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Hilfen in WeilerswistArbeitslosengeld II für Geflüchtete aus der Ukraine

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Hilft der Geflüchteten Alevtina Baranova (2.v.l.) beim Ausfüllen von Formularen: Yvonne Jonen (1.v.l).

Weilerswist – Ein neues Gesetz soll ukrainischen Geflüchteten bald das Leben in Deutschland weiter erleichtern. Marcus Derichs, Beigeordneter in der Gemeinde Weilerswist, erklärt: Aktuell werde die Gesetzesänderung darüber verabschiedet, dass Geflüchtete aus der Ukraine ab dem 1. Juni Ansprüche auf Versorgung mit Arbeitslosengeld II erhalten – sofern sie erwerbstätig sind. 449 Euro von der Arbeitsagentur statt der bisherigen 330 Euro aus dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten alleinreisende Erwachsene dann monatlich. Auch gesetzliche Krankenkassenleistungen erhalten die Betroffenen dann.

In der Gemeinde Weilerswist haben sich die Beteiligten, die den sogenannten Rechtskreiswechsel dann vor Ort umsetzen müssen, bereits vorher kurzgeschlossen. Johannes Klein, Bereichsleiter Leistung im Jobcenter Euskirchen, und seine Kolleginnen und Teamleiterinnen Elvira Schulze und Iris Schröder hätten bereits alles in die Wege geleitet, um den Ukrainerinnen und Ukrainern den Wechsel zu erleichtern.

Fragebogen auch in ukrainischer Sprache

Entstanden sei die Zusammenarbeit mit der Verwaltung und der Flüchtlingsinitative durch einen Anstoß der beiden genannten Teamleiterinnen und Yvonne Jonen, Sachbearbeiterin für Geflüchtete der Gemeinde Weilerswist.

Besonders wichtig sei es gewesen, die entsprechenden Anträge für die Geflüchteten vorzubereiten. Die Anträge müssen auf Deutsch ausgefüllt werden – für viele Ukrainerinnen und Ukrainer eine Hürde. Deshalb haben Schulze und Schröder in Zusammenarbeit mit Jonen den Fragebogen sowohl auf Deutsch als auch auf Ukrainisch mit kyrillischer Schrift verfasst.

Viele Ukrainer wollen kein Russisch sprechen

Doch damit sei es nicht getan, erklärt Anastasia Schmidt, die eigentlich bei der Gemeinde für die Kinder- und Jugendarbeit angestellt ist und freiwillig als Dolmetscherin für die Geflüchteten arbeitet.

„Ukrainisch und Russisch sind verschiedene Sprachen. Viele Ukrainer können zwar Russisch, aber es gibt manchmal welche, die es nicht sprechen wollen – und das kann ich auch verstehen. Aber leider kann ich kein Ukrainisch.“

Beim Ausfüllen der Fragebögen wird geholfen

Warum die Ukrainer kein Russisch sprechen wollen? „Weil sie sehr emotional sind, was das Thema angeht“, erklärt Schmidt. Eine Frau etwa habe sich geweigert, Russisch zu sprechen, sei aber während des Gesprächs mit ihr, ohne es zu merken, dann doch in die Sprache gewechselt. Es gehe den Menschen, die sich weigerten, also mitnichten darum, sich querzustellen. Es sei vielmehr eine Reaktion auf die erschütternden Kriegsereignisse.

Neben den normalen Beratungszeiten haben die Beteiligten nun separate Sprechstunden angeboten, um den Geflüchteten beim Ausfüllen der Anträge zu helfen. „Das war ein voller Erfolg“, sagt Jonen und Schulze ergänzt: „Es waren so viele Leute hier, da war eine lange Schlange auf dem Flur.“

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Arbeiten zusammen: Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung, der Flüchtlingshilfe und der Euskirchener Arbeitsagentur.

Vor allem Frauen und Kinder sind in dem Weilerswister Flüchtlingsheim untergebracht. „Die Ukrainerinnen kommen eigenständig auf uns zu, um sich zu integrieren“, berichtet die Teamleiterin weiter: „Die wollen arbeiten, die wollen ihre Kinder in die Schule schicken und der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ Und: „Viele sind Perfektionisten. Es ist ihnen unangenehm, wenn sie einen Fehler machen, sie wollen die Anträge perfekt ausfüllen.“

„Wir wurden sehr gut hier aufgenommen“

Alevtina Baranova ist eine von den Ukrainerinnen, die das Angebot bereits in Anspruch genommen haben. Mit ihren drei Kindern wohnt sie in der Weilerswister Flüchtlingsunterkunft.

Sie spricht noch kein Deutsch, warte aber auf die Genehmigung, um an einem Deutschkurs teilzunehmen. Deshalb gibt Dolmetscherin Schmidt gleich einen Einblick in ihre freiwillige Arbeit in der Unterkunft und übersetzt: „Wir wurden sehr gut hier aufgenommen, alle sind sehr hilfsbereit“, berichtet sie.

Die Ukrainehilfe Bad Münstereifel

1400 Geflüchtete im Kreis Euskirchen

Die Ukrainehilfe Münstereifel hatte kürzlich ihr erstes Treffen und begrüßte im Iversheimer Pfarrheim rund 60 Geflüchtete, Gastfamilien und hilfsbereite Einheimische. Die Initiatoren, die Eheleute Sylvie und Guy Féaux de la Croix, freuten sich über den Zuspruch. Erdmann Bierdel, Integrationsbeauftragter des Kreises, richtete nicht nur Grüße von Landrat Markus Ramers aus, sondern hatte auch Zahlen parat: „Über 1000 der im Kreis Euskirchen aufgenommenen rund 1400 Vertriebenen aus der Ukraine haben in privaten Haushalten Zuflucht gefunden.“ Zwar haben viele Geflüchtete noch Ungewissheit bezüglich staatlicher Unterstützungsmaßnahmen und Integrationsprogramme. Für die Stadt machte Gerda Melder aber klar, dass die Verwaltung mit großem Engagement bei der Aufnahme und Betreuung von Geflüchteten helfe. Für Sylvie Féaux de la Croix ist das „ein gutes Zeichen der Menschlichkeit, dass Menschen, denen gestern noch in größter Not geholfen worden ist, nun die Kraft finden, das Leid anderer Menschen zu lindern.

Die Münstereifeler Ukrainehilfe sucht Mitstreiter, die etwa eine Internetseite erstellen können. Auch Lehrer, die Erfahrung mit Deutsch als Fremdsprache haben, können sich bei der Ukrainehilfe (per Mail) oder der Stadt Bad Münstereifel melden. Anfang Juni soll es ein nächstes Treffen geben. Thema soll die administrative Beratung der Geflüchteten sein, es geht um Aufenthaltserlaubnisse, finanzielle Nothilfen, ärztliche Versorgung, Deutschkurse und die berufliche Integration. Dazu will die Ukrainehilfe Experten von Kreis, Stadt und Wohlfahrtsverbänden einladen.

Auf Englisch erzählt sie von ihrer Flucht: Nachts seien sie mit dem Auto aus der Ukraine geflohen, erst nach München, dann nach Köln und von dort aus sei es weiter nach Weilerswist gegangen. „In München hat man uns teils einfach abgewimmelt, dann haben wir gehört, dass es in Köln besser sein soll. Von dort aus sind wir hierher gekommen und wirklich froh, weil wir hier mit Respekt behandelt werden“, führt sie auf Russisch aus.

Ihre Eltern und ihr Mann seien noch in der Ukraine. „Das sind Patrioten, die wollen das Haus nicht zurücklassen“, erklärt sie.

Die Tochter wartet auf einen Schulplatz

Die Sorge um ihre Familie sei natürlich enorm. Aktuell sei sie auch um ihre Kinder besorgt, die zwar bei ihr sind, aber sich mit der neuen Situation arrangieren müssen: „Meine Tochter wartet auf einen Schulplatz. Ich merke, dass sie unruhig wird.“

Baranova überlegt nach eigenen Aussagen sogar, auf lange Sicht in Deutschland zu bleiben: „Ich mag es hier. In der Ukraine war ich im Familienbetrieb als Sachbearbeiterin in der Touristik tätig. In Deutschland möchte ich mich umschulen lassen.“ Einen klassischen Bürojob wünsche sie sich.

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Nun erleichtert es ukrainischen Geflüchteten die Integration in Deutschland, Ansprüche auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende geltend machen zu können. Aber es drängt sich womöglich die Frage auf, wie die Gemeinde mit den anderen Geflüchteten verbleibt. Zwar sei der Rechtskreiswechsel für ukrainische Geflüchtete vorgesehen. Die Gemeinde versuche aber, vergleichbare Leistungen für andere Geflüchtete bereitzustellen, sagt Jonen.

„Das hat den Hintergrund, dass die Ukrainer einen anderen rechtlichen Status hier haben. Die haben eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 24“, so Jonen. Das sei ein Novum, für andere Geflüchtete gelte das nicht. „Dadurch ist ein sofortiger Wechsel zum SGB 2 vorgesehen“, erklärt sie.