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LandwirtschaftIn Haus Bollheim bei Oberelvenich wird der Einkauf zum (Natur-)Erlebnis

Lesezeit 5 Minuten
Eine Herde braun-weiß gefleckter Kühe liegt und steht auf einer Wiese.

Solange es das Wetter erlaubt, sind die Kühe Tag und Nacht auf der Weide.

Umsatzeinbußen im Hofladen machen den Betreibern von Haus Bollheim Sorgen. Workshops und Erlebnis-Angebote sollen wieder mehr Kunden anlocken.

Wiederkäuende Kühe strahlen immer so eine Ruhe aus. Diese hier ganz besonders. Im lockeren Pulk liegen sie auf der sattgrünen Wiese, sind braun gefleckt, nicht so knochig wie klassisches Milchvieh. Und sie haben Hörner, lange, schön geschwungene Hörner. Der Name der Rasse allerdings ist wenig romantisch.

Es sind Rotbunte Doppelnutzer. Denn, Idylle hin oder her, sie sollen Milch und Fleisch liefern. Man könnte die malerische Herde als Sinnbild sehen für Gut Bollheim: Es ist ein schöner, ein ganz besonderer Ort, an dem vieles anders läuft als auf konventionellen Höfen, und wo am Ende doch ganz konventionell ein Plus in der Kasse sein muss.

Seit mehr als 40 Jahren wird nach Demeter-Regeln gewirtschaftet

Denn Haus Bollheim soll nicht nur die Familien der vier Gesellschafter ernähren, sondern insgesamt rund 70 Menschen, die dort arbeiten und zum Teil auch wohnen. Seit 1982 wird auf dem geschichtsträchtigen Hof bei Oberelvenich nach Demeter-Regeln gewirtschaftet. Und die sind deutlich strenger als die Vorgaben der EU für biologischen Landbau. Anfangs als Exoten bestaunt, hat der Hof längst einen festen Kundenkreis.

Ines von Hagenow, Christian Reiske und Olaf Seyd stehen vor einer Backsteinmauer des Hofes.

Drei der vier Gesellschafter von Haus Bollheim: Ines von Hagenow (v.l.), Christian Reiske und Olaf Seyd. Arne Mehrens ist nicht dabei.

Gemüsepflanzen ranken an Schnüren empor, die von der Decke des Gewächshauses gespannt sind.

Im Gewächshaus gedeihen Paprika, Peperoni, Basilikum und Auberginen.

Bollheimer Produkte kann man nicht nur im Hofladen vor Ort kaufen, sondern auf Marktständen und in Naturkostläden in Köln und Bonn. Doch gerade der Umsatz im Hofladen bereite derzeit Bauchschmerzen, erzählen die Gesellschafter Olaf Seyd, Ines von Hagenow und Christian Reiske. Der vierte im Bunde, Arne Mehrens, ist nicht beim Gespräch dabei. Die Corona-Pandemie hatte zunächst einen regelrechten Boom ausgelöst.

Verkauf im Hofladen ist um ein Viertel zurückgegangen

„Essen gehen konnte man nicht, so blieb mehr Zeit und Geld, um selbst zu kochen“, sagt Olaf Seyd. Doch dann kamen der Krieg in der Ukraine und mit ihm Energiekrise und Inflation. Viele Menschen haben einfach nicht mehr so viel Geld zur Verfügung. Tatsächlich sei der Verkauf im Hofladen um 25 Prozent zurückgegangen – nicht im Vergleich zum Corona-Hoch, sondern verglichen mit dem Jahr 2019.

Hühner und ein Hahn laufen auf einer Wiese.

Dank mobiler Ställe können die Hühner Auslauf genießen.

Dass es mittlerweile in Supermärkten und Discountern eine Vielfalt an Bio-Lebensmitteln gibt, sehen die Bollheimer nicht als Nachteil. Im Gegenteil: „Der Demeterverband hat diese Entwicklung mit forciert“, sagt Seyd. Es brauche Bio-Waren im Supermarkt, aber: „Jeder Verbraucher sollte die Unterschiede kennen.“

Ines von Hagenow schaut nach vorne: „Angesichts dieser Herausforderung müssen wir mit anderen Dingen punkten.“ Einkaufen auf dem Hof soll ein Erlebnis sein. Auch wenn sich die Betreiber angesichts der angespannten Lage ansonsten mit Investitionen zurückhalten, wurde das Hofcafé erweitert.

Neben Futter für die Tiere wird Gemüse angebaut

Es gibt Programmpunkte für Familien, sogar eine Käseschule in der hofeigenen Käserei. Von Hagenow: „Wir punkten mit unseren vielen Kräutern und haben uns der Slowflower-Bewegung angeschlossen.“ Deren Ziel ist es, regionale Schnittblumen anzubieten, die ohne Pestizide angebaut werden. Das größte Pfund, mit dem Bollheim wuchern kann, ist aber nach wie vor der biodynamische Anbau. Neben Futter für die Tiere wird Gemüse angebaut.

„Wir haben mehr als 40 unterschiedliche Sachen, von Salat und Kohl bis zu Tomaten und Kürbissen“, berichtet Christian Reiske, der gelernter Landwirt ist. Schon diese Vielfalt unterscheide den Betrieb von konventionellen. Die hätten meistens nur drei Kulturen. Dazu kommen rund 1100 Legehennen, die in fünf mobilen Stellen untergebracht sind. Und das Milchvieh, 70 Kühe und rund 30 Tiere an Nachzucht.

In einem langgestreckten Gemüseregal sieht man Salat, Tomaten, Kohl und vieles mehr. .

Das Gemüse von den Feldern und aus den Gewächshäusern landet im Hofladen.

Auch ein eigener Bulle steht auf dem Hof. „Bei Demeter ist der Natursprung erwünscht“, so Reiske. Sprich: Der Bulle darf die Kühe tatsächlich decken, sie werden nicht, wie sonst üblich, künstlich besamt. Das reine Bullerbü ist die Viehhaltung aber auch im Bio-Landbau nicht. 14 Tage bleiben die Kälber bei den Muttertieren, dann gehen die Kühe zurück in die Herde und werden wieder gemolken. Und irgendwann bringt Reiske sie nach Düren zum Schlachthof.

Ein Metzger verarbeitet das Fleisch, das dann tiefgefroren im Hofladen angeboten wird. Aus der Milch entstehen neben Dickmilch, Yoghurt und Quark mehr als 20 Sorten Käse. Die Viehhaltung ist die Grundlage des Kreislaufs, der den Demeter-Landbau bestimmt. Es darf nicht mehr Dünger ausgebracht werden, als die Tiere an Gülle und Dung produzieren.

Um die Fruchtbarkeit zu verbessern, gibt es „biodynamische Präparate“. Beispielsweise wird eine Hirschblase mit Schafgarbe gefüllt oder ein Kuhhorn mit Rinderdung und vergraben. Eher rationale Typen geraten da an ihre Grenzen. Aber Ines von Hagenow sagt schlicht: „Da geht es um Zusammenhänge, die wir noch nicht wissenschaftlich erklären können.“ Ja, natürlich sei der Demeter-Ansatz ein esoterischer. „Aber man muss kein Esoteriker sein, um hier zu arbeiten oder zu leben“, stellt Olaf Seyd klar.

Ein bisschen besonders müssen die Menschen aber schon sein, die auf Hof Bollheim mitmachen. Allein, dass vier Verantwortliche die Geschicke des Hofs lenken, klingt herausfordernd. Das müsse man können, heißt die Antwort. Aber die Gesellschafter ergänzten einander. Christian Reiske stellt allerdings klar: „Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft, keine Lebensgemeinschaft.“


Nicht nur Kinder können etwas erleben

Ein Erlebnisprogramm soll nicht nur bei Kindern das Interesse an biologischer Landwirtschaft und Natur im Allgemeinen wecken. Am kommenden Samstag, 10. Oktober, wird ein Workshop zum Thema Trockenblumen angeboten. Am Mittwoch, 30. Oktober, werden Gespenster-Laternen aus Kürbissen geschnitzt, und am Freitag, 15. November, steht Kerzenziehen auf dem Programm. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des biologisch-dynamisch wirtschaftenden Betriebs.