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Wildwest in SchleidenBeseitigung der Flutschäden auf der B266 sorgt für Unmut

Lesezeit 5 Minuten

Die Schilder an der B266 sind längst nicht jedem klar: Immer wieder versuchen sich Autofahrer durchzumogeln.

Schleiden-Gemünd – Von der geteilten Stadt sprechen die Gemünder. Mal schütteln sie nur noch den Kopf, mal sind sie wütend wegen der Baustelle auf der B266. Dass die Arbeiten gemacht werden müssen, stellt in Gemünd niemand infrage – doch die vom Landesbetrieb Straßen avisierte Dauer der Sperrung bis Dezember erzürnt sie. Wie lange tatsächlich gebaut wird, ist jedoch unklar und hängt auch von der Witterung ab.

Der Grund

Auf der 230 Meter langen Passage zwischen dem Kreisel am Dürener Berg und der Ampelkreuzung werden seit vergangener Woche Hochwasserschäden beseitigt. Zuerst sind die Versorgungsleitungen dran: Wasser, Strom, Gas, Telefon – alle Leitungen sind in der Flutnacht zerstört worden.

Die Brücke am Plan dürfen nur Radler und Fußgänger passieren.

Die beschädigte Brücke muss instand gesetzt werden. Danach ist die Straße an der Reihe. Laut Torsten Gaber vom Landesbetrieb Straßen müssen die Arbeiten jetzt erledigt werden: „Weil sonst beim beginnenden Winter durch den Verkehr die Straße und Nebenanlagen irreparabel beschädigt und unpassierbar werden und die Bürger unter anderem ohne Strom, Gas und Wasser da sitzen würden in ihren Häusern, Wohnungen und Gewerbebetrieben.“

Die Umleitung

Wer aus Richtung Kall kommt, darf die Baustelle passieren. Wer in Richtung Kall will, muss einen weiten Umweg fahren: Statt um die sieben Kilometer sind bis Kall mehr als 20 fällig – die offizielle Umleitung führt über Schleiden, Sistig und Sötenich. Und die müssen auch die Gemünder fahren, wenn sie etwa von Malsbenden oder vom Salzberg nach Mauel wollen.

Einzig ÖPNV-Busse können per Ampel, an der die Fahrer einen Code eingeben, den Verkehr stoppen und auch in Richtung Kall fahren.

Die Schwierigkeiten

Viele von der Flut Betroffene wohnen derzeit nicht in ihren Häusern, wollen aber jede freie Minute nutzen, um dort zu arbeiten. Eine halbe Stunde ist schnell futsch, wenn sie die Umleitung nehmen – mehr wird’s, wenn sie etwa im Ruppenberg hinter einem Lkw herkriechen müssen. Die Fahrten zur Arbeit dauern für viele nicht nur deutlich länger, für manche wird die Arbeit nahezu unwirtschaftlich.

Alle Versorgungsleitungen müssen erneuert werden.

Etwa für eine Gemünderin, die einen 450-Euro-Job im Raum Mechernich hat. Für den „normalen“ Weg habe sie die Spritkosten berechnet, das sei in Ordnung gewesen. Aber jetzt? „Dieses Nullsummenspiel kann ich mir eigentlich nicht leisten“, sagt sie. Auf ihre Beschwerde beim Landesbetrieb habe sie zwar eine ausführliche Antwort erhalten, die aber in der Konsequenz besagt, dass Straßenbau eben mit Einschränkungen verbunden sei, mit denen man leben müsse.

Die Konsequenz

Wildwest in Gemünd! Immer wieder kommt es zu Szenen, die die Beobachter die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lassen. Verzweifelte Autofahrer geben alles, um auch die Ampel, die ja nur für die Busse da ist, zu nutzen. „Du bist kein Bus“, ruft der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes einer Frau zu, die sich an die Ampel stellt. Kurzerhand fährt sie verkehrt herum in die Einbahnstraße, bis der Gegenverkehr so stark wird, dass sie aufgibt und umkehrt.

„Wie komme ich nach Euskirchen?“, fragt sie einen Passanten, der sie kopfschüttelnd auf den Weg über Schleiden und Sistig schickt. Eine Gruppe Motorradfahrer ist gewitzt und schiebt die Maschinen über den Bürgersteig bis zum Kreisverkehr. Immer wieder weist der Security-Mann Autofahrern den richtigen Weg, die auf die Kölner Straße abbiegen wollen.

Schieben statt Umleitung ist die Devise dieser Biker.

Die nächste Sperrung

Über die Brücke am Plan und durch die Alte Bahnhofstraße könnte man die Sperrung doch prima umfahren – theoretisch. Doch die Brücke ist gesperrt. Nur Fußgänger, Radfahrer und Rettungsdienste dürfen passieren. Zum einen wird dort gerade die vor der Flut begonnene Neugestaltung des Nepomuk-Platzes beendet. Doch der gewichtigere Grund ist, dass die Brücke ebenfalls beschädigt ist. Schwerlastverkehr über 3,5 Tonnen darf sie laut Rolf Jöbkes von der Stadt Schleiden ohnehin nicht befahren. Und die Menge anderer Fahrzeuge – der Landesbetrieb habe 4000 Fahrzeuge pro Tag kalkuliert – sei auch zu viel für die angeschlagene Brücke.

Die Alternativen

Laut Torsten Gaber vom Landesbetrieb Straßen wäre eine Leitung des Verkehrs über Kall die einzige Alternative. Doch bei der Abstimmung der Umleitung mit Vertretern aus Kall und Schleiden, von Kreis, Polizei, Rettungsdiensten und ÖPNV-Betreibern seien sich alle einig gewesen, das ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogene Kall nicht dem Umleitungsverkehr aussetzen zu können – „auch aus Rücksicht auf die Betroffenen und die geschädigte Infrastruktur“.

Die „Zwei-Phasen-Ampel-Lösung“ sei geprüft worden, würde aber zu kilometerlangen Staus führen. Laut Gaber wurde dies vor drei Wochen ausprobiert – die Polizei habe es wegen der Rückstaus und des entstandenen Verkehrschaos beendet.

Die Ideen

Bilder der chinesischen Arbeiter, die binnen kürzester Zeit ein komplettes Krankenhaus hochziehen, sind um die Welt gegangen. Dass in Gemünd kaum rund um die Uhr gearbeitet werden kann, ist auch dem örtlichen CDU-Stadtverordneten Manfred Müller klar. Jedoch sieht er bei den Aktivitäten an der Baustelle „durchaus Luft nach oben“. Von 6 bis 22 Uhr sollte schon im Vollbetrieb gearbeitet werden, findet er. Für ihn ist klar, dass es derart „nicht bürgerfreundlich“ nicht weitergehen kann.

Eine Sperrung Gemünds für den Fernverkehr wird im Ort genauso ins Spiel gebracht wie eine Art Passierschein für die Plan-Brücke – der Sicherheitsdienst könne die doch überwachen. Und die Ampelschaltung für beide Richtungen wird genannt – der Stau sei doch das kleinere Übel, sagen die Gemünder.

Der Antrag

Für den Schleidener Stadtrat, der am heutigen Donnerstag ab 18 Uhr tagt, hat die CDU einen Antrag eingebracht, dass die Verwaltung beim Landesbetrieb intervenieren soll, um die Lage zu verbessern. Die Union fordert, zumindest versuchsweise von 6 bis 8 und von 16 bis 18 Uhr den Verkehr mit Ampeln so zu regeln, dass die Straße in beide Richtungen passiert werden kann. Zudem soll diese Ampelschaltung nachts und am Wochenende eingerichtet werden. Darüber hinaus soll im Zwei-Schicht-Betrieb und samstags gearbeitet werden, um die Dauer der Sperrung zu reduzieren.