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Tests gefordertKita-Leiterinnen in Sorge um Gesundheit von Kindern und Mitarbeiter

Lesezeit 6 Minuten

Die Kinder aus verschiedenen Gruppen der DRK-Kita in Groß-Vernich dürfen zum Schutz vor dem Coronavirus nicht mehr zusammen spielen. Das Außengelände wurde mit Absperrband in einen Spielbereich pro Gruppe unterteilt.

  1. Die Mitarbeiter der Kita des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Groß-Vernich haben in den vergangenen Wochen bis zu 16 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren täglich notbetreut.
  2. Im Kita-Alltag gibt es deshalb zahlreiche Maßnahmen, um das Infektionsrisiko von Mitarbeitern und Kindern so gering wie möglich zu halten.
  3. Dabei gestaltet es sich nicht einfach Abstand zu den Kindern zu halten.

Kreis Euskirchen – Iris Böhme leitet seit dem Jahr 2000 die Kita des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Groß-Vernich. „Dass wir sowas mal erleben, hätte ich nie für möglich gehalten“, sagt sie zum Coronavirus, das den Alltag in der Einrichtung auf den Kopf gestellt hat. Die Mitarbeiter haben in den vergangenen Wochen bis zu 16 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren täglich in der Kita notbetreut, weil deren Mütter zum Beispiel in einem der sogenannten systemrelevanten Berufe wie etwa in der Pflege arbeiten oder alleinerziehend sind.

Seit Donnerstag sind weitere Kinder hinzugekommen, die wegen der Lockerungen der NRW-Landesregierung nach der offiziellen Schließung der Kitas Mitte März wieder Anspruch auf eine Betreuung dort haben. Der Anspruch ist für alle Kinder allerdings aktuell noch auf die Zeit begrenzt, in der die Eltern arbeiten und keine andere Betreuung finden.

In den Kita-Alltag in Groß-Vernich fließen wegen des Coronavirus nun zahlreiche Maßnahmen ein, die das Infektionsrisiko von Mitarbeitern und Kindern so gering wie möglich halten sollen: Die Eltern etwa dürfen die Kita nicht mehr betreten und müssen ihr Kind an der Eingangstür abgeben. Für die Kinder steht stündliches Händewaschen auf dem Plan. „Normalerweise haben wir ab 10 Uhr offene Gruppen und die Kinder können aus allen Gruppen miteinander spielen, das geht derzeit nicht“, erklärt Böhme. Absperrbänder unterteilen das Außengelände der Kita in verschiedene Bereiche, damit sich die Kinder aus den vier Gruppen auch dort nicht mischen.

Abstand zu Kindern ist kaum möglich

In den Gruppen gibt es verschiedene Spielstationen, sodass die Kinder möglichst mit Abstand spielen. Wobei das „möglichst“ hier groß zu schreiben ist, wie die 54-jährige Kita-Leiterin weiter erklärt: „Wir können absolut nicht verhindern, dass die Kinder zusammenspielen“, sagt sie. Wenn ein Kind etwa hinfalle und getröstet werden will, dann sei auch der Abstand zwischen Erzieher und Kind nicht mehr möglich: „Kinder auf Entfernung zu trösten, das geht nicht.“

Böhmes Meinung über die Entscheidung der Landesregierung, die Kitas nun schrittweise wieder für alle Kinder zu öffnen, ist zwiegespalten: „Wir sehen, dass viele Kinder die sozialen Kontakte aus der Kita brauchen“, sagt sie. Die Freunde und Erzieher als Bezugspersonen seien sehr wichtig. Vor allem den Vorschulkindern seien in den vergangenen Wochen zudem viele Bildungsmöglichkeiten entgangen. „Aber wir haben auch das Gefühl, dass viele denken, wir seien als Erzieher immun gegen das Virus“, berichtet die 54-Jährige weiter. Seitens der Politik werde zu wenig auf das Risiko geachtet, welchem die Erzieher in der Kita ausgesetzt sind: „Angst davor, mich durch die Kinder zu infizieren, habe ich nicht. Respekt aber schon“, so Böhme.

Pfeffer zeigt, wie Viren nach dem Händewaschen verschwinden.

Sie selbst würde sich sicherer fühlen, wenn auch das Personal in Kitas regelmäßig auf das Virus getestet würde: „So könnte das Risiko für uns als Gemeinschaft aus Erziehern und Kindern eingedämmt werden.“ Einen Wunsch, den auch die Leiterin der DRK-Kita in Lommersum teilt: „Es ist ein Unding, dass wir als Erzieher nicht getestet werden“, sagt Sabine Terlinden. „Eine Kassiererin sitzt hinter einer Plexiglasscheibe, wir nicht.“

Seit den zahlreichen Lockerungen für Geschäfte und Einrichtungen beobachte sie vermehrt, so die 59-Jährige, dass die Disziplin der Kita-Eltern, sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten, nachlasse. „Wenn die Kinder nachmittags noch mit anderen auf den Spielplatz gehen und am nächsten Tag wieder in die Kita kommen, dann mache ich mir schon Sorgen um die Gesundheit aller“, berichtet sie. Auch wenn sie die Entscheidung der Eltern aus menschlicher Sicht nachvollziehen könne.

Verantwortung der Eltern

„Wir sind darauf angewiesen, dass die Eltern verantwortungsvoll mit den Kontaktbeschränkungen umgehen, um uns als Erzieher und die Kinder vor Ort zu schützen. Wenn wir die Einrichtung im Fall einer Infektion schließen müssen, gibt es für niemanden mehr eine Notbetreuung“, so Terlinden. Denn auch in ihrer Einrichtung, in der die Erzieher unter sich penibel auf Abstand achteten, sei der Abstand zu den Kindern kaum möglich. Konkrete Vorschläge seitens der Landesregierung, wie sich die Mitarbeiter schützen könnten, habe es bislang keine gegeben.

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Stattdessen habe das DRK als Träger die Kita mit Infos zu Hygienemaßnahmen versorgt und den Kita-Mitarbeitern Nasen-und-Mundschutze und Gesichtsvisiere zum eigenen Schutz angeboten: „Uns ist bewusst, dass es unrealistisch ist, auf Dauer in der Kita Abstand zu halten“, so DRK-Kreisgeschäftsführer Rolf Klöcker.

Mittagessen mit Abstand: Damit die Kita-Kinder sich in Groß-Vernich nicht zu nahe kommen, bleibt zwischen ihnen ein Platz frei.

Auf Anfrage erklärte er weiter, dass es nach Absprache mit dem Kreisgesundheitsamt „wenig Sinn“ mache, einzelne Mitarbeiter der Kitas prophylaktisch auf das Virus zu testen. Eine derartige Anfrage sei zudem bislang aus keiner der 32 Kitas im Kreis gekommen. Tests seien seitens des DRK erst vorgesehen, sollte sich in der Kita ein Corona-Fall bestätigen.

Gesonderte Betreuung bei Tagesmutter und Tagesvater

„Auf die Betreuung von Kindern, deren Eltern in einem systemrelevanten Beruf arbeiten, sind wir als Tagesmütter und -väter quasi spezialisiert“, erzählt Tagesmutter Gabriele Thien. Deshalb habe sie in ihrer Gruppe in Bad-Münstereifel-Eschweiler während der Notbetreuung unter strengen Hygieneauflagen teilweise bis zu fünf Kinder gleichzeitig betreut. Genauso viele wie zu der Zeit, als das Corona-Virus noch nicht für Einschränkungen sorgte. Teilweise blieben die Kinder auch über Nacht bei ihr, weil es den Eltern durch ihre Berufe nicht möglich sei, sich immer aufzuteilen. Auch bei ihr finde die Betreuung zurzeit allerdings nicht im gewohnten Umfang statt.

Angst, sich bei den Kindern anzustecken, haben weder sie noch ihr Kollege Andreas Fuhr, der als Tagesvater in Eschweiler arbeitet. „Ich weiß zwar nicht, wo das alles hinführt, aber weil wir bei der Arbeit sowieso öfters mit Grippeviren in Berührung kommen, fühle ich mich mit meinem Immunsystem gut gewappnet“, so Fuhr. Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, habe er privat seine Kontakte eingeschränkt. Seine eigenen Kinder sehe er nur noch über den Bildschirm.

Mit Mund-und-Nasenschutz zu arbeiten, ist für Gabriele Thien nicht sinnvoll: „Als Tagesmütter haben wir einen sehr innigen Kontakt zu den Kindern, da können wir nicht mit Mundschutz arbeiten“, so Thien.

Abstand halten sei auch in der Tagespflege kaum möglich, wie Kollege Fuhr berichtet: „Die Kinder müssen kindgerecht versorgt und ihre Bedürfnisse gestillt werden. Da geht es nicht nur um das Körperliche, wie beim Wickeln, sondern auch um Trost, den sie brauchen, wenn sie auf den Arm wollen.“ Der Schutz, der sich im Alltag am meisten realisieren lasse, sei Händewaschen. (smh)

Die zur Risikogruppe gehörenden Mitarbeiter der Kitas können laut Klöcker aktuell bei voller Bezahlung von zu Hause aus Arbeiten übernehmen. Etwa ein Viertel der Kita-Mitarbeiter gehöre wegen des Alters oder Vorerkrankungen zu der Gruppe. Die schrittweise Öffnung der Kitas sieht Klöcker als „durchaus positiv“ an. „Auf der anderen Seite sehen wir auch die Gefahren für unsere Mitarbeiter. Da müssen wir schauen, ob wir noch weitere Maßnahmen treffen müssen. Die Lage ändert sich ja jeden Tag“, so Klöcker weiter.

Gebastelte Coronaviren der Kita-Kinder in Lommersum.

Anders sieht es bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) aus. Dort sind im Verdachtsfall in der Vergangenheit bereits Kita-Mitarbeiter im Kreis auf das Coronavirus getestet worden, wie die Leiterin des Geschäftsbereiches Elementarpädagogik, Anna Schlößer, vom Regionalverband Rhein-Erft und Euskirchen berichtete. Die Mitarbeiter, die zur Risikogruppe gehören, arbeiteten nach wie vor in den Kitas mit, allerdings ohne Kontakt zu den Kindern.