Schwere BeschädigungenNicht alle wollen in Euskirchen-Kreuzweingarten bleiben
Euskirchen-Kreuzweingarten – Eine Spur der Verwüstung zieht sich durch das Unterdorf. Seit dem 14. Juli ist in Kreuzweingarten alles anders. Jenseits der L194 in Richtung Bahnhof und Kindergarten hat das Hochwasser die Menschen besonders hart getroffen. Die Erft und der sonst so friedliche, fast unscheinbare Mersbach haben mit aller Kraft gewütet.
Auch das Alte Brauhaus und die Häuser an der Weingartenstraße, deren Gärten auf einer Straßenseite in Richtung Erft liegen, sind schwer beschädigt. Doch das Unterdorf wird nicht mehr dasselbe sein. Zu groß sind die sichtbaren, aber auch die unsichtbaren Wunden.
Wo es hingeht, verrät er nicht
Karl-Peter Kessel, ehemaliger stellvertretender Leiter der Euskirchener Feuerwehr, beispielsweise hat genug. Er wird Kreuzweingarten verlassen. Wo es hingeht, verrät er nicht. Nur so viel: Es geht in der Nähe auf den Berg. Bereits 2007 habe er viel Wasser im Keller gehabt. Nun sei er „generalstabsmäßig“ vorbereitet gewesen. Das Mäuerchen rund um das Grundstück habe er im Bereich der Einfahrt mit Sandsäcken sogar noch erhöht. Am Tag des Hochwassers habe er sich, so Kessel, sogar noch einen Container Sand liefern lassen, damit die Feuerwehr Sandsäcke füllen könne. Gereicht hat das alles nicht. Auch 20 Tage nach dem Hochwasser sind die Klinker nass. Die Schäden am Haus sind deutlich zu erkennen, die im Inneren ohne viel Fantasie zu erahnen. Auch Kessels Feuerwehr-Uniform hat es erwischt. Sie hängt schlammbeschmiert wie ein Mahnmal an der Lampe vor dem Haus.
Die Nacht auf den 15. Juli werde er nie vergessen, sagt Kessel. Nicht nur, weil in seinem Eigenheim das Wasser stieg und stieg. Sondern auch, weil sich nur 50 Meter weiter dramatische Szenen abspielten. Eine Familie hatte sich mit der Leiter auf eine Garage gerettet, weil das eigene Haus weder Keller noch Obergeschoss hat. „Die haben die ganze Nacht auf der Garage ausgeharrt. Ich konnte nur noch hoffen, dass das Gebäude nicht von den Fluten mitgerissen wird“, sagt Kessel.
„Diese Woche haben wir noch durchgeplant“
Doch es gibt auch Kreuzweingartener, die wiederkommen wollen. „Meine Schwiegermutter weint jeden Tag, weil sie Heimweh hat“, sagt Julia Jonas. Ihre Schwiegermutter sei derzeit in einer Ferienwohnung bei Eschweiler untergebracht, weil ihr Haus völlig zerstört wurde. 50 Jahre hat sie in Kreuzweingarten gelebt. Seit Tag eins nach dem Hochwasser hilft Julia Jonas nicht nur, das Haus zu entrümpeln, sondern auch an anderer Stelle im Ort: im Schützenheim. Dort ist die Anlaufstelle für alle, die Kleidung, Lebensmittel, Spielsachen oder nur einen warmen Kaffee benötigen. „Diese Woche haben wir noch durchgeplant“, sagt Jonas, die viele Freunde und Bekannte aus dem Rhein-Sieg-Kreis für die Hilfe in Kreuzweingarten gewinnen konnte. Da mittlerweile viele wieder arbeiten müssten, werde die Planung schwieriger, die freiwilligen Helfer weniger. Von 16 bis 19 Uhr ist das Schützenheim geöffnet. Dort gibt es neben dem Kaffee auch Kuchen und ein warmes Abendessen.
Unterstützung erhalte man vom Haus Hardtberg. Dort könne Kleidung gewaschen werden, Duschen stehen zur Verfügung. Großes Lob verteilt Jonas an die Landwirte, die vor allem unmittelbar nach dem Hochwasser enorm geholfen hätten. Ab diesem Zeitpunkt nahm auch die Hilfe am Schützenheim von Tag zu Tag mehr Fahrt auf. „Der Zusammenhalt im Ort ist schon enorm“, so Jonas.
„Das hier war schlimmer als im Krieg“
Den hat auch Bajram Juniku zu spüren bekommen. Als das Wasser unaufhörlich stieg, rettete er sich in letzter Minute mit seiner Frau zur Nachbarin ins zweite Obergeschoss. „Sonst wären wir wohl tot“, sagt er. Er habe alles verloren. Seinen Roller habe er in Rheder wiedergefunden – weggespült vom Wasser. „Das hier war schlimmer als im Krieg“, berichtet Juniku. „Ich bin aus dem Kosovo wegen des Kriegs geflüchtet. Ich weiß also, wovon ich spreche“, sagt er mit Tränen in den Augen. Er wolle in Kreuzweingarten bleiben. Nicht, weil er nicht wisse, wo er sonst hinsolle, sondern wegen der Nachbarin, die ihm das Leben gerettet hat.
Nicht geschafft hat es die Figur der heiligen Maria auf der Erftbrücke an der Hubertusstraße. Ein BMW wurde durch das Wasser gegen die Figur gespült, die seitdem nicht mehr aufzufinden ist.