Sondersitzung in EuskirchenMobilitätswende kostet jährlich hunderte Millionen Euro
Euskirchen – Das Ziel ist im Koalitionsvertrag klar definiert. Um mindestens 60 Prozent soll nach Wunsch von CDU und Grünen in NRW der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bis zum Jahr 2030 ausgebaut werden. Als „visionär, wenn nicht gar utopisch“ bezeichnete Hendrik Koch, Direktor der Mobilité Unternehmensberatung, die bundesweit ausgerufenen Ziele, die Verkehrswende bis 2030 zu schaffen. Koch war jetzt auf Einladung des Kreises Euskirchen in einer Sondersitzung des Mobilitätsausschusses zu Gast.
Die Unternehmensberatung ist vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) beauftragt worden, ein Gutachten zu erstellen, das dem Ziel der Verkehrswende ein Preisschild anhängt. Um für alle Städte und Gemeinden im VRS-Gebiet das Koalitionsziel von 60 Prozent und mehr an ÖPNV-Angebot zu realisieren, müssten jährlich mindestens 870 Millionen Euro aufgewendet werden – unter der Prämisse, dass bei der nötigen Angebotssteigerung auch die Nachfrage signifikant steigt.
„Mehrbedarf steigt voraussichtlich auf 500 Millionen Euro jährlich“
„Das macht einen Mehrbedarf an Finanzmitteln von mindestens 300 Millionen Euro jährlich gegenüber dem Status quo“, sagte Koch: „Durch die aktuell hohen Kostensteigerungen, beispielsweise für Personal und Energie, sowie die vorgeschriebenen Investitionen in alternative Antriebe steigt dieser Mehrbedarf in den nächsten Jahren voraussichtlich auf bis zu 500 Millionen jährlich.“
Beim Finanzierungsplanspiel wird der Kreis Euskirchen laut Koch mit 2,5 Prozent belastet. Das wären nach Angaben des Experten 12,5 Millionen Euro, die jährlich im Kreishaushalt einkalkuliert werden müssten. Als dieser Betrag auf der Leinwand im Sitzungssaal aufploppte, schauten sich Landrat Markus Ramers und sein Allgemeiner Vertreter Achim Blindert an – als wollten sie fragen, wo denn dieses Geld herkommen solle. „Das Finanzierungsgutachten für den VRS ist ein sehr spannendes und zukunftsweisendes Projekt für nachhaltige Mobilität im Rheinland“, so Koch.
Weniger Fahrgelderlöse als in der Zeit vor Corona
Michael Vogel, Geschäftsführer des VRS, der ebenfalls im Kreishaus zu Gast war, sagte: „Wir freuen uns, der Politik mit diesem Gutachten hierzu eine fundierte Grundlage an die Hand geben zu können.“
Vogel hatte auch andere Zahlen im Gepäck. Nach seinen Worten ist 2022 ein „schwieriges Geschäftsjahr“. Die Fahrgelderlöse seien wieder hinten denen aus der Zeit vor der Corona-Krise zurückgeblieben. Der Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) macht Vogel zufolge in diesem Jahr einen Verlust in Höhe von etwa 72 Millionen Euro. Das liege aber nicht nur an fehlenden Fahrgästen, sondern auch an Kostensteigerungen. Die Energiekosten seien in den vergangenen zwei Jahren um 200 Prozent gestiegen, so Vogel. Tendenz? Stark steigend.
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Und wie kann man dem entgegenwirken? Laut Vogel muss der Haushalt nachhaltig aufgestockt werden. „Um die Deckungslücke von etwa 100 Millionen Euro zu schließen, müssten wir aktuell den kompletten S-Bahn-Betrieb Köln oder fast die kompletten Regionalbahnlinien einstellen“, malte der Geschäftsführer eher düstere Zahlen an den VRS- und den NVR-Horizont.