Krankentransport kommt nicht„Denen ist scheißegal, ob die Leute warten müssen“
- Weil ein Krankentransport sie nicht abholte, musste Elisabeth Richartz 70 Minuten lang bei ihrem Zahnarzt warten – ohne den Rollstuhl, auf den sie eigentlich angewiesen ist.
- Für die demente 85-Jährige war es purer Stress – wie schon öfter bei Transporten durch das Unternehmen Accon.
- Die ständigen Verzögerungen haben auch politische Gründe.
Leverkusen – Vor wenigen Monaten war Elisabeth Richartz noch fit genug, um sich für das Wohl von Igeln einzusetzen. Das machte sie in Leverkusen jahrzehntelang. Dann kam der Schlaganfall. Heute ist die 85-Jährige dement, kaum noch zurechnungsfähig.
Jürgen Schneider, mit dem sie sich gemeinsam im Tierschutz engagierte, bot ihr kurz zuvor an, die Vorsorgebevollmächtigung zu übernehmen. Richartz nahm das Angebot an – und so kümmert sich der 61-Jährige nun ehrenamtlich darum, dass sie ihren Alltag leben kann, so gut das eben noch geht.
Regelmäßig muss die 85-Jährige zum Zahnarzt. Schneider organisiert die Fahrten dorthin. Durchgeführt wurden sie bislang vom Unternehmen Accon. „Drei der vier Fahrten waren eine absolute Katastrophe“, erklärt Schneider. Mehrfach sei Richartz zu spät abgeholt worden, sodass sie ihre Termine verpasste. Die 85-Jährige musste das Hin und Her über sich ergehen lassen, Schneider trug es mit Fassung.
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Den letzten Accon-Transport allerdings wollte er nicht mehr einfach hinnehmen. Die Patientin wurde beim Zahnarzt abgesetzt. Er habe „dem Fahrer gesagt, dass der Termin 10 Minuten dauert“. Man würde warten, erklärte man ihm. Dann allerdings war der Wagen weg – auf unbestimmte Zeit, um weitere Patienten von A nach B zu bringen. Und so musste Richartz rund 70 Minuten bei ihrem Arzt warten. Im Behandlungszimmer, denn die Frau ist auf jenen Rollstuhl angewiesen, der sich gerade im Accon-Wagen durch die Stadt bewegte. Schließlich rief Schneider die Feuerwehr, von ihr wurde Richartz dann abgeholt. So wird er es in Zukunft direkt machen. „Denen ist es scheißegal, ob die Leute warten müssen“, empört sich Schneider über Accon: „Ich finde das nicht in Ordnung.“
Die demente Seniorin „fühlte sich unwohl, lag dort in geneigter Lage. Sie wurde unruhig und mahlte abends mit dem Unterkiefer. Das macht sie nur, wenn sie starken Stress empfindet“, erklärt der 61-Jährige. Er sieht die Schuld beim Unternehmen.
„Sehr bedauerlich“ sei dieser Fall, so heißt es wortgleich von der Stadt Leverkusen und dem Unternehmen Accon.
Knackpunkt Kosten
Aber wer trägt hier die Verantwortung? Die Stadt ist Trägerin des Rettungsdienstes und damit verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Mindeststandards beim Krankentransport eingehalten werden. Um Geld zu sparen, setzt man dafür neben drei Fahrzeugen der Feuerwehr auch auf vier Accon-Wagen. Für eine einstündige Fahrt liegen die Kosten bei dem Privatunternehmen etwa 50 Euro unter denen für einen Feuerwehrtransport. Accon sei selbst dafür verantwortlich, „die Koordination von Fahrten zu organisieren“, so Stadt-Sprecherin Ariane Czerwon. Die Verzögerungen erklärt sie damit, dass sich die beauftragten Fahrer für jeden Patienten „die notwendige Zeit nehmen“, dazu kämen Verkehrsprobleme. Man werde das Unternehmen um eine Stellungnahme bitten.
Holger Renz, Geschäftsführer von Accon, findet, „dass es zu wenige Wagen für Krankenfahrten in Leverkusen gibt.“ Er würde gerne mehr Fahrten anbieten – darf allerdings nicht, weil die Wagenanzahl von der Stadt auf vier beschränkt wird. Bis 2023 gilt dies vorerst, heißt es von der Stadt. Anträge für weitere Autos werden laut Renz seit Jahren nicht beantwortet – obwohl sie dringend gebraucht werden: „Manchmal ist es ruhig, aber zu den Stoßzeiten von 10 bis 14 Uhr kommen wir nicht hinterher. Teilweise fahren wir 50 Patienten an einem Tag.“
Die Wartezeit der dementen Elisabeth Richartz sei „dieser Situation geschuldet. Im anderen Krankenhaus würden sie uns erschießen, wenn wir dort nicht zwischendurch den nächsten Patienten abholen würden.“ Dass Schneider ab sofort nur noch die Feuerwehr beauftragt, kann der Geschäftsführer zwar emotional nachvollziehen. Er befürchtet allerdings, dass es nicht besser laufen wird: „Dort passieren dieselben Sachen. Die kosten nur doppelt so viel.“ Man stehe untereinander in Konkurrenz – wer die kürzere Wartezeit in Aussicht stellt, wird im Normalfall beauftragt.
Kosten, offensichtlich der Knackpunkt beim Thema Krankentransport, wollen Krankenkassen laut Renz regelmäßig vermeiden, indem sie Kleinunternehmer bezahlen, die Krankentransporte übernehmen – getarnt als Taxifahrten, ohne ausgebildetes Personal. „Dürften wir mehr Fahrten übernehmen, würde es diesen grauen Markt gar nicht geben“, meint Renz.
Während für Elisabeth Richartz zu hoffen ist, dass die nächsten Fahrten mit der Feuerwehr reibungslos ablaufen, bleibt die Frage offen, wie Patienten in Zukunft zuverlässig und stressfrei durch Leverkusen gefahren werden können.