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ZirkusfamilieIm Winter hat es der Zirkus schwer

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In Zülpich hat der „Circus Laola“ mit Familienoberhaupt Eugen Neigert (2.v.r.), Ingo (v.l.), Daniela und Daniel das Winterquartier aufgeschlagen.

Zülpich – Wer das ehemalige Aldi-Gelände in Hoven an der Nideggener Straße betritt, wird zunächst stürmisch von „Carlito“ begrüßt. Der einjährige Bordercollie-Collie-Mischling gehört dem 14-jährigen Daniel Bügler und ist der absolute Liebling der Familie. Wenn was los ist auf dem verlassenen Gelände, dann freut sich der Vierbeiner. Denn „Carlito“ ist der Hund der Zirkus-Familie Neigert-Bügler, die hier vor drei Wochen ihr Winterquartier aufgeschlagen hat.

Eugen Neigert und Daniela Bügler leben in dem großen, alten Zirkuswagen, ihre beiden Söhne Ingo (26) und Daniel haben eigene Wohnwagen. Das große Zirkuszelt liegt gut verpackt auf dem Platz: Zirkusvorführungen finden jetzt im Winter keine mehr statt. Schade für „Carlito“, der den Trubel auf dem Zirkusplatz doch so liebt. Er muss bis zum Frühjahr warten.

Neben den Wohn- und Packwagen sowie der Zugmaschine sieht man zwei weitere Zelte auf dem alten Aldi-Parkplatz. Hier stehen „Schmiti“, „Peterle“ und „Seppl“, die drei Ziegenböcke der Zirkus-Familie. Zwei Jack-Russel-Rüden, „Max“ und „Jack“, machen im Zwinger Luftsprünge vor Freude. Im Zelt nebenan stehen drei Shetland-Ponys, Lama „Bubi“ und Esel „Pedro“. Sie kauen genüsslich am Stroh. Mit den Tieren treten die vier Artisten in der Manege auf, machen zudem Jonglagen und Clownsnummern. „Futter für die Tiere haben wir noch für die nächsten Wochen“, sagt Eugen Neigert.

Finanziell sieht es nicht so rosig aus im Winterquartier des „Circus Laola“. „Die Saison war nicht so gut. Durch den häufigen Regen waren die Böden oft so aufgeweicht, dass die Plätze für uns gesperrt waren“, erklärt Neigert. Dazu kam die Fußball-WM, auch da seien kaum Zuschauer gekommen. Gut, dass die Marienborn gGmbH das alte Aldi-Grundstück für die vierköpfige Zirkusfamilie kostenlos zur Verfügung stellt.

Wie seine Frau entstammt auch Eugen Neigert einer alten Zirkus-Dynastie: „Unsere Vorfahren gehen fast bis ins Mittelalter zurück, waren Gaukler, Stelzenläufer, Jongleure oder traten mit gezähmten Bären auf.“ Neigerts Vater hatte mit seinen acht Kindern noch einen großen Zirkus mit rund 70 Tieren. Aber so ein großer Zirkus war nicht mehr zu halten. „Deshalb haben wir fünf Brüder mit kleineren Zirkussen aus dem Bestand des Vaters weitergemacht“, berichtet Neigert.

Bereits dem Vater sei das Wohl der Tiere über alles gegangen. Füttern und Tierpflege hätten die Kinder übernommen. „Da blieb kaum Zeit, regelmäßig die Schule zu besuchen. Wir gingen immer dort zur Schule, wo wir gerade gastierten. Gelernt haben wir dabei allerdings nicht viel“, bedauert Neigert.

„Wir sind immer dankbar für Futterspenden, egal ob Heu oder altes Brot, damit die Tiere während unserer Winterpause versorgt sind“, sagt Eugen Neigert. Die Zirkusfamilie könnte die Spenden auch vor Ort abholen.

Um die Wintermonate für zwei und vierbeinige Artisten finanzieren zu können, würde der „Circus Laola“ auch gerne bei Events und Familienfesten auftreten.

Je nach Platzangebot könnten Auftritte mit und ohne Tiere angeboten werden. Wer den „Circus Laola“ privat buchen möchte oder eine Futterspende hat, kann sich mit Eugen Neigert unter der Telefonnummer 0163/4585790 in Verbindung setzen. (ces)

Umso glücklicher ist er heute, dass Sohn Daniel die „Schule für Cirkuskinder in NRW“ besucht. Fünf Mal pro Woche kommt eine Lehrerin zu Daniel und unterrichtet ihn. Der mittlere Schulabschluss kann vor Ort gemacht werden, das Abitur online. Träger der Zirkusschule ist die Evangelische Kirche im Rheinland, für die Prüfungen zeichnet das Kultusministerium verantwortlich.

Seit der Schulzeit von Daniel gastiert der „Circus Laola“ ausschließlich in Nordrhein-Westfalen. Denn die Zirkusschule wird nur hier, und neuerdings auch in Frankfurt, angeboten. Mit einem Schulabschluss hätten die Kinder die Möglichkeit, einen anderen Beruf zu wählen. „Mein Vater hat uns immer geraten, etwas anderes zu machen als Zirkus. Doch keiner von uns konnte sich das vorstellen. Doch tatsächlich ist fast jeder, der einmal eine Zeit lang vom Zirkus weg war, wiedergekommen. Vielleicht ist es der Geruch der Sägespäne oder das Knallen der Peitschen, das uns fehlt, wenn wir den Zirkus nicht mehr haben“, sinniert Neigert.

Das Durchhalten bei Durststrecken gehört zum Leben kleiner Zirkus-Unternehmen – vor allem im Winter, wenn Einnahmen ausbleiben und die Kosten für Futter, Tierarztbesuche und Impfungen explodieren. Und die Artisten müssen schließlich auch jeden Tag etwas zu Essen bekommen. Deshalb möchte die Zirkusfamilie an den Wochenenden für Kinder Ponyreiten sowie Tierschauen auf dem alten Aldi-Gelände anbieten.