Helmut Grohn aus Bad Münstereifel war der erste Impfling in Marmagen.
Am ersten Tag wurden mehr als 100 Senioren im Imfzentrum des Kreises Euskirchen mit der ersten Dosis versorgt.
Im Video berichtet Helmut Grohn gut gelaunt von seinem Impftermin.
Nettersheim-Marmagen. So ist das eben in der Eifel: Zuerst müssen die Verwandtschafts- und Bekanntschaftsverhältnisse geklärt werden. Da erfährt Landrat Markus Ramers, dass Helmut Grohns Enkel in seiner Klasse im Bad Münstereifeler Gymnasium gewesen ist. Arzt Frank Gummelt kennt selbstverständlich Grohns Hausarzt – dass Grüße auszurichten aufgetragen wird, versteht sich. Und für die Soldaten in der einstigen Eifelhöhen-Klinik hat Grohn flott eine Anekdote aus seiner Zeit als Fernmelder in Koblenz in petto. Helmut Grohn aus Bad Münstereifel, 80 Jahre alt, topfit und bestens gelaunt, ist der Erste, der am Montag in Marmagen gegen das Coronavirus geimpft wird.
Als die Verantwortlichen des Impfzentrums Grohn kennenlernen, verfliegt die Anspannung, die vor dem Start geherrscht hat. „Oh, leever Jott...“ – die Stimmung ist gelöst, als der Senior den Bläck-Fööss-Klassiker anstimmt, bevor Gummelt beherzt Grohns Rollstuhl packt und mit ihm die Aufzüge ansteuert, um ihn in eines der Impfzimmer im ersten Stock zu bringen.
Singen ist ohnehin Grohns Ding. Aber Seemannslieder mag er noch mehr als rheinisches Liedgut. „Seemann, deine Heimat ist das Meer“, stimmt Grohn volltönend an, als er sich mithilfe seiner Ehefrau Martina der warmen Kleidung entledigt, um den „Impfarm“ frei zu machen und Gummelt zum Impfstoff greift.
Ob er aufgeregt sei, wird Grohn gefragt. Auf keinen Fall: „In dem Alter nicht mehr.“ Ob er denn noch Fragen habe, erkundigt sich Gummelt. „Ja. Wann kommt die nächste Rentenerhöhung?“ Es wird gelacht im Impfzimmer, bevor Gummelt erklärt, dass Grohn und die anderen mehr als 100 Impflinge an diesem Tag den Impfstoff von Biontech-Pfizer erhalten und in 21 Tagen die zweite Impfung fällig ist.
Kurz muss Gummelt Grohn ermahnen, den Arm bitte ganz locker zu halten. Der findet das Desinfektionsmittel dafür arg kalt. Doch die Impfung selbst? Ein Klacks. „Da hab’ ich gar nichts von gemerkt. Ich bin doch ’ne Eefeler Jong“, sagt Helmut Grohn. Schließlich sei er ja ganz anderes gewohnt: 30 Mal habe er immerhin schon Blut gespendet.
Der Ablauf im Impfzentrum in Marmagen
Impflinge durchlaufen Kreis
Einen Kreislauf haben die Impflinge im Regionalen Impfzentrum in Marmagen zu absolvieren, wie Udo Crespin, Chef des Führungsstabs, erklärt. Damit alles reibungslos vonstatten geht, sind verschiedenste Organisationen eingebunden: Vom THW, das für den Verkehr und die Abläufe draußen zuständig ist, bis zum DRK in der Nachbeobachtung im Anschluss an die Impfung.
Impfberechtigung
Die Impfberechtigung steht vor dem Eingang im Fokus. Der Sicherheitsdienst kontrolliert, ob der Impfling sie dabei hat. Falls nicht, ist das kein Beinbruch: Am Empfang sind die Daten hinterlegt, so dass die Dokumente erneut ausgestellt werden können.
Temperaturmessung
Um die Temperatur geht es eine Station danach bei den Maltesern. 38,5 Grad ist die Grenze – doch auch, wer darüber liegt, wird nicht gleich nach Hause geschickt. Ist die Temperatur nach einigen Minuten nicht unter diese Marke gesunken, wird ein Arzt gerufen, der die Entscheidung trifft, ob der- oder diejenige trotzdem zur Impfung darf oder tatsächlich nach Hause und einen neuen Termin vereinbaren muss.
Rezeption
Das „Einchecken“ mit der Kontrolle der Einwilligungserklärung und des Aufklärungsbogens übernehmen Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) an der Rezeption der einstigen Klinik.
Impfstationen
In den Gängen sind zehn Soldaten der Bundeswehr stationiert, die am Montag ihren Dienst im Impfzentrum angetreten haben. Sie weisen den Impflingen den Weg und sorgen dafür, dass die vorgeschriebenen und markierten Laufrichtungen eingehalten werden.
In den Impfstationen übernimmt die KV wieder: Ärzte und medizinisches Fachpersonal verabreichen den Impfstoff, der zuvor hinter verschlossener Tür von Apothekern und deren Mitarbeitern aufbereitet worden ist
Nachbeobachtung
Die Nachbeobachtung der Impflinge, die 15 bis 30 Minuten dauert, liegt in der Regie des DRK. Es wird sichergestellt, dass es den Impflingen gut geht und es nicht etwa zu einer allergischen Reaktion kommt. (rha)
Mit guten Wünschen werden Helmut und Martina Grohn – sie ist noch zu jung für die Impfung – in die Obhut des DRK übergeben, damit er noch eine halbe Stunde in einem Zimmer zur Nachbeobachtung bleibt.
Zunächst sind die Kreisbürger, die 80 Jahre und älter sind, in Marmagen an der Reihe. 800 Impfdosen pro Woche stehen dem Kreis für sie zur Verfügung. Mittags wird der empfindliche Biontech-Impfstoff angeliefert und aufbereitet. Zwei Apotheker pro Schicht übernehmen dies. „Hochkonzentriert“, erklärt Dr. Thomas Göbel von der Mechernicher Glück-auf-Apotheke, der am Montag den Dienst versieht, müsse dabei gearbeitet werden, um aus jedem Fläschchen Konzentrat sechs der wertvollen Dosen zu gewinnen. Er hat schon Erfahrung dabei: Bei der mobilen Impfung von 2500 Menschen seien er und seine Mitarbeiter dabei gewesen.
6000 Impfungen haben die mobilen Teams bereits in den Altenpflegeeinrichtungen im Kreis verabreicht, weiß Udo Crespin, Leiter des Führungsstabs, zu berichten. Erhalten haben die rund 4400 Impflinge – 1600 Menschen haben demnach bereits beide erforderlichen Dosen bekommen.
Wie viele Kreisbürger in welcher Zeit in Marmagen immunisiert werden können, hängt laut Crespin und Ramers entscheidend von der Zuweisung des Impfstoffs durch das Land ab. 800 Biontech-Dosen sind es zunächst pro Woche. Ab Mittwoch kommen 800 Dosen des Astrazeneca-Vakzins hinzu: Die Zahl der Impflinge in Marmagen verdoppelt sich dann direkt von 113 auf 226 pro Tag. Da den Astrazeneca-Impfstoff jedoch nur Unter-65-Jährige erhalten sollen, werden damit zunächst die Mitarbeiter in der ambulanten Pflege, im Rettungsdienst und externe Kräfte in Pflegeheimen geimpft. Auch dafür ist wieder eine Prioritätenliste erstellt worden. Mit zweimal 800 Dosen pro Woche plant der Kreis bis Ende Februar – danach hoffen die Verantwortlichen auf mehr Impfstoff.
Reserven dafür hat der Stab um Crespin in Marmagen vorgesehen. Die derzeitigen Impfzeiten von 14 bis 20 Uhr können auf 8 bis 20 Uhr ausgeweitet werden, die Impfstationen von drei auf fünf, das in der einstigen Klinik je Schicht anwesende Personal von aktuell 43 auf 64. 600 Impfungen pro Tag sind in Marmagen maximal durchführbar. Sollte ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen, bringt Ramers flexible Lösungen wie Außenstellen oder Schwerpunktpraxen ins Spiel – eine Art zweite Impfstelle eben.
Während das Konzept, das Crespin und der Stab seit November geplant und Mitte Dezember startklar gemeldet haben, wie selbstverständlich funktioniert, hat Ramers eine stille Minute in der Andacht zum Start in Marmagen mit Pater Wieslaw Kaczor genutzt, sich genau darüber Gedanken zu machen: „Mir ist noch mal bewusst geworden, was das für eine Jahrhundertaufgabe ist.“