HauptversammlungBayer-Vorstand soll nicht entlastet werden
Leverkusen – Gegenanträge der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ sind normal auf einer Hauptversammlung des Konzerns. Das läuft unter Folklore. Anders sieht es aus bei einem dritten Antrag, über den am Freitag, 26. April, in Bonn abgestimmt werden soll. Christian Strenger ist nicht irgendein Aktionär. Der Professor ist Aufsichtsrat der großen Fondsgesellschaft DWS und ein anerkannter Experte für gute Unternehmensführung. Wohl auch deshalb adeln Vorstand und Aufsichtsrat seinen Antrag mit einer Stellungnahme, in der sie die Vorwürfe zu entkräften suchen.
Wie die „Coordination“ beantragt Strenger, den Bayer-Vorstand nicht zu entlasten. Unter anderem, weil der Monsanto-Deal der „größte und schnellste Wertvernichter in der Dax-Geschichte“ sei, so der 75-Jährige: Denn inzwischen ist Bayer an der Börse nur noch rund jene 55 Milliarden Euro wert, die Werner Baumann für Monsanto ausgegeben hat. Durch den dramatischen Kursverfall der Aktie seien 30 bis 40 Milliarden Euro Börsenwert vernichtet worden, klagt Strenger. Da sei es „schon kühn, dass der Vorstand seine eigene Entlastung für das Desasterjahr 2018 empfiehlt“.
Massive Fehleinschätzungen
Nach Strengers Auffassung gab es im Zusammenhang mit der Monsanto-Übernahme massive Fehleinschätzungen. Der Vorstand habe die enormen juristischen Risiken nicht gesehen, die aus den derzeit mehr als 11 000 Klagen von Menschen resultieren, die an Krebs erkrankt sind und das auf ihre Benutzung von Unkrautvernichtern zurückführen, die Glyphosat enthalten. Im vorigen August habe der Vorstand einräumen müssen, dass er sich aus rechtlichen Gründen kein exaktes Bild von den „so gravierenden Prozessrisiken“ in Sachen Krebs und Glyphosat habe machen können.
Auch bei den kartellrechtlichen Effekten der Übernahme habe sich die Bayer-Spitze gründlich verkalkuliert: Aus der eigenen Agrochemie mussten weit größere Bereiche an die BASF verkauft werden als gedacht. Das verringere das Synergie-Potenzial des Monsanto-Deals „mal eben um 20 Prozent oder 300 Millionen Euro pro Jahr“, rechnet Strenger vor. Das schade der Aktie ganz erheblich.
Bis jetzt würden die 2016 von Werner Baumann formulierten positiven Effekte aus der Monsanto-Übernahme „nahezu vollständig verfehlt“. Wie sich da noch die „Erhöhung der Herrn Baumann zugewandten Tantieme um 28 Prozent auf 1,7 Millionen Euro rechtfertigen lassen soll, ist bisher Geheimnis des Aufsichtsrats, das er hoffentlich auf der Hauptversammlung lüften wird“, schreibt Strenger.
Baumanns Leistung nicht schlechter als 2017
Tatsächlich hat das Kontrollgremium schon jetzt reagiert. In einer Stellungnahme wird der Baumann-Bonus detailliert aufgeschlüsselt. Danach liegt das Plus für Baumann im besseren Ergebnis des Bayer-Konzerns insgesamt begründet. „Die individuelle Performance von Herrn Baumann wurde für das Geschäftsjahr 2018 auf gleichem Niveau wie für das Geschäftsjahr 2017 bewertet.“
Die „Coordination“ zielt mit ihrem Antrag gegen den Vorstand in eine ähnliche Richtung: Vorigen November habe Bayer die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen bekannt gegeben. „Die Verantwortung für dieses Desaster, das im Zusammenhang mit dem Monsanto-Deal steht, trägt der Vorstand.“ Bayer betont indes, es gebe gar keinen Zusammenhang zwischen dem Sparprogramm sowie den Plänen, Teile des Konzerns zu verkaufen und der Übernahme.
Nach Ansicht der „Coordination“ hat die Konzern-Spitze beim Kauf von Monsanto „nur auf die Zahlen geschaut“, und das habe sich als „fatal für das Geschäft erwiesen. Glyphosat steht eben nicht nur für Milliarden-Umsätze, sondern auch für Krebs, Gentechnik und Gefährdung der Artenvielfalt“. Das hätte der Vorstand einkalkulieren müssen, wie die zumindest erstinstanzlich verlorenen Prozessen in den USA gezeigten haben.
Angriff auf den Aufsichtsrat
Nach Meinung der „Coordination“ sollte auch Bayers Aufsichtsrat nicht entlastet werden. Den Konzern-Gegnern geht es aber nicht wie Strenger um die mangelnde Kontrolle des Monsanto-Deals. Vielmehr ruft die „Coordination“ Arznei-Tests in Erinnerung, die Bayer zwischen 1955 und 1978 in Kinderheimen und jugendpsychiatrischen Einrichtungen veranlasst haben soll. Zeiten, in denen es noch keine Zulassungsverfahren gab. Davon habe man bei den Präparaten Megaphen und Aolept profitiert, die im Landeskrankenhaus Schleswig an jungen Leuten getestet worden seien, zwangsweise.
Dort hätten die Ärzte gravierende Nebenwirkungen festgestellt. Auf Kontaktversuche von früheren Heimkindern habe der Vorstand „überhaupt nicht“ reagiert. Der Aufsichtsrat habe das geduldet. „Deshalb ist ihm die Entlastung zu verweigern.“