nicht mehrere Gesuchte gleichen Namens in der Stadt gibt.

Auskunftssperre ist möglich

Es sieht also so aus, als sei Agnes Nemec bei ihrem Problem einfach nur nicht gut genug informiert worden. Petra Lindemann vom Ordnungsamt sagt, es sei „furchtbar, was passiert ist“. Und: „Hier wäre eine Auskunftssperre das Mittel der Wahl gewesen. Dafür reicht ein ärztliches Attest, in dem steht, dass man sich bedroht fühlt.“ Wer schon eine Anzeige gestellt habe und sich bedroht fühle, könne bei ihr natürlich auch einfach eine Sperre erwirken.

Bei Agnes Nemec herrscht seit zehn Tagen Ruhe. Offenbar hat der Stalker offiziellen Besuch von der Polizei bekommen, nachdem sie Anzeige erstattet hat. Ein Anwalt beantragt gerade ein amtliches Kontaktverbot gegen den aufdringlichen Mann unter Androhung von Zwangsgeld, falls er dagegen verstößt.

Das Fazit der Frau: „Dass so eine Meldeauskunft überhaupt möglich ist in einer Zeit, in der man nicht mal mehr ein Foto von Leuten ohne deren Erlaubnis posten darf, das geht gar nicht.“