Idee schon vor CoronaDiese Kölner Lehrerin entwickelt ein virtuelles Klassenzimmer

Begeisterte Anhängerin des Digitalunterrichts ist Anika Buche. Ihr Konzept überzeugt Schulleiter Thorsten Jürgensen-Engl.
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- Dank einer innovativen Lehrerin blieb am ASG in Hürth das an vielen Schulen in NRW durch Corona verursachte Chaos aus
- Die rund 1400 Schüler waren seit dem Lockdown sofort mit Materialien versorgt.
- Und noch dazu haben die Schüler viel Spaß am Unterricht.
Köln/Hürth – Als der Corona-Lockdown kam, war das Kollegium des Albert-Schweitzer-Gymnasiums (ASG) in Hürth gut vorbereitet. Dank ihrer jungen Kollegin Anika Buche. Die 31-Jährige war schon seit ihrem Referendariat davon fasziniert, wie „vielseitig und einfach sich Unterricht mit digitalen Hilfsmitteln vorbereiten und durchführen lässt“. Und so hatte die Lehrerin für Mathematik, Sport und Biologie noch ehe jemand danach gefragt hatte, ein Gesamtkonzept für den virtuellen Klassenraum erarbeitet, das sie gemeinsam mit ihrem Mathekollegen Christoph Rauwolf dem gesamten Kollegium vermittelte. Zudem gründete Buche ein Projekt für digitale Schule, „Edu-sense“, welches auch Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulen helfen soll, ihre Schule zu digitalisieren. Wie viele Schulen, die Soforthilfe schon nutzen, kann Buche nicht sagen.
Aber es gibt viele Anfragen nicht nur in Deutschland, sondern auch aus Kanada und Dänemark, lacht die 31-Jährige, die auf einem eigenen Youtube-Kanal ihre Arbeit bewirbt und so zahlreiche Schüler erreicht.
Das Chaos blieb aus
Dank der innovativen Lehrerin blieb am ASG das an vielen Schulen in NRW durch Corona verursachte Chaos aus: Das gesamte Schulteam von Lehrern und Schülern konnte sich auf die gleiche Software für Aufgaben und multimedialen Lehrstoff verlassen. Die rund 1400 Schüler waren seit dem Lockdown sofort mit Materialien versorgt. Ihre Lehrer erteilen den Unterricht aktuell in den Kernfächern zusätzlich zum Präsenzunterricht in jeweils zwei Videokonferenzen pro Woche.
Buche nutzt für ihren Mathematikunterricht die Lern- und Organisationsplattform MNS proCloud von AixConcept. Ihre Schüler lernen gerade, Winkel und Flächen zu berechnen. Was langweilig klingt, aber nicht ist. Denn bei der Fläche handelt es sich um das eigene Traumzimmer, das am Computer entworfen und eingerichtet werden darf unter Berücksichtigung, dass der Raum bestimmte Maße hat und es Türen und Fenster gibt. Die Lehrerin kann die Bearbeitungsfortschritte live verfolgen und Hausarbeiten mit Sprachnachrichten oder Feedbackvideos kommentieren. „Ich erlebe Unterricht jeden Tag neu und lerne selber etwas dazu. Ich denke manchmal, ich verliere die Kontrolle, weil ich nicht mehr ständig alles selbst koordinieren muss, aber die Schüler machen das sehr selbstständig und gewissenhaft“, sagt Buche.
Gestärkt durchs Digitale
Schulleiter Thorsten Jürgensen-Engl ist überzeugt von ihrem Vorhaben: „Durch Digitalisierung werden die Beziehungsgefüge gestärkt und der soziale Charakter ausgeprägt. Die Kinder erlangen Selbstständigkeit, so entsteht eine intrinsische Motivation. Unsere Lehrer nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil und bringen unsere Schüler auf den technischen Mindeststandard.“
Leitfaden für den digitalen Unterricht
Mit „Edu-sense“ hat die Lehrerin Anika Buche aus Köln einen Leitfaden für die zeitgemäße Schultransformation entwickelt: von der technischen Ausstattung über den Kommunikationsfahrplan für Schüler und Eltern bis zur Organisation der digitalen Lehre und zu Finanzierungsmöglichkeiten.
Wie viele Schulen in Deutschland die Hilfe schon genutzt haben, kann Buche nicht sagen. „Es gibt aber viele Anfragen , sogar aus Kanada und Dänemark von Schulen, die Edu-sense nutzen möchten. Das ist toll“, sagt die 31-Jährige, die auf einem eigenen Youtube-Kanal ihre Arbeit bewirbt.
Leni Merx und Sophie Klugius aus der Klasse 6 sind jedenfalls begeistert: „Der Unterricht macht mehr Spaß. Wir machen jetzt viel interessantere Sachen und lernen Dinge, die mit unserem Leben und unserer Zukunft zu tun haben“, sagt Leni. Und Sophie betont: „Man hat ja im Alltag auch immer viel mit Computern und Smartphones zu tun, da sollte das in der Schule auch so sein.“ Auch die Eltern der Schüler sind am Gymnasium in Hürth stets eingeladen, den Unterricht live zu verfolgen: „Die Türen stehen bei uns immer offen zur Hospitation. Der erste Satz, den wir meistens hören ist, wie anders es im Vergleich zu früher ist“, schmunzelt Anika Buche.
Der Prozess sei jedoch noch nicht abgeschlossen, erläutert Jürgensen-Engl: „Die Digitalisierung schreitet voran. Wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler auf die Berufswelt vorbereiten, diese Ebene ist in Deutschland noch nicht sonderlich breit aufgestellt. Wir behalten die Kreidetafeln, aber gestalten den Unterricht in jedem Jahr digital weiter.“ Und Anika Buche erreicht mit ihren Vorhaben nicht nur Schüler: „Bei mir melden sich super viele Eltern, die ganz begeistert sind und fragen, ob sie noch mal mit zur Schule kommen dürfen“. Wer dies als Lehrer zu hören bekommt, hat vieles richtig gemacht.