Hohe Zinsen, Lieferengpässe, steigende Preise: Für den Experten Martin Baranzke haben Unternehmen und Bürger großes Potenzial, sich gegen die Probleme zu stemmen.
Wirtschaft im Kreis EuskirchenMechernicher sieht in der Krise auch Chancen
Gibt es so etwas wie Hoffnung in der Krise? „Ja“, sagt Martin Baranzke: „Die Zeiten sind zwar schwierig.“ Doch dann kommt auch schon das positive Aber: „Wer die richtigen Schlüsse aus der Krise zieht, der hat nachhaltig Chancen.“ Das gelte für kleinere und mittlere Unternehmen ebenso wie für Immobilienbesitzer und Mieter.
Als Abteilungsleiter des Gewerbekundencenters der Kreissparkasse Euskirchen kennt Baranzke sich aus in der lokalen Wirtschaft. Als Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises Wirtschaft bringt er seine Expertise lokalpolitisch ein. Eine Expertise, die in diesen Tagen gefragt ist.
Wer derzeit ein Ersatzteil fürs Auto oder die Heizungsanlage braucht, benötigt erstmal eines: Geduld. „Wenn der Hafen in Schanghai dichtmacht, merken wir das auch hier“, umschreibt Baranzke die Lieferengpässe.
Doch es mache Mut zu sehen, wie sich die Unternehmen gegen dieses Problem stemmen. „Sie bauen wieder vermehrt Lagerstätten, um sich mit Material eindecken zu können, wenn es welches gibt“, erzählt er. Denn mit „just in time“ – sich also die Teile dann erst liefern lassen, wenn sie auch gebraucht werden– läuft es nicht mehr so gut. „Was viele gar nicht wissen“, kündigt Baranzke einen Tipp an: „Für zusätzliches Personal, das etwa in einer neuen Lagerhalle gebraucht wird, gibt es staatliche Zuschüsse.“
Veränderungen für Wirtschaft im Kreis Euskirchen allerorten spürbar
Bis zu 200.000 Euro seien bei diesem Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm (RWP) unter bestimmten Voraussetzungen für die entsprechende Firma drin.
Die Veränderungen in der lokalen Wirtschaft sind allerorten spürbar. Die Bautätigkeit werde abnehmen, Stornierungen nähmen bereits zu, sagen Experten. Baranzke stimmt ihnen zu. Weniger Baumaterial und lange Lieferzeiten sorgen für nervende Wartezeiten und steigende Preise. Die Inflation treibt die Zinsen und damit die Ratenzahlungen bei Immobilienkrediten hoch. Für viele platzt der Traum von den eigenen vier Wänden. „Wie soll man da auch planen?“, zeigt Baranzke Verständnis.
In dieser Gemengelage seien auch Vermieter gezwungen, anders zu kalkulieren als bisher. Sollen die Mieten die Immobilen-Kreditraten tragen, müssten die bei steigenden Zinsen ebenfalls steigen.
Hohe Nachfrage nach energetischer Instandsetzung von Wohnhäusern
„Dann müssen aber die Nebenkosten möglichst niedrig sein“, sagt Baranzke. Sonst summierten sich Kaltmieten und Nebenkosten in für viele Menschen unerschwingliche Höhen. Angesichts steigender Energiekosten nähmen potenzielle Mieter den Energieausweis viel genauer in Augenschein als früher.
Dadurch, so stellt Baranzke fest, steige die Nachfrage nach energetischen Sanierungen. Und sie werde weiter steigen, prophezeit er. Denn wenn der Gaspreis steigt, rechnen sich Dämmung, Wärmepumpe und Photovoltaik nicht nur für Mietshäuser, sondern auch für Firmengebäude und Eigenheime. „Die Technik ist inzwischen so weit, dass sich im günstigen Fall Ein- oder Zweifamilienhäuser fast selbst versorgen können“, stellt Baranzke fest.
Und hier habe der Kreis Euskirchen mit einem hohen Anteil solcher kleinerer Wohneinheiten aus den 50er- bis 90er-Jahren großes Potenzial. „Ein Hochhaus energetisch zu sanieren, ist natürlich viel aufwendiger“, beschreibt er die weniger komfortable Situation in Ballungsgebieten.
Vorausschauende Planung wegen Fachkräftemangel noch wichtiger
Es gebe also noch viel zu tun für die entsprechenden Sparten des heimischen Handwerks, also Sanitärfirmen, Dachdecker oder Solarunternehmen zum Beispiel. Wenn es da nicht an Material und Fachkräften mangelte. Aber gerade wegen der langen Wartezeiten, berichtet Baranzke, sollten energetische Sanierungen frühzeitig geplant werden – am besten mit profunden Beratern.
„Es wird aber auch höchste Zeit, dass die Bundesregierung erklärt, wie die künftigen Förderungen in diesem Bereich aussehen werden“, erklärt der Mechernicher. Denn erst dann könne besser geplant werden.
„Und gute Unternehmer“, so weiß Baranzke aus langer Erfahrung, „zeichnen sich durch gute Planung aus.“ Das sei schon in normalen Zeiten so – und in Krisenzeiten erst recht.
Kleine Zahlen, große Wirkung
Wie sich Zinserhöhungen bei Immobilienkrediten für Objekte zur Kapitalanlage auf den Wert der Objekte finanzmathematisch auswirken, lässt sich an folgenden Beispielen zeigen: Bei einem Zins von einem Prozent und einer Tilgung von zwei Prozent müsste der Anleger bei einem Objekt mit einer Finanzierungssumme von einer Million Euro eine jährliche Kaltmiete in Höhe von 30 000 Euro erzielen, damit die Miete die Raten (drei Prozent von einer Million) vollständig decken kann.
Das bedeutet: Das Objekt dürfte inklusive Nebenkosten dann zirka das 33-Fache der Jahreskaltmieten kosten. (33 mal 30 000 = 1 Million). Bei einem Kredit für beispielsweise eine einzelne Wohnung in Höhe von 500.000 Euro würden 15.000 Euro Jahreskaltmiete gebraucht, um Zins und Tilgung damit tragen zu können.
„Natürlich hängt der Zinssatz von der Höhe der Finanzierungssumme im Verhältnis zum Kaufpreis ab. Kaufpreise von vom 30-Fachen der Nettokaltmiete kamen jedoch durchaus vor“, so Martin Baranzke, Abteilungsleiter des Gewerbekundencenters der KSK.
Steigt der Zins, etwa auf nur drei Prozent und die Tilgung bleibt bei zwei Prozent, müsste der Vermieter bei dem Eine-Million-Euro-Projekt fünf Prozent von einer Million, also schon 50.000 Euro Jahreskaltmiete einnehmen, um Zins und Tilgung damit zu bedienen. Der Wert des Objekts dürfte dann nur noch beim 20-Fachen (20 mal 50.000 = 1 Million) der Jahreskaltmieten liegen. Derzeit liegen die Zinsen über den drei Prozent.
Sollte eine Erhöhung der Mieten nicht machbar sein und die Miete weiter bei 30.000 Euro liegen, könnte damit bei einer Annuität von fünf Prozent nur noch der Kapitaldienst für ein Darlehen in Höhe von 600.000 Euro erbracht werden. Sollte der Verkäufer den Preis nicht senken wollen, müsste der Käufer ein deutlich höheres Eigenkapital einsetzen.
Ob ein Immobilienbesitzer eine höhere Miete verlangen kann, hängt vom Zustand der Wohnung ab – hier angesichts der steigenden Heizkosten vor allem vom energetischen Zustand. Dazu ein rechnerisches Beispiel mit einfachen Zahlen: Fallen beispielsweise bei einer 80-Quadratmeter-Wohnung zehn Euro pro Quadratmeter Kaltmiete an und die Nebenkosten ließen sich aufgrund des energetisch guten Zustands beispielsweise in Kombination mit einer Photovoltaikanlage auf zwei Euro eingrenzen, lägen die Gesamtkosten der Wohnung bei 960 Euro, bei Nebenkosten von fünf Euro jedoch bei 1200 Euro.
Die Nebenkosten werden daher bei der Vermietung von Wohnraum zu einem immer wichtigeren Faktor.