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InterviewAutor Christian Linker über 2020: „Ich bekam zwischenzeitlich schon Panik“

Lesezeit 6 Minuten
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Der Leverkusener Autor Christian Linker

  1. Der Leverkusener Christian Linker ist ein erfolgreicher und extrem umtriebiger Autor.
  2. 2020 veröffentlichte er zwei Bücher, im Februar 2021 folgt der nächste Roman, „Toxische Macht“.
  3. Im Interview blickt Linker zurück auf das Corona-Jahr und sagt, was die Pandemie für ihn als Schriftsteller bedeutet.

Leverkusen Herr Linker, wie haben Sie als Autor das Jahr 2020, die Corona-Zeit bislang erlebt?

Ich hatte die Sache mit der Pandemie anfangs selber lange nicht wahrhaben wollen und noch gedacht: „Warum wird denn jetzt die Leipziger Buchmesse abgesagt?“ Damals hatte ich ja gerade zwei Bücher veröffentlicht – „Influence - Fehler im System“ und „Kevin und das Wurmloch im 13. Stock“. Es waren Lesungen dazu geplant. Und es war nach deren Absage klar, dass diese nicht mehr nachgeholt würden. Fazit: Aus Autorensicht war das alles schon nicht leicht, schließlich verdiene ich den Großteil meines Geldes mit Lesungen und Workshops. Und das fiel alles weg. Ich hatte Verluste. Ich bekam zwischenzeitlich schon Panik. Aber letztlich setzte ich mich einfach hin und schrieb an meinem neuen Roman.

Der heißt „Toxische Macht“ und erscheint im Februar.

Genau. Darin geht es um eine junge Klima-Aktivistin, die plötzlich Karriere in der Politik macht. Und auch die Pandemie spielt eine Rolle. Denn: diese Idee hatte ich zwar schon länger im Kopf gehabt. Lange vor Corona. Aber ich merkte irgendwann – spätestens nach einem Gespräch mit dem Verlag im Herbst –, dass ich das nicht einfach so schreiben und dabei so tun kann, als gebe es das Virus und die Krise nicht. Also dachte ich: Vielleicht kann Corona ja der Auslöser für einen gesellschaftlichen Wandel sein, der mit dem Weg dieser Klimaaktivistin zu tun hat.

Der Plot erinnert zweifelsohne an Greta Thunberg und die von ihr im Angesicht des Klimawandels initiierte „Fridays For Future“-Bewegung.

Sie ist natürlich eine Inspiration für dieses Buch. Wobei es kein Roman über den Klimawandel an sich ist. Ginge es allein darum, würde man vielleicht doch besser Fachliteratur zur Hand nehmen. Nein, in „Toxische Macht“ geht es eher um Fragen wie: Was macht es mit jemandem, wenn man – ja, auch wie Greta Thunberg – plötzlich in die Öffentlichkeit katapultiert wird und dann, gerade im Falle von Frauen, medial extrem angegangen wird? Was macht es mit einem jungen Menschen, der plötzlich so prominent ist? Was macht es mit einem, wenn die einen ihren ganzen Hass, die anderen ihre ganze Hoffnung auf einen projizieren?

Sie sagen: Sie konnten beim Schreiben der Geschichte nicht so tun, als gebe es Corona nicht. Das klingt nach: Die Pandemie macht etwas mit einem – vor allem, wenn man künstlerisch tätig ist.

Ich würde behaupten, dass jeder Mensch in dieser Situation ans Nachdenken kommt. Aber wenn man künstlerisch tätig ist, dann packt man das eben vor allem in seine Kreativität. Das ist dann wie ein Ventil. Der eine geht laufen. Der andere schreibt. Jeder verarbeitet diese Situation auf eigene Weise. Ich hatte zudem ehrlicherweise auch Glück gehabt, dass ich so schlecht „Nein“ sagen kann. Denn normalerweise waren ja die erwähnten Lesereisen geplant. Und der Verlag hatte mich gefragt, ob ich nicht darüber hinaus auch weiter an einigen Büchern arbeiten könne. Ich sagte zu. Und genau das stellte sich dann mit Beginn der Corona-Krise als Segen heraus. Denn auf einmal hatte ich trotz ausgefallener Lesungen und dergleichen viel zu tun und konnte mich anderen Baustellen widmen: Meinen neuen Roman zum Beispiel. Und weiteren Kinderbüchern, die auf dem Plan stehen.  

Sie haben drei Kinder. Wie war es, während des Lockdowns im Familienbüro zu arbeiten?

In der Zeit, als im Frühjahr und Sommer die Schulen zu waren, ging das mit dem Arbeiten zu Hause nur bedingt. Ich habe seinerzeit vor allem nachts gearbeitet. Beziehungsweise: Als das Wetter gut war, habe ich für mich die Möglichkeit entdeckt, im Garten sitzend zu schreiben.

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Ihr aktuelles Kinderbuch „Kevin und das Wurmloch im 13. Stock“ spielt rund um eine Hochhaussiedlung, wie man sie auch aus Leverkusen kennt…

Ja. Ich habe als Kind selber in Steinbüchel gelebt und kenne genau solche Hochhaussiedlungen, wie sie in dem Buch eine Rolle spielen. Als kleiner Junge fand ich das total großartig. Die vielen Etagen, die Keller, die Garagen: Ich hatte dort eine traumhafte Kindheit. Und es lag nahe, daraus eine Phantasiegeschichte zu machen. Denn irgendwie hat man sich als Kind ja schon manchmal gefragt, wo dieser Aufzug letztlich hinfährt, nachdem er den letzten, den oberen Stock erreicht hat.

In ihrem ebenfalls 2020 erschienenen Roman „Influence“ wiederum geht es um die digitalen Medien und wie wir – und vor allem junge Menschen – damit umgehen. Häufig beschreiben Sie darin Szenen, die wir alle mittlerweile bestens etwa aus der Bahn kennen: Niemand redet mehr mit anderen. Alle starren auf ihre Smartphones. Das zeigt: Sie sind ein genauer und vor allem entlarvender Beobachter des Alltags.

Das gehört zu meinem Job. Ich interessiere mich für das, was um mich herum passiert und möchte erkennen, was die Mechanismen dahinter sind. „Influence“ ist klar kritisch gegenüber dem Internet. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich die Geschichte heute nochmal so schreiben würde, denn: Spätestens seit der Pandemie bin ich ja ganz froh, dass es das Internet und die digitalen Medien gibt. (lacht) Ich überlege noch: Ist „Influence“ ein Buch, das so gar nicht in die heutige Zeit passt? Oder passt es gerade jetzt? Da bin ich noch unentschieden.

Was nehmen Sie aus der Pandemie und dem Jahr 2020 mit in die Zukunft?

Dass man sich verändern muss. Ich habe zum Beispiel versucht, mich digital fitter zu machen und eine Fortbildung absolviert, wie man Workshops online konzipiert und leitet. Das sind Dinge, von denen ich vor einem Jahr noch überhaupt keine Ahnung hatte. Da hatte ich noch gedacht, dass man das von Angesicht zu Angesicht machen muss, damit es funktioniert. Was diese Sache nicht ganz einfach macht: Man muss den Menschen nun vermitteln, dass online nicht gleich kostenlos bedeutet. Wir werden alle in Zukunft die Frage klären müssen, wie wir digitale Angebote denen, die sie machen, vergüten wollen? Überhaupt: Wird es durch Corona auf lange Sicht einen kulturellen Wandel geben? Werden die Menschen bereit sein, für Lesungen oder Konzerte im Netz Geld zu bezahlen? Das ist ein wichtiges Thema, was man aus dieser Pandemie mitnehmen kann und muss. Es wird in der Zukunft eine große Rolle spielen.