„Normaler Abend“ mit drei PromilleStudent soll Frau in Burscheid vergewaltigt haben
- Viele verworrene Erinnerung, zwei Betrunkene, eine hemmungslose Nacht: In Leverkusen wird aktuell ein komplizierter Fall verhandelt.
- Dem Angeklagten wird vorgeworfen, Jessica T. vor dem „Paffenlöh Steffi“ vergewaltigt zu haben, dieser allerdings hat eine völlig andere Sicht auf den Vorfall.
- Wir begleiten den Prozess.
Leverkusen – Mindestens 2,5 Promille waren es, wahrscheinlich sogar über drei. Michael P. war am Abend des 22. Dezember 2017 betrunken. Es ist der Abend, an dem er Jessica T. vergewaltigt haben soll. Um ein Uhr nachts, auf einem Parkplatz vor der Burscheider Disco „Paffenlöher Steffi“. Hose und Unterhose wurden dem Opfer heruntergezogen, die junge Frau hatte keine Chance, ihren entgegenstehenden Willen zu äußern – so die Version der Staatsanwältin.
Initiative von Jessica T.?
Der Angeklagte erklärt vor dem Leverkusener Amtsgericht seine Sicht auf den Abend: „Du bist voll heiß“, das habe ihm Jessica T. gesagt, bevor sie anfing, ihn vor der Disco zu „knutschen“. Ganz unvermittelt, vorher und nachher hätten die beiden nie Kontakt gehabt. Katharina N., die den Abend mit Jessica T. verbrachte, berichtet über ihre frühere Bekannte, dass sie „einen gleichgültigen Eindruck“ machte. Sie wäre nach eigener Angabe zwar mit einem Freund zusammen, hätte aber nichts gegen „ein bisschen Abwechslung“. Betrunken sei sie auch gewesen. Sie habe an dem Abend „bestimmt mit drei Männern getanzt, manche hat sie auch geküsst.“
Gemeinsam mit dem Angeklagten wollte Jessica T. drei Zeugen zufolge unbedingt die Disco verlassen.„Sie wurde hysterisch, wollte unbedingt mit mir raus“, erzählt der Angeklagte Michael P. Von ihr sei die Initiative gekommen. Er sei davon ausgegangen, dass sie in seine oder ihre Wohnung fahren, um dort miteinander zu schlafen.
An der Bushaltestelle habe sich Jessica T. dann auf ihn gesetzt, als er gerade eine Zigarette rauchte. Als sie ihm zwischen die Beine packte, sagte er: „Nicht hier.“ Er habe damals „den Eindruck gehabt, sie kann es nicht mehr abwarten.“
Die beiden gingen hinter einen Busch auf dem Parkplatz der Disco, „dort konnten wir nicht gesehen werden.“ Jessica T. ist „auf mich gestiegen“, so der Angeklagte. Sie habe angefangen, seine Hose aufzuknöpfen. Er habe sich dann selbst ausgezogen – und „ihr geholfen, sich auszuziehen.“ Die beiden hatten Sex. „Ich hatte absolut keine Anzeichen, dass sie es nicht wollte“, so der Ingenieur. Ob sie sich wehrte? „Im Gegenteil!“
Richter skeptisch
Nach etwa 15 Minuten sei Jessica T. demnach wortlos aufgestanden und gegangen, erzählt der Angeklagte vor Gericht. Anschließend sei er „total fertig“ gewesen, habe seine dreckigen Klamotten aufgehoben und ein Taxi nach Hause genommen. Für ihn war die Geschichte beendet.
Bis zwei Polizisten am 7. Januar 2018 an jener Burscheider Disco erschienen, um den damals 25-Jährigen zu informieren, dass er in einem Vergewaltigungsfall verdächtigt wird. „What the fuck?“, das habe er sich gedacht. „Ich war im Ungewissen: Ist es wegen ihr?“
Mindestens 2,5 Promille also, vielleicht über drei. Vier bis fünf Kölsch ab 19 Uhr auf einer Weihnachtsfeier, anschließend Ouzo und Schnäpse. Nach dem Essen dann nochmal vier Ouzo und sieben Kölsch. Dann die Disco-Idee, dort dann etwa vier Longdrinks und mehrere „Wodka-Energy“. „Die Mengenangaben sind grob“, erklärt Michael P.
Grob, aber doch eindeutig: Michael P. könne nicht mehr in der Lage sein, Details zum Abend zu nennen, so die Staatsanwältin. Tatsächlich nennt der Angeklagte Gesprächspartner, Zeitpunkte und Orte sehr präzise, das stimmt auch den Richter skeptisch. Auf Nachfrage erläutert P., es sei ein „ein normaler Abend“ gewesen, wie er ihn zu Studentenzeiten wöchentlich erlebte. Betrunken ja, unzurechenbar nein.
Jessica T. sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus – , auch zwei Jahre nach den Geschehnissen sah sie sichtbar mitgenommen aus. Sie hat das Verhalten von Michael P. in jener folgenschweren Dezembernacht als „Vergewaltigung“ sofort zur Anzeige gebracht. Fortgesetzt wird der Prozess am kommenden Mittwoch.