Leiter geht in Rente„An der VHS können Sie Ihr Hobby-Horse reiten bis zum Umfallen“
Leverkusen – Gerd Struwe leitete seit 2013 die VHS Leverkusen. Zum 1. März hört er auf. Mit uns sprach er über seine Zeit in Leverkusen.
Herr Struwe, Sie scheiden zum 1. März als Leiter der VHS Leverkusen aus dem Amt. Ein Amt, das Sie recht erfolgreich bekleidet haben – bis Corona kam.
Sagen wir so: 2019 hatten wir den Gipfel mit einer Millionen Euro an Einnahmen erreicht. Früher etwa, in einer schwierigen Phase zwischen 1998 und 2000, als die Leitung der VHS praktisch nicht besetzt war, hatten wir einen Honorarkosten-Deckungsgrad von 66 Prozent. Inzwischen sind wir bei 140 Prozent. Sprich: Für jeden Euro, den die VHS für Honorare ausgibt, geben wir dem Kämmerer der Stadt 1,40 Euro zurück. Und wir haben lange die Entgelte nicht mehr erhöht. Aber das kann man einerseits sicher nicht immer so weiterdrehen. Und zudem, Sie sagen es: Dann kam 2020. Corona. Und das Ende jeder Vorhersagbarkeit.
Zur Person
Gerd Struwe ist gebürtiger Braunschweiger und absolvierte an der dortigen Hochschule für Bildenden Künste ein Kunststudium, das er mit Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien abschloss. 1989 wurde er Programmbereichsleiter für „Kultur und Gestalten“ an der VHS Leverkusen und kuratierte zudem mehrere Ausstellungsreihen Von 2000 bis 2012 war er stellvertretender Leiter.
Er entwickelte das Marketing und die Werbung für die VHS entscheidend weiter und initiierte wichtige Kooperationen unter anderem mit den Jugendkunstgruppen oder dem Leverkusener Geschichtsverein zur Fortführung und zum Ausbau von Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag.
Seine zahlreichen kunstwissenschaftlichen Aktivitäten neben dem Job sind auf seiner persönlichen Internetseite (siehe unten) dokumentiert. Gerd Struwe lebt in Köln. (frw)
Abgesehen von diesen Problemen, die die Pandemie mit sich brachte, wäre es für Sie ohne Corona schlichtweg auch ein schöneres Ende gewesen, oder?
Natürlich wäre es ein schöner und besserer Übergang gewesen, wenn Corona nicht gewesen wäre. So konnte ich viele Menschen nicht mehr sehen. Oder wenn, dann nur auf Distanz. Das hat schon ein bisschen auf die Laune gedrückt. Und irgendwann wurde ich auch mal maulig. Es hat einfach reingehagelt. Aber es ist nun einmal so.
Was war für Sie denn das Spannende an Ihrem Job?
Da gibt es so viele Dinge. Aber eines davon ist sicherlich dieses: VHS ist immer auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklungen. Ein Beispiel: Der Kulturbereich war mal mit der größte. Irgendwann aber änderte sich das, wurde das immer weniger. Inwiefern? Die Leute mussten mehr arbeiten. Und der Gesundheitsbereich wuchs – weil es da Entspannungskurse gab. Und heutzutage wiederum sind 50 Prozent der Stunden, die an der VHS angeboten werden, Integrationskurse.
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Die Leidenschaft für die VHS kennt man von Ihnen – und hört sie aus diesen Sätzen heraus. Hand aufs Herz: Hätten Sie irgendwie auch gerne weitergemacht?
Nein. Natürlich geht man auch mit einem weinenden Auge. Aber ich bin jetzt 65 und damit im offiziellen Rentenalter. Meine Frau hat ebenfalls aufgehört. Wir wollen noch etwas gemeinsam erleben. Und ich habe noch so viel vor – ich muss schon zusammenstreichen. Zudem ist es jetzt auch mal gut. Ich habe das jetzt über 30 Jahre lang gemacht – und dabei übrigens auch so einiges unterschätzt…
Nämlich?
In den ersten Jahren konnte ich viele Projekte nebenher machen, die mit Ausstellungsreihen oder Kursen zu Computergrafik und Kunst und Design auch ganz gut ins Programm passten. Aber spätestens als ich dann Leiter war, ging das nicht mehr. Das ist ein Job, da macht man nichts mehr nebenbei. Denn ich habe gelernt, dass jedes Problem beim Leiter auf dem Tisch landet und man immer darauf achten muss, dass einem der Laden nicht auseinanderfliegt. Eine Woche nach meinem Ausscheiden merkte ich jedenfalls schon, dass meine Schlafprobleme aufhörten. Dieser Job war eben auch Stress.
Sie sagen, Sie müssten Ihre Pläne für die Zukunft jetzt schon zusammenstreichen. Was haben Sie denn vor?
Ein paar Kunstprojekte, die über die Jahre liegen geblieben sind. Darunter kunstwissenschaftliche Dinge in Sachen Medienkunst. Zeichnungen. 3-D-Grafiken. Internet-Comics. Aber auch: mehr wandern. Mehr raus. Mehr Gitarre spielen. Den Fotoapparat mal wieder mehr benutzen. Da kommt einiges zusammen – ganz abgesehen von Konzertbesuchen oder Reisen, die hoffentlich auch irgendwann wieder möglich sind.
Und wie sieht es mit der Nachfolge als Leiter aus?
Ich sage es mal so: Ich war ins Bewerbungsverfahren integriert. Und ich bin guten Mutes. Und bis dahin ist ja Frau Strittmatter eine sehr gute kommissarische Leiterin. Ich kann gleich sagen: Ich bin nicht jemand, der jetzt alle zwei Wochen auftaucht und nach dem rechten schaut.
Was waren Ihre schönsten Momente rund um die VHS?
Es gab kein einzelnes Highlight. Es war eher ein Gefühl: Ich mache etwas Sinnvolles für die Menschen. Etwas, das gesellschaftlich wirkt. Und ich kann darüber auch frei entscheiden. Kann mich ausprobieren. An einer normalen Schule haben Sie Reglementierungen aller Art. An einer VHS können Sie ihr Hobby-Horse reiten bis zum Umfallen. Sie müssen nur jemanden finden, der es bezahlt. Und man muss sich eben engagieren. Sonst ist man da falsch. Und ich bin immer gerne zur Arbeit gegangen.