Kölner Mediziner„Viele Ärzte gehen ungern in Brennpunkte wie Kalk oder Ehrenfeld“
Köln – Dr. Jürgen Zastrow ist Hals-Nasen-Ohrenarzt und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung. Mit ihm sprach Monika Salchert über die Ergebnisse der Gesundheitscheck-Umfrage.
Herr Dr. Zastrow, gibt es in Köln zu wenig Fach- und Hausärzte? Der Meinung ist gut die Hälfte der Menschen, die sich an unserer Online-Umfrage beteiligt haben.
Ganz im Gegenteil. Wir haben in Köln eine Überversorgung. Der Versorgungsgrad liegt bei 110 Prozent. Das gilt für alle Fachgruppen. Daher ist Köln für Neu-Niederlassungen gesperrt. Wir haben in der Stadt eine hohe Arztdichte. Auf einen Arzt kommen im Durchschnitt 532 Einwohner.
Es gibt also genug Ärzte. Dennoch beklagen viele Menschen, dass sie sehr lange auf einen Termin beim Facharzt warten müssen.
Wie lange ist zu lange? Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt beträgt nach Erhebungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung um die 20 Tage. Also deutlich unter vier Wochen.
Auffallend ist, dass die Situation im Rechtsrheinischen durchweg schlechter beurteilt wird. Wie erklären Sie sich das?
Es gibt ein Gefälle zwischen verschiedenen Stadtvierteln. Das hat zu tun mit der Anzahl von privat versicherten Patienten in diesem Stadtbezirk. Viele Ärzte gehen ungern in Gegenden, in denen es keine Privatpatienten gibt.
Das sind die ganzen Brennpunkte wie Kalk, Ehrenfeld, Chorweiler oder Höhenberg. Ärzte haben für ihre Praxen immer eine Mischkalkulation, basierend auf Kassen- und Privatpatienten. Diese leisten einen höheren Kostendeckungsbeitrag für die Praxis als Kassenpatienten. Es ist aber nicht so, dass das Rechtsrheinische schlechter versorgt ist. Das stimmt nicht.
Trotz Termins sitzen viele Patienten lange im Wartezimmer. Woran liegt es, dass der Stau im Wartezimmer manchmal gefühlt so zäh ist wie der auf der Rheinuferstraße?
Natürlich ist es bedauerlich, wenn die Patienten länger warten müssen. Wir haben in meiner Praxis die Vorgabe 30 Minuten Wartezeit. Das versuchen wir einzuhalten, das schaffe ich nicht immer. Woran liegt das? Wir haben konkurrierende Wunschvorstellungen.
Auf der einen Seite sagt der Patient, ich möchte pünktlich dran sein. Die andere Vorstellung formuliert die Politik. Die besagt, wir sollen jede Woche eine bestimmte Anzahl Akutpatienten behandeln. Die Arztminute ist aber nur einmal zu vergeben. Baue ich mehr Akutpatienten ein, kann ich weniger Termine vergeben. Damit verlängert sich die Wartezeit auf einen Termin. Lasse ich die Zahl konstant und nehme zusätzlich Akutpatienten dran, verlängert sich der Aufenthalt im Wartezimmer.