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Interview mit Tierpfleger„Unsere Delfine verhalten sich völlig normal und gesund“

Lesezeit 6 Minuten

Sehr vertraut mit den Großen Tümmlern im Duisburger Zoo ist Tierpfleger Roland Edler, hier mit Ivo.

  1. Vor zwei Monaten ist im Duisburger Zoo ein Delfin geboren worden. Roland Edler war bei der Geburt dabei.
  2. Claudia Hauser hat mit dem Tierpfleger über Artenschutz, die Kritik von Tierschützern und lustige Tauschgeschäfte zwischen Delfinen und Pflegern gesprochen.

Herr Edler, wie geht es dem kleinen Delfin? Hat er schon einen Namen?Es geht ihm gut. Das Jungtier ist weiblich, hat aber noch keinen Namen. Alle in Duisburg geborenen Delfine haben Namen, die mit „D“ beginnen, Dörte und Debbie zum Beispiel. Wir Pfleger beratschlagen noch. Das Jungtier spielt viel mit seiner Mutter Delphi, sie schmusen auch viel. So allmählich bringt sie ihm schon die Delfinsprache bei.

Was beobachten Sie da genau?

Delphi sendet Sonartöne in Richtung ihres Jungtieres und zeigt ihm dann, dass man wegschwimmt. Wenn erwachsene Delfine ihr Sonar auf diese Weise einsetzen, ist es als Drohung zu verstehen. Die Kleine lernt also, wie sie sich im Umgang mit Artgenossen verhalten soll. Das ist für das spätere Zusammenleben im Familienverband sehr wichtig. Es wird aber auch viel Blödsinn gemacht: Delphi zeigt ihrer Tochter, wie man Luftringe unter Wasser erzeugt – ein Spielverhalten, das sie sehr gerne macht. Dabei stößt sie ein wenig Luft aus dem Blasloch aus. Der entstehende Luftring treibt langsam Richtung Oberfläche. Die Kleine versucht, das nachzumachen. Aktuell hat das Jungtier auch seine Zunge entdeckt und streckt sie ständig raus. Sogar beim Schwimmen – das sieht manchmal etwas ulkig aus.

37 Jahre im Zoo

Roland Edler arbeitet seit 37 Jahren im Zoo Duisburg und kümmert sich dort mit zwei Kollegen um die acht Delfine. Sechs wurden im Duisburger Zoo geboren und für Edler sind die Tiere wie Familienmitglieder, wie er sagt. „Auch wenn die Professionalität immer im Vordergrund steht“, betont der 53-Jährige. Das jüngste Familienmitglied ist jetzt zwei Monate alt. Einen Namen hat das kleine Delfinmädchen noch nicht. Irgendwas mit D wird es sein.

Waren Sie bei der Geburt dabei?

Ja, ich habe schon viele Geburten im Zoo miterlebt, aber das ist immer wieder ein sehr bewegendes Erlebnis. Ich war schon bei der Geburt von Delphi dabei und habe ihr Aufwachsen begleitet. Für sie bin ich ein langjähriger Vertrauter. Dass sie nun erneut ein Jungtier aufzieht, macht es natürlich noch besonderer. Sie ist schon zum vierten Mal Mutter geworden.

Wie verhält sich ein Delfin denn kurz vor der Geburt?

Delphi ist immer cool und sehr entspannt. Als sie unruhiger wurde, wussten wir, dass es losgeht. Über unser regelmäßiges medizinisches Training hatten wir immer wieder Ultraschallbilder gemacht, so konnten wir die Entwicklung des Jungtieres im Mutterleib mitverfolgen. Ein Vorzeichen für die anstehende Geburt ist der Einschuss von Milch in das Gesäuge der Mutter. Aber auch die Körpertemperatur sinkt rund 24 Stunden vorher um etwa ein Grad Celsius.

Waren Sie nervös vor der Geburt?

Ehrlich gesagt, ja. In unserem Unterwasserbüro konnten wir live dabei sein. Man fiebert mit und drückt die Daumen. Beim ersten Atemzug jubelt man und freut sich natürlich wahnsinnig. Wie für Delfine üblich, wurde Delphis Jungtier mit der Fluke, also der Schwanzflosse, voran geboren. Anfangs noch weich und biegsam wird die Fluke fest, sobald sie mit Wasser in Kontakt kommt. Damit hat der kleine Delfin dann den nötigen Auftrieb, um an der Wasseroberfläche den ersten Atemzug zu machen.

Ausruhen geht also erstmal nicht?

Nein, junge Delfine müssen gleich nach der Geburt aktiv schwimmen – sie starten von Null auf 100. Ihr Stoffwechsel ist direkt nach der Geburt durch das permanente Schwimmen stark belastet. Kommt es in den ersten Lebenswochen zu Stoffwechselproblemen, kann das dramatische Folgen haben. Das Problem ist, dass es hierfür kaum Anzeichen gibt, die wir erkennen könnten. Ein zweiter, wichtiger Punkt ist, dass Delfinjungtiere ohne Immunsystem auf die Welt kommen. Antikörper bekommen neugeborene Delfine daher ausschließlich über die Muttermilch, bis das eigene Immunsystem ausgebildet ist. Somit sind die Tiere insbesondere in den ersten Lebenstagen und Wochen anfälliger.

Was steht auf dem Speiseplan einer Delfinmutter?

Delfine fressen Fisch – und zwar ausschließlich. Jeder Delfin hat einen individuellen Futterplan. Zwischen sechs und acht Kilogramm verdrückt ein Tümmler bei uns täglich. Unsere Delphi frisst gerade über den Tag verteilt rund 16 Kilo Fisch – doppelt so viel wie normalerweise. Als Mutter braucht sie viel Energie, denn ihre Milch ist mit 40 Prozent enorm fetthaltig. Fisch ist übrigens nicht gleich Fisch. Auf dem Speiseplan unserer Delfine stehen Heringe, Makrelen, Sprotten, Wittling sowie Tintenfisch, der viel Wasser enthält. Da Delfine das Salzwasser, in dem sie leben, nicht trinken können und ihren Flüssigkeitsbedarf nur über das Futter decken, ist eine ausreichende Versorgung mit wasserhaltiger Nahrung enorm wichtig. Denn sonst würden die Tiere dehydrieren.

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Wie schwer ist es, Delfine zu züchten?

Noch vor Jahrzehnten galt es als nahezu unmöglich, Delfine, Breitmaulnashörner, Mähnenwölfe oder Papageientaucher zu züchten. Aber im Laufe der Zeit ist unser Wissen gewachsen, und auch diese Arten bekommen in Zoologischen Gärten Nachwuchs. Bei der Pflege und Haltung von Großen Tümmlern gibt es viel zu beachten. Bevor man die Tiere erfolgreich züchtet, müssen viele Grundlagen geschaffen werden. Dazu gehören beispielsweise eine arttypische Ernährung sowie das tägliche Training. Beides ist individuell auf jedes einzelne Tier abgestimmt.

Wie beschäftigen Sie die Tiere?

Die wichtigste Beschäftigung für unsere Tiere sind ihre Artgenossen. Nachwuchs ist dabei ein bedeutendes Ereignis für alle Familienmitglieder – und ein Motor für das Sozialleben. Wenn die Delfine uns Pfleger morgens sehen, begrüßen sie uns und warten schon auf das Training. Wir machen ein Bewegungsprogramm und ein medizinisches Training mit ihnen. Damit üben wir für Untersuchungen, damit die Delfine beim Besuch des Tierarztes keine Angst haben. Das ist Routine für sie. Das Training dient auch der Vorsorge, damit wir Pfleger mögliche Erkrankungen rechtzeitig erkennen können. Das ist nicht immer leicht, denn Wildtiere sind sehr gut darin, Unwohlsein oder Erkrankungen zu verschleiern. Das müssen sie auch, denn wenn Tiere in der Natur eine Schwäche zeigen, werden sie zum Ziel von Feinden.

Die Seelöwen im Kölner Zoo machen Tauschgeschäfte mit ihren Pflegern, kennen Sie das auch?

Ja, wir haben den Delfinen beigebracht, Dinge aufzusammeln, die nicht in die Anlage gehören. Manchmal vergisst zum Beispiel ein Taucher eine Bürste, mit der er das Becken gereinigt hat. Sowas schnappen sich die Delfine, schwimmen damit zum Unterwasserbüro und zeigen es uns. Wir tauschen dann einen Fisch gegen die Bürste ein. Aber es bleibt nicht bei Bürsten. Wenn etwa Blätter in die Anlage wehen, werden auch die geschnappt und gegen Fisch getauscht. Dadurch nehmen die Delfine ihre Umgebung sehr bewusst wahr und suchen auch immer wieder nach etwas, das sich zum Tauschen anbietet.

Tierschützer kritisieren die Haltung von Delfinen in Zoos. Was entgegnen Sie ihnen?

Untersuchungen von externen Spezialisten haben ergeben, dass sich unsere Tiere im Vergleich mit Delfingruppen in der Wildbahn völlig normal und gesund verhalten. Darüber hinaus können wir in einem Delfinarium unter gleichbleibend guten Bedingungen wichtige wissenschaftliche Daten erheben, die Artenschützern weltweit als Grundlage dienen. Unsere Delfine gehören zur Küstenart des Großen Tümmlers. Sie sind angepasst an flache Gewässer, weil sie in Buchten, Lagunen oder Flussmündungen leben. Anders als die Hochseeform des Großen Tümmlers, die ausschließlich in tiefen Gewässern der offenen See vorkommt. Wir transportieren beim öffentlichen Training wichtige Fakten rund um Lebensraum, Biologie und Verhalten von Delfinen. So sensibilisieren wir für die zunehmende Umweltzerstörung und haben über die Jahre Millionen Menschen erreicht.

Wird der kleine Delfin im Duisburger Zoo bleiben?

Das entscheidet das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Atlantische Große Tümmler. Aber bis dahin werden noch einige Jahre vergehen. Und so freue ich mich erst einmal, dass wieder die Chance besteht, einem Delfinjungtier beim Heranwachsen zuzusehen.