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Zukunft der FriedhöfeÖkologischer Fußabdruck auch nach dem Tod immer wichtiger

Lesezeit 5 Minuten
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Die Friedhöfe wandeln sich: Wie sieht die Zukunft aus?

  1. Immer mehr Menschen entscheiden sich gegen die Erdbestattung und für Urnengräber – was bedeutet das für die Friedhöfe in Leverkusen?
  2. Über klamme Kassen, die Rolle der Stadt und den Trend zur ökologischen Bestattung.

Leverkusen – Der Tod ist auch eine Frage des Geldbeutels. Was kann ich selbst finanziell leisten? Wie stark belaste ich meine Familie mit den Folgekosten, die sich aus meiner Wahl ergeben? Gemessen in Geld und Zeit.

Im Jahr 2000 sind in Leverkusen 1483 Menschen gestorben. 997 davon ließen sich in der Erde bestatten. Fast 20 Jahre später, im Jahr 2019, liegt die Zahl bei 369. Seit fünf bis sechs Jahren geht die Kurve an Feuerbestattungen „steil nach oben“, erzählt der Leverkusener Bestatter Maximilian Bertram. Immer mehr Menschen verzichten auf den Sarg, der in die Erde gleitet. Sie lassen sich verbrennen. „Ich würde sagen, das ist jetzt schon die Bestattungsart Nummer Eins. Es wird sich bei 80 Prozent Feuerbestattungen und 20 Prozent Erdbestattungen einpendeln“, schätzt Bertram. Er sieht für die Entwicklung mehrere Gründe.

Jede Menge leere Fläche: Der Friedhof Reuschenberg.

Zehn Tage Frist haben Angehörige in Nordrhein-Westfalen, wenn sie sich für eine Erdbestattung entscheiden. Zehn Tage, um alle Verwandten und Liebsten zu versammeln. Um alle Entscheidungen zu fällen, die für eine Erdbestattung getroffen werden müssen. Kaum ist der geliebte Mensch tot, müssen sie sich mit Papierkram und Finanzen beschäftigen. „Ich bin noch nicht so weit“, „die Familie wohnt weit weg“ oder „Ich möchte den Termin so legen, dass alle Zeit haben“, erzählt Bertram von typischen Konflikten. Feuerbestattungen sind deutlich flexibler. Nach der Einäscherung bleiben der Familie sechs Wochen, um die Beerdigung zu organisieren. „Die Menschen können die Bestattung ihrer Trauer anpassen.“

Infrastruktur ist teuer

Dazu kommt das Geld. Erdbestattungen sind über die vergangenen Jahre immer teurer geworden. Eine logische Konsequenz aus der rückläufigen Nachfrage. „Die Infrastruktur muss erhalten werden, das sind Wege, Gebäude und die Wasserleitungen. Das Personal wurde die letzten Jahre um etwa ein Drittel reduziert“, erklärt Uwe Rischmüller. Im Fachbereich Stadtgrün kümmert er sich um die Verwaltung der Friedhöfe. Die Fixkosten bleiben, die Einnahmen werden immer weniger.

Sieht so die Zukunft aus? Urnengräber in Reuschenberg.

Die Gebühr steigt, weil die Kosten weiter gedeckt werden müssen. Gleichzeitig sind Erhöhungen enge Grenzen gesteckt. Friedhöfe dürfen keine Gewinne erzielen. Mit den höheren Gebühren habe der Rückgang an Erdbestattungen nur „ein bisschen was zu tun“, denkt Rischmüller. Einen weiteren Grund sieht er darin, dass Menschen heute weniger stark an ihre Heimatorte gebunden sind. „Es hat auch praktische Gründe. Wenn die Familie über die halbe Republik verteilt ist oder sie es körperlich nicht mehr schafft.“ Die Menschen wollen einen Ort zum Trauern. Doch nicht jeder kann jahrzehntelang ein Grab pflegen. Ein Urnengrab bedeutet deutlich weniger Aufwand.

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Dass es pflegefreie Erdgräber gibt, ist noch wenig bekannt. Menschen sehen darum oft nur zwei Optionen, erzählt der Wiesdorfer Bestatter Maximilian Bertram „In den Köpfen der Bürger ist drin: Wenn keine Erdbestattung, muss ich eine Feuerbestattung machen.“ Da könne er als Bestatter noch so viel beraten und erklären. Und – wieder – ist es auch eine Frage des Geldes.

Urnenstele in Opladen

Ein Platz im Memoriam-Garten, wie es sie schon in Leverkusen gibt, ist für einen mittleren bis höheren vierstelligen Betrag zu haben, nennt Uwe Rischmüller ein Beispiel. Die Angehörigen schließen einen Dauerpflegevertrag ab, dafür kümmern sich Steinmetze und Gärtner 20 Jahre lang um die komplette Pflege. Memoriam-Gärten sind „unternehmerisch gedacht“, so Uwe Rischmüller vom Fachbereich Stadtgrün. Und eher eine Option für wohlhabendere Familien. Andere würden aus dem Grab einen Kiesgarten machen oder sich für eine Komplettabdeckung entscheiden. Diese Lösung kommt dann zwar ohne Pflege aus, sie passe aber nicht in die hiesige Friedhofskultur, meint Rischmüller. „Und es trägt nicht zum Stadtklima bei.“

Ökologischer Fußabdurck wird wichtiger

Den eigenen ökologischen Fußabdruck klein halten, das ist inzwischen vielen wichtig. Auch nach dem Tod. Wald- und naturnahe Bestattungen sind beliebter denn je. „Die Pflege entfällt, das übernimmt die Natur. Dazu kommt das Bewusstsein für den Klimawandel, dass wir uns ändern müssen. Die Umwelt nicht belasten, sondern ihr etwas Gutes tun“, so Bestatter Bertram. Eine Möglichkeit sind Friedwälder. An den Wurzeln eines Baumes wird die Asche verstreut. Im Wald bestattet zu werden, das bedeute für viele ein anderes Gefühl als ein Sarg auf dem Friedhof, bekommt Bertram mit.

Ganz in Stein – eine völlig andere Friedhofskultur.

Die Etablierung solcher Wälder ist in Leverkusen schwieriger als anderswo. Der größte Wald der Stadt, der Bürgerbusch, liegt in Privathand. Zudem durchziehen Autobahnen und Straßen die Stadt. Die Lösung: Auf vier Friedhöfen – Manfort, Reuschenberg, Birkenberg und Scherfenbrand – gibt es inzwischen sogenannte Ruhegärten. Ausgewiesene Flächen, auf denen die Asche der Verstorbenen verstreut wird. Die Angehörigen können sich die Stelle zeigen lassen. Sie legen Blumen und Puppen auf dem Rasen nieder, stellen Kerzen auf, erzählt Uwe Rischmüller. „Man glaubt gar nicht, was die da alles bringen.“

Was bedeutet das für die Friedhöfe? Sie schrumpfen. Denn finanziell löst die Entwicklung zu günstigeren Bestattungsarten einen Teufelskreis aus. „Weniger Ertrag bei steigenden Fixkosten. So können Kommunen nicht in moderne Bestattungsmethoden investieren“, erklärt Maximilian Bertram. Dazu zählen beispielsweise die Friedwälder. Auch wird dazu übergegangen, Friedhofsflächen freizustellen. Sie werden zu Parkanlagen umfunktioniert oder sogar überbaut.

Auf dem Reuschenberg ist inzwischen der ganze hintere Part des Friedhofes leer, dahinter nur Wald und Wiesen. Der Friedhof in Manfort hingegen liegt an einer Siedlungsstraße. Dort „könnte das eher funktionieren“, sagt Uwe Rischmüller. Der Schritt dorthin sei aber immer eine „krasse Entscheidung“. Zwar habe sich der Umgang mit dem Tod „versachlicht“, wie Rischmüller sagt. Er sieht Jogger und Eltern mit Kinderwagen auf Friedhöfen. Aber vor allem der kleine Dorffriedhof ist manchen dann doch noch heilig. Mit der Idee einer Umfunktionierung treffe man oft noch einen sensiblen Nerv. Auch wenn Rischmüller erzählt, dass manch ein anderer inzwischen soweit gehe, die gesamte Institution Friedhof in Frage zu stellen.